Sie kamen bis Konstantinopel - Frank S. Becker

  • Sie kamen bis Konstantinopel, Frank S. Becker, Verlag Philipp von Zabern, Mainz, 2009, ISBN 978-3-8053-4081-6


    Zum Autor: (lt. Klappentext)
    Frank S. Becker, Jahrgang 1952, promovierter Physiker, war schon früh von der Römerzeit fasziniert. Seit über drei Jahrzehnten reist er auf den Spuren der Antike durch Europa und den Mittelmeerraum. 2004 erschien der erste seiner sorgfältig recherchierten historischen Romane, „Der Abend des Adlers“, 2007 folgte „Der Preis des Purpurs“. Der Autor war lange Zeit Sprecher von Quo Vadis, dem Autorenkreis Historischer Roman. Sein zunehmendes Interesse an der Begegnung zwischen europäischem und islamischem Mittelalter gipfelt nun im Roman „Sie kamen bis Konstantinopel“. Becker lebt in München.


    Meine Meinung:
    Mit seinem dritten historischen Roman „Sie kamen bis Konstaninopel“ widmet sich Frank S. Becker einem Zeitraum, zu dem es bisher kaum historische Romane gibt. Ende des 7. Jahrhunderts ist das weströmische Reich bereits untergegangen, das oströmische Reich führt einen schier aussichtslos erscheinenden Kampf ums Überleben, während die islamische Expansion immer weiter voranschreitet. Vor dem Hintergrund dieser oft als Europas düsterste Epoche beschriebenen Zeit entfaltet Frank S. Becker die spannende Geschichte drei junger Menschen.


    Padraich kommt bereits mit sechs Jahren in ein Kloster auf der irischen Insel, wo er heranwächst. Er fühlt sich mit einer großen Schuld beladen, die sich aufgrund eines einschneidenden Ereignisses noch steigert. Als junger Erwachsener tritt er sein Bußgelübde an, das weiße Martyrium, den Aufbruch in die Fremde. Seine als Mönch begonnene Reise wird ihn über viele Stationen als Priester bis nach Konstantinopel führen. Während der Reise lernt er Pelagia kennen.


    Pelagia ist eine junge Frau aus Karthago, die ihren Vater und ihre Heimatstadt verlässt, um in Rom eine standesgemäße Heirat und Reichtum zu suchen. Doch Rom ist bereits eine gespenstische Ruinenstadt. Mit dem Aufstieg ihres Geliebten Mizizios erlebt sie Prunk und Pracht, aber auch Niedergang des Aufstands. Sie wird von Piraten verschleppt und ist in höchster Gefahr als sie den sarazenischen Krieger Daud kennen lernt.


    Daud erlebt bereits im Alter von sechzehn Jahren bei einem Umsturz schlimmste Gräuel und Entwürdigungen. Es gelingt ihm vor seinen Peinigern zu fliehen. Als er zum ersten Mal das Meer sieht, weiß er, daß es seine Bestimmung ist und wird zum Seefahrer und sarazenischem Krieger. Als er auf einer seiner Fahrten die Gefangene Pelagia kennen lernt, verliebt er sich in sie und nimmt sie als Sklavin in sein Haus auf. Doch das Zusammenleben mit der Christin Pelagia wird für Daud zunehmend schwieriger...


    Als die muslimische Flotte vor Konstantinopel steht, hat Pelagia den Schlüssel zu einer geheimen Erfindung in der Hand, die den Lauf der Geschichte verändern kann und wird und das Schicksal von Padraich, Pelagia und Daud wird sich entscheiden...


    Frank S. Becker erzählt die abenteuerliche Geschichte von Padraich, Pelagia und Daud mit viel Liebe zu historischen Details und seinen Figuren in einem Prolog, der auf das letzte der dreizehn Kapitel Bezug nimmt, und drei aufeinander aufbauenden Hauptteilen, die jeweils einem der drei Protagonisten gewidmet sind. Jedem der dreizehn Kapitel ist ein passendes Zitat vorangestellt, das zum Weiterlesen einlädt. Obwohl sein Roman mit einer Vielzahl von zeitgeschichtlichen Informationen angefüllt ist, gerät er niemals belehrend und erscheint nie überfrachtet. Lebendig und farbenfroh, in leichter, flüssiger Sprache schildert er die Erlebnisse seiner drei Protagonisten. Sensibel und feinfühlig setzt er sich über die Lebenserfahrungen und charakterlichen Entwicklung seiner Figuren mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Christentum und Islam und dem Aufeinanderprallen der Kulturen von Okzident und Orient auseinander.


    Der Verlag Philip von Zabern hat Frank S. Beckers Roman „Sie kamen von Konstantinopel“ mit einigem Zusatzmaterial ausgestattet. Neben dem informativen und aufschlussreichen Nachwort des Autors mit Abgrenzung zwischen realer Geschichte und Fiktion enthält das gebundene Buch eine Zeittafel, ein Glossar, eine Auflistung geografischer Bezeichnungen, Literaturangaben und zwei historische Karten.


