„Das Geburtstagsgeschenk“ von Barbara Vine alias Ruth Rendell ist eine gelungene Parabel auf den moralischen Konkurs der Thatcher-Ära in England.
England Anfang der 1990er Jahre: Der ebenso charmante und wie ambitionierte Jungpolitiker Ivor Tesham steht kurz vor dem großen Karrieresprung bei der konservativen Partei. Da kommt ihm der Autounfall seiner verheirateten Geliebten gar nicht recht, denn der Shootingstar mit Neigung zu SM-Praktiken wollte seiner heimlichen Liebe ein Geburtstaggeschenk der besonderen Art machen: Auf offener Straße sollte sie von zwei Vermummten „entführt“ werden, um sie dann in ein „Liebesnest“ zu bringen. Doch der Wagen mit den dreien verunglückt, sie und der Beifahrer sterben. Da Tesham keinen Skandal gebrauchen kann, lässt er die Polizei über die Hintergründe des Desasters im Dunklen.
Nur wenige Menschen wissen um die Umstände des Crashs - unter ihnen die etwas unscheinbare, 30-jährige Bilbiothekarin Jane Asherton, die als beste Freundin des Opfers stets das Alibi für die heimlichen Treffen der Verliebten stellte. Und Jane wittert die Chance, ihre ganz eigenen Vorteile aus der verzwickten Lage zu ziehen.
Mein Fazit:
„Das Geburtstagsgeschenk“ ist ein feiner psychologischer Roman von Barbara Vine, hinter deren Pseudonym sich die englische Krimiautorin Ruth Rendell verbirgt. Vines Geschichte um einen eloquenten machthungrigen Politiker der Torys beginnt 1990, im Jahr der IRA-Anschläge in England, der Krise auf dem Balkan und der ersten Rückschläge für die konservative Thatcher-Regierung. Die fiktive Handlung wird aus der Sicht zweier sehr unterschiedlicher Personen geschildert: der von Ivor Teshams Schwager Rob und der der „Alibi-Frau“ Jane Asherton.
Mit dem ihr eigenen Stil schürt Vine/Rendell durch den gesamten Roman eine knisternde Erwartung des Kommenden und vermittelt gekonnt jene Atmosphäre der moralischen Anrüchigkeit, die alle Aktionen ihrer Hauptfigur umgibt. Obwohl es um das Ende der damaligen Tory-Regierung geht, rechnet die Autorin nicht platt mit den sich häufenden Skandalen und Rücktritten im Regierungstross der damaligen „Iron Lady“ Thatcher ab, sondern setzt als Metapher für diesen Verfall einen Politiker ein, der die Dinge stets mit nassforschem Upper-Class-Selbstbewusstsein „auf seine Art“ regelt.
Kurz vor der nächsten England-Wahl wird „Das Geburtstagsgeschenk“ so zu einer gelungenen Parabel auf den moralischen Konkurs der Thatcher-Ära.