OT: Berättelse om Herr Roos
übersetzt von Christel Hildebrandt
Kurzbeschreibung
Ein Fall für Inspektor Barbarotti
Ante Valdemar Roos, 59 Jahre alt, ist der Prototyp des Langweilers: grau, unauffällig, in zweiter Ehe mit Alice verheiratet, seit mehr als zwanzig Jahren als Ingenieur in einer Firma beschäftigt, die mittlerweile nur noch Thermoskannen herstellt. Roos ist unzufrieden mit sich, dem Leben, seiner Ehe, weiß aber keinen Ausweg. Doch eines Tages geschieht ein kleines Wunder - er gewinnt im Toto, das er seit dem Tod seines Vaters spielt. Anstatt seine Freude groß hinauszuposaunen, beginnt er ein Doppelleben in einem abgelegenen Häuschen im Wald. Dort macht er bald eine neue Bekanntschaft, die er in seinem ersten Leben so nie für möglich gehalten hätte. Roos freundet sich mit einem jungen Mädchen an, das aus einem Heim für junge Drogenabhängige ausgerissen ist und nun verzweifelt eine Zuflucht sucht. Doch schon bald stört ihr Exfreund die Idylle - und Inspektor Barbarotti hat einen Mordfall zu klären...
Über den Autor
Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der interessantesten und aufregendsten Krimiautoren Schwedens. Für seine Kriminalromane um Kommissar Van Veeteren erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in mehrere Sprachen übersetzt und wurden erfolgreich verfilmt. Daneben schreibt er Psychothriller, die in ihrer Intensität und atmosphärischen Dichte an die besten Bücher von Georges Simenon und Patricia Highsmith erinnern. "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" oder "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla" gelten inzwischen als Klassiker in Schweden, werden als Schullektüre eingesetzt, und haben seinen Ruf als großartiger Stilist nachhaltig begründet. Håkan Nesser lebt mit seiner Frau derzeit in London und auf Gotland.
Meine Meinung
Der 59-jährige Ante Valdemar Roos bezeichnet sich selbst als Langweiler. Er führt ein trübseliges und eintöniges Leben zwischen seiner Familie in Kymlinge, in der er niemandem etwas bedeutet, und seiner Arbeit als kaufmännischer Leiter der Firma Wrigmans Elektriska in Svartö, die Thermoskannen herstellt. Freunde? Hobbys? Fehlanzeige.
Als eines Tages das Unfassbare passiert und Herr Roos über zwei Millionen Kronen im Toto gewinnt, hält er diesem Gewinn geheim. Er kündigt seine Arbeit, kauft sich eine abgelegene, kleine Kate im Wald und verbringt dort mit Spaziergängen und Kreuzworträtsel lösen die Zeit, die er zuvor bei Wrigmans verschwendet hat.
In einem zweiten Handlungsstrang lernt der Leser die 21-jährigen Anna Gambowska kennen. Drogenabhängig hat ihr letzter, sehr besitzergreifender Freund Steffo sie auch noch an Heroin gebracht. Nun ist Anna zum Entzug und Neuanfang im Elvaforsheim. Als dort merkwürdiges vor sich geht, flieht Anna und sucht ausgerechnet in Herrn Ross' Kate Unterschlupf.
Die Beiden freunden sich langsam an und verbringen beschauliche Tage in der Kate, bis – ja, bis Annas Ex-Freund Steffo auftaucht.
Erst jetzt beginnt das zweite Leben des Herrn Roos wirklich.
Håkan Nesser lässt sich viel Zeit mit dem Aufbau der Geschichte. Sehr subtil sind die psychologischen Beschreibungen des Innenlebens der Protagonisten.
Erst nach der Hälfte des Romans hat Inspektor Gunnar Barbarotti seinen ersten Auftritt. Und auch dann dauert es noch, bis er und seine sympathische Kollegin Eva Backman endlich einen echten „Fall“ zu lösen haben und einen Mord aufklären müssen.
Wer also Mord – Ermittlungen – Miträtseln erwartet, wird mit diesem Buch nicht zufrieden sein.
Die erste Hälfte dieses Romans wirkt depressiv und nieder drückend. Håkan Nesser bemüht sich die zum Teil schon philosophischen Gedanken seiner Protagonisten auf hohem sprachlichem Niveau seinen Lesern zu vermitteln, aber so tiefgründig und neu ist das alles nicht.
Ganz anders wirkt der zweite, handlungsreiche Teil dieses Buches. Der sympathische Inspektor Barbarotti bringt durch seinen Humor und seine Menschlichkeit Leben in die Geschichte, wobei er keineswegs oberflächlich charakterisiert ist.
Besonders die Dialoge zwischen Barbarotti und Eva Backman zeichnen sich durch Witz und Ironie aus.
Der Leser ist den beiden Beamten immer etwas voraus, was aber dem Spaß und der Spannung in diesem Teil keinen Abbruch tut.
Fazit: Insgesamt bleibt dieser dritte Fall für Inspektor Barbarotti ein durchschnittlicher Kriminalroman, der in meinen Augen mit dem vorherigen Fall „Eine ganz andere Geschichte“ nicht mithalten kann.
6,5 Punkte von mir.