    Frank S. Becker kombiniert in seinem historischen Roman „Sie kamen von Konstantinopel“ Informationen über das ausgehende 7. Jahrhundert meisterhaft mit der spannenden, temporeichen und berührenden Geschichte seiner Protagonisten, mit der er die Spannungen zweier Kulturen und Religionen greifbar macht. Der Roman war für mich so überzeugend und faszinierend, dass ich ihn nur schwer zur Seite legen konnte. Ich bin mir sicher, dass ich auch die beiden vorhergehenden Romane dieses Autors schleunigst lesen werde!


    9 von 10 Punkten

  • Kann man bei diesem Cover an diesem Buch wirklich vorbeigehen? Ich hab es jedenfalls nicht geschafft und den Kauf dieses Buches auch nicht bereut. Für mich war es der zweite Roman von Frank S. Becker. Wie auch bereits beim ersten, handelt es sich hier um einen kleinen "Road-Movie". Von Irland, nach Rom, von Karthago nach Konstantinopel über Damaskus. Ein weiter Bogen durch das 7. Jahrhundert. Mit einem spannenden Thema, den unterschiedlichen Kulturen: dem Christentum und dem Islam. Verpackt in der Geschichte dreier Menschen ihrer Zeit.


    Zu Beginn war ich mit dem Buch noch unzufrieden. Der Effekt, dass Buch nicht mehr aus der Hand legen zu wollen, kam bei mir erst in der zweiten Hälfte des Buches auf. Im ersten Teil tummeln sich zwar eine Reihe von Szenen, die Perlen gleichen. Ob es die meerumrauschte Landschaft Irlands, das langsam zerfallende Rom oder beeindruckende Figuren sind. Aber dazwischen holperte es für mich oft. Ein wirklicher Erzählfluß blieb für mich zu lang nicht greifbar. Sobald sich die Geschichte aber stärker auf einen Ort fokusiert und dort länger verweilt, waren diese Probleme wie weggeblasen. Und ab dann gab es kein Weglegen mehr. Insofern würde mich ein Buch von Becker reizen, dass sich nicht auf soviele Schauplätze verteilt, wenn es hier auch sicher aus inhaltlichen Gründen interessant und lesenswert war.


    Aber die wirkliche Stärke waren für mich auch die Personen. Auch hier anfangs eher wenig Begeisterung, weil die Figuren in ihren Einführungsabschnitten noch wenig Kanten zeigen, aber im Verlauf der Geschichte, zeigen sich Veränderungen. Wie ihr Schicksal sie formt, zugleich aber auch, welche ihrer Charakterzüge bleiben. Gerade diese Mischung macht die Figuren greifbar, man fiebert mit. Manchmal ist man erfreut über das Schicksal, manchmal überrascht und manchmal traurig.


    Ein solider Roman mit Anlaufschwierigkeiten, der dennoch packen kann und in einem spannenden und unverbrauchten Setting Freude bereitet.

  • Super, dass ihr das Buch hier rezensiert habt.
    Mich als bekennenden Römerfan hat das Buch ins frühe Mittelalter gelockt!!!! :lesend - so gut hat es mir gefallen, vor allem die humorigen Nebenfiguren.
    Mein Freund war schon ganz sauer, weil er mich drei Tage kaum ansprechen durfte, aber jetzt liest er es selber.

  • Ich hatte das Glück, Frank S. Becker bei der Historica 2009 zu hören. Er hat zwei Episoden vorgelesen:


    Thekla wird fünf Männern als Beute zugelost. Sie bietet einen Handel an: Unverwundbarkeit im Glaubenskrieg durch eine Salbe mit den entsprechenden Zaubersprüchen im Tausch gegen Ihre Unversehrtheit. Zum Beweis schlägt sie vor, dass die Unverwundbarkeit an ihr selbst demonstriert wird. Und genau in dem Moment, wo sich zeigen muss, ob das Ganze stimmt, sagt Dr. Becker freundlich, aber bestimmt "...und wie es weiter geht, können Sie in meinem Buch nachlesen."


    Als zweite Episode liest er vor, wie Kevin für Padraich und sich selbst ein sehr gutes Quartier in einer Herberge besorgt.


    Die Lesung hat mich so fasziniert, da habe ich das Buch sofort in der Pause gekauft. Jetzt habe ich ein Buch mit Widmung. Ich konnte es nicht lassen und musste die Episode mit Thekla zuende lesen, auch wenn sie erst auf Seite 142 beginnt ...

  • Im 7. Jahrhunderts scheint die alte Welt dem Untergang geweiht. Die islamische Expansion schreitet immer weiter voran, das