Michael Chabon, "Wonder Boys"

  • Grady Tripp, Dozent für "Kreatives Schreiben" und Autor einiger
    Romane, die es zum Achtungserfolg gebracht haben, laboriert an seinem Opus
    Magnum "Wonder Boys", das es bereits auf über 2.000 Seiten bringt.
    Anläßlich des jährlichen Literaturevents "WordFest" kommt der schrullige
    Agent des Helden nach Pittsburg, und gemeinsam mit Tripps Lieblingsstudent
    James Leer beginnt eine zweitägige Odyssee, im Rahmen derer blinde Hunde
    erschossen, Nerzjäckchen gestohlen und Autos entführt werden.


    Das Buch erinnert an "Angst und Schrecken in Las Vegas", ist
    vielleicht etwas weniger drogengeschwängert, aber ähnlich atemlos,
    allerdings weit besser geschrieben. Mit viel Sprachwitz erzählt
    Chabon vom Leiden der Literaturschaffenden, von der Konvergenz, in
    der sich Romanfiguren und Autoren permanent befinden, vom Wollen und
    Nichtkönnen. Rasant und überaus witzig jagen Tripp, Leer und der schwule
    Agent durch Pittsburg, aber auch durch Manuskripte, Partys und Vorträge,
    um sich am Ende, so, wie es sein sollte, vollständig verändert
    wiederzufinden. Der Roman folgt den Prinzipien, die die Gurus des
    kreativen Schreibens verkündet haben, aber er tut das augenzwinkernd und
    sehr, sehr lakonisch. Eine wunderbare Satire, die leider im zweiten Teil
    ein bißchen abflacht. Trotzdem ein extrem lesbares und streckenweise
    brüllend komisches Buch.

  • Zitat

    Ist von dem Autor nicht auch "Die Geheimnisse von Pittsburgh" gewesen?


    Ja, das war sein Erstling, seine Abschlußarbeit beim CW-Kurs, die überraschend zum Erfolg wurde. Habe ich noch nicht gelesen.


    Zitat

    War das nicht dieser Yuppie-Schreiberling?


    Wie meinsten das?

  • Zitat

    Original von Tom


    Ja, das war sein Erstling, seine Abschlußarbeit beim CW-Kurs, die überraschend zum Erfolg wurde. Habe ich noch nicht gelesen.


    Tom: unbedingt nachholen !!! Die Geheimnisse ... sind klasse !!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Zitat

    Original von Tom


    Wie meinsten das?


    Nicht abwertend. Aber "damals", als das Buch erschien, wurde der Autor zur Yuppie-Ikone stilisiert und sein Buch ebenso.


    Es war ganz gut, wenn man von der Tatsache absieht, daß in meiner Ausgabe kurz vor dem Ende zwei oder drei Blätter fehlten. :fetch

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)


  • Habs selber noch nicht gelesen, hab aber einige Rezensionen gelesen, die sich eher mäßig anhörten .... Muß man wohl mal reinlesen, um sich selber ein Bild davon machen zu können ...

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • ich habs gelesen und bin schwer beeindruckt.


    eigentlich kann ich der rezi von tom nichts hinzufügen. diese art von humor, vor allem die skurrilen gedankengänge des erzählers haben mich mehr als einmal zum schmunzeln gebracht. die immer absurder werdende story war für mich da garnicht so vorrangig. die momentaufnahmen haben mich fasziniert, die vergleiche, die herleitungen. da war ich immer wieder verblüfft.


    einziger wermutstropfen für mich: die übersetzung. zwei beispiele, dir mir so ohne buch auf anhieb einfallen:

    • der erzähler sagt, dass er ewig nichts zu papier gebracht hätte - und meinte dann, unter schriftstellern nenne man das einen schreibblock
    • sie waren in einem steak-haus und aßen rippenspeere! :rofl


    bo :-)

  • Ich habe das Buch nun auch gelesen, den Film hatte ich zuvor bereits gesehen. Ich fand es großartig. Anfangs fiel es mir etwas schwer, in die Geschichte hereinzukommen, aber dann war ich wirklich begeistert von der Sprache und sowohl amüsiert als auch betrübt über die Eigendynamik ( wenn man bedenkt, dass die gesamte Handlung sich auf ein Wochenende verteilt, ein ganz schönes Tempo ), die die Handlung gewinnt. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, Grady einfach mal wachrütteln zu müssen, manchmal musste ich einfach nur schmunzeln. Ein absolut lebenswertes Buch, dessen Facetten überaus vielseitig sind.

  • Ende April habe ich das Debüt von Michael Chabon "Geheimnisse in Pittsburgh" gelesen und war angetan von seinem Schreibstil und ich habe damals geschrieben, dass ich mehr von diesem vielversprechenden Schriftsteller lesen möchte. Nun habe ich dies knapp ein halbes Jahr später getan und bin nach wie vor beeindruckt von seiner Manier eine Geschichte in Worte zu packen aber ich konnte diesmal leider mit den Figuren wenig bis gar nichts anfangen und so fehlte eine emotionale Bindung zur an und für sich lesenswerten Geschichte. Wenn die Sympathie für die Hauptpersonen fehlt kann eine Erzählung noch gut gestaltet und geschrieben sein, man tut sich schwer mit einer wohlmeinenden Bewertung. Ich kann die vielen guten Benotungen für dieses Buch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen gebe aber ganz subjektiv eine ehrliche sechs Punkte Wertung ab.


    Zweitausendsechshundertelf Seiten ... nein, nicht dieses Buch sondern das Manuskript zu "Wonder Boys" von der Hauptfigur Grady Tripp umfasst diesen monumentalen Umfang. Grady ist Schriftsteller und Lehrer und unterrichtet einen Fortgeschritten Kurs in kreativem Schreiben. Am lokalen WordFest trifft sein Lektor Terry Crabtree ein und möchte ein paar Seiten aus der Textvorlage zu seinem neuen Buch lesen. Das Wochenende wird aber ganz anders als ursprünglich geplant. Es entwickelt sich eine Art chaotischer Road Trip in dem die Protagonisten von der einen skurrilen Szene in die nächste geraten. Das der beinahe dauerbekiffte Grady nach zwei gescheiterten Ehen ein Verhältnis mit der Frau des Rektors und somit Gradys Chef hat bringt die zu erwartenden Schwierigkeiten mit sich. Das der Lektor Terry Crabtree, der auf gleichgeschlechtliche Beziehungen steht, mit dem talentierten aber etwas verschrobenen Studenten James Leer anbandeln möchte ist wiederum ein anderes eigentümliches Thema. Ein paar kuriose Szenen, besonders im ersten Teil, sorgen über die 380 Seiten hinweg für ein Schmunzeln bei der Leserschaft.


    Michael Chabon besitzt ein bewundernswertes Talent für erzählerische Abschweifungen. Wo andere Autoren noch mehr Action in die Geschichte gepackt hätten und auf Teufel komm raus auf billigen Witz gesetzt hätten bremst er die Handlung mit seiner eloquenten Erzählweise immer wieder aus. Irgendwie seltsam, irgendwie aber auch ein Merkmal für sein Gespür für Qualität und um das Ganze niveaumässig nicht ins bodenlose abdriften zu lassen. Ganz ehrlich, gefühlt übertreib er in der zweiten Hälfte des Romans aber etwas mit Tempo rausnehmen und verliert dadurch die dramaturgische Balance. Diese Wahrnehmung könnte aber auch daran liegen, dass ich da meine innere (Be-)Wertung schon getroffen habe und das Buch nur noch auslesen wollte. Wertung: 6 Eulenpunkte