„Das Tagebuch der Anne Frank“ dürfte den meisten Menschen ein Begriff sein. Die junge Jüdin Anne berichtet über ihr Leben im Hinterhaus, in dem sie sich mit ihrer Familie und vier weiteren Menschen zwei Jahre lang vor den Nazis versteckt hielt, bevor sie deportiert wurden. Anne, ihre Schwester Margot und ihre Mutter Edith überlebten das KZ nicht. Annes Vater Otto Frank veröffentlichte die Tagebücher seiner Tochter und schrieb damit ein Stück Literatur-, Theater- und auch Filmgeschichte.
„Grüße und Küsse an alle“ schenkt uns einen Einblick in das Leben der Verwandten von Anne Frank. Mirjam Pressler hat in Zusammenarbeit mit Buddy Elias, dem Cousin Annes, sowie seiner Frau Gerti, aus vielen tausend Briefen, die vor, während und nach dem Krieg zwischen den Familienmitgliedern geschrieben wurden, sowie aus Erinnerungen von Buddy Elias ein Werk geschaffen, das den Leser teilhaben lässt an der Geschichte der Familien Frank und Elias. Man erhält Informationen über wichtige Persönlichkeiten dieser Familie, etwa Annes Großmutter Alice, ihre Tante Leni, den Vater Otto, aber auch den berühmten Cousin Buddy.
Im Buch befinden sich Drucke der Originalbriefe sowie Gemälde und Fotos. Man hat das Gefühl, durch das Fotoalbum eines guten Freundes zu blättern, so tief und intim sind die Einblicke, die dem Leser gewährt werden.
An manchen Stellen liest sich die Geschichte wie ein Familienroman, doch man wird immer wieder daran erinnert, dass sie real ist und dass der Familie wirklich so viel Leid widerfuhr. Spätestens ab dem Punkt, an dem Otto Frank aus dem KZ freikommt und in seinen Briefen von der Suche nach seiner Frau und seinen Töchtern berichtet, wird man die Beklemmung nicht mehr los. Ich fand es sehr heftig, den Brief zu lesen, in dem er seiner Familie schließlich erst mitteilt, dass seine Frau im KZ verstorben ist und schließlich berichten muss, dass auch Anne und Margot nicht überlebt haben. Die Geschichte Otto Franks wird bis zu seinem Tode 1980 zu Ende erzählt.
„Grüße und Küsse an alle“ berichtet auch über die Entstehung des Buches „Das Tagebuch der Anne Frank“ sowie des Theaterstückes und des Films. Man erfährt viele Details, die man vorher nicht wusste (ich zumindest nicht), z.B., dass Otto Frank 50 000 Dollar an einen Drehbuchautor zahlen musste, weil dieser ihn verklagt hatte, oder dass es Gerichtsverhandlungen gab, weil Rechtextreme Annes Tagebücher als Fälschungen deklarierten. Auch über die Gründung der Anne Frank Stiftung und des Anne Frank Fonds erhält man Informationen.
Der Autorin ist es mit diesem Buch gelungen, dem Leser die Familie der Anne Frank so nahezubringen, dass man das Gefühl hat, diese Menschen persönlich zu kennen. Ich finde es sehr schön, durch „Grüße und Küsse an alle“ so viel über sie erfahren zu dürfen und kann es jedem, der sich für die Geschichte Anne Franks interessiert, dieses Buch nur ans Herz legen. Es ist sicherlich nicht einfach und „schnell weg“ zu lesen, dieses Buch verdient es, dass man sich ihm in Ruhe und mit Zeit widmet. Aber für die Leser, die bereit sind, sich darauf einzulassen, wird es eine Bereicherung sein.