Ich bleibe auf jeden Fall dran, Patricia. Nach den Kommentaren hier im Fred gehe ich davon aus, dass mich noch einiges erwartet.
Siri Hustvedt, "Was ich liebte"
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"Was ich liebte" von Siri Hustvedt scheint ein Roman für Geständnisse zu sein,
denn dieser Roman möchte auch von mir noch beendet werden und wartet darauf bereits seit einigen Jahren. Fraglos beherrscht Hustvedt den Umgang mit Sprache, weiß zu beobachten und dies ebenfalls niederzulegen, dennoch hat mich die Handlung nicht mitgenommen. Zugegeben, das jüdisch-intellektuelle Personal der Story hat nur wenig mit mir selbst zu tun und das wusste ich vor der Lektüre, dennoch hätte ich wegen der durchgängigen Lobeshymnen erwartet, dass die Schriftstellerin mir ihre Figuren nahebringt. Stattdessen erwartete mich gepflegte Langeweile gutsituierter Großstädter, deren Probleme - bricht man sie auf das Wesentliche herunter - sich in ihrer existenziellen Natur nicht grundsätzlich von denen Normalsterblicher unterscheiden.
Mit Sicherheit hat Hustvedt eine zweite Chance verdient - wenn mir nicht zuvor andere Stoffe über den Weg laufen, womit bestimmt zu rechnen ist. -
Ich habe das Buch mittlerweile beendet und noch eine Weile sacken lassen, bevor ich hier schreibe. Zweifellos steigert sich die Geschichte nach dem - auf Deutsch gesagt: langweiligen - Anfang beträchtlich. Hustvedt steuert ihre Personen aus einem scheinbar sicheren Hafen zielgerichtet in die Katastrophe und seziert haargenau die emotionalen und sozialen Folgen für jeden einzelnen, aber auch für ihr Beziehungen untereinander. Faszinierend, wie präzise die Autorin dabei beobachtet und beschreibt. Schön und gekonnt fand ich, wie sie wichtige Erkenntnisse häufig in Nebensätze oder gar zwischen die Zeilen legt. Großes Kino, vor allem für den Kopf. Emotional hat mich die Geschichte bis zum Ende nur begrenzt gefesselt, speziell der Strang um Mark und Teddy Giles hat mich erstaunlich kalt gelassen, obwohl er doch inhaltlich einiges zum Schaudern hergeben sollte. Das Spannende daran waren für mich wieder die Reaktionen vor allem Leos und Violets darauf, ihre Hilflosigkeit und die sich daraus ergebende selbstzerstörerische Untätigkeit im Umgang mit Mark und seinen Problemen. Ich finde es beeindruckend, wie glaubhaft Hustvedt ihre Figuren aufbaut, lenkt und gleichzeitig in ihrem Denken, Fühlen und Handeln analysiert.
Obwohl mich die zum Teil endlos erscheinenden Beschreibungen der Kunstobjekte, insbesondere der Installationen, viel Geduld gekostet hat, sind sie, wie Tom oben richtig schrieb, ebenso wichtig zum tieferen Verständnis des Romans wie die Auslassungen zum Thema Hysterie. Manch andere Bezüge zu Kunst und Literatur schienen mir eher nebensächlich und der Eitelkeit der Autorin geschuldet, was ich ihr aber gern nachsehe. Siri Hustvedt hat mit "Was ich liebte" einen schönen, anspruchsvollen und zum Nachdenken anregenden Roman abgeliefert. Absolut lesenswert, auch wenn für meinen Geschmack zu einem wahren Meisterwerk noch ein wenig fehlt.LG harimau