Liquidation – Imre Kertesz

  • Suhrkamp, 142 Seiten
    2003
    Aus dem Ungarischen übersetzt von Laszlo Kornitzer und Ingrid Krüger.


    Kurzbeschreibung:
    Für den Verlagslektor Keserü wird zehn Jahre nach der Wende das "Liquidation" betitelte Theaterstück, das er aus dem Nachlass seines Freundes B. gerettet hat, zum Gegenstand obsessiver Erinnerungsarbeit. B., in Auschwitz geboren, hat sich 1990 überraschend umgebracht, in seinem Stück jedoch gespenstisch genau die Situation vorweggenommen, die die Hinterbliebenen dann in der Realität erleben sollten: Verwirrung, private Zerwürfnisse, Schlammschlachten aller Art. Umso verzweifelter, als hinge der eigene Lebenssinn davon ab, fahndet Keserü nach dem "großen Lebensroman" B.'s, den er im Nachlass zu finden gehofft hatte...


    Über den Autor:
    Imre Kertesz, geboren 1929 in Budapest, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. Sein autobiografischer "Roman eines Schicksallosen", den er Anfang der 70er Jahre abgeschlossen hatte, wurde zunächst von den Verlagen abgelehnt und nach seiner Veröffentlichung 1975 jahrelang ignoriert. Erst nachdem sich die politische Situation in Ungarn geändert hatte, brachte die Neuausgabe dem Autor die lange versagte Anerkennung und schließlich sogar den Nobelpreis für Literatur 2002. Weitere Werke: "Fiasko" (1988), "Kaddisch für ein nicht geborenes Kind" (1989) und "Ich ein anderer" (1997).


    Meine Meinung:
    Auf den ersten Blick scheint dieser verhältnismäßig kurze Roman des ungarischen Nobelpreisträgers Imre Kerstesz eines seiner leichtesten Bücher zu sein. Ich schicke voraus, dass dieser Eindruck leicht täuscht. tatsächlich lässt sich dieses Buch gut lesen, aber es ist von bemerkenswerter Komplexität, die nicht im Einklang mit der geringen Seitenzahl steht.
    Spielerisch bewegt der Autor sich in der Handlung in verschiedenen Stilen, zum Beispiel kommen dramaturgische Abschnitte durch einen gelesenen Text tatsächlich zum tragen. Dieses kammerspielartige wird dann auch in den Prosaabschnitten noch spürbar sein. manche Stilarten verschmelzen fast ineinander.
    Die den Text führende Hauptfigur Keserü liest aus dem Nachlass seines Freundes B. ein Theaterstück namens Liquidation, dass aufgrund seiner Themen, unter anderen auch Auschwitz, großen Eindruck auf ihn machen. Es beginnen diverse Gedankengänge und Stimmungslagen, die im typischen Kertesz-Ton münden. Dann sucht Keserü nach dem letzen großen literarischen Werk B.s, der von eigener Hand gestorben ist. Er sucht dessen Exfrau und Witwe auf, von der er mehr erfährt.


    Zu meinem persönliche Eindruck zu diesen Buch von Kertesz kann ich nur sagen, dass ich sein komplettes Werk bewundere und obwohl „Liquidation“ für mich nicht die Bedeutung von „Roman eines Schicksalslosen“ oder „Fiasko“ besitzt, sind Handlungsentwurf, die kunstvollen literarischen Spielereien und Dialoge in Liquidation sehr gelungen.
    Zwischen Düsternis und sogar Humor und Selbstreflexion entstehen die verschiedensten Stimmungsfarben.


    Streckenweise ist man von dem Roman natürlich verwirrt, er steckt voller Geheimnisse. Nicht jedes Kapitel hatte ich den Eindruck, dem Buch immer folgen zu können, aber es bleiben doch viele bleibende Überlegungen und Eindrücke.
    Ein gutes Buch also, ich würde mich im Gegensatz zu vielen Kritikern jedoch nicht dazu versteigen von einem Meisterwerk zu sprechen.
    Als Einstiegswerk in Kertesz Werk ist „Liquidation“ vielleicht weniger zu empfehlen, da der Autor selbst in diesem Buch so präsent wirkt, dass man ihn am Bestens schon durch seine anderen Hauptwerke kennt, um ihn besser einordnen zu können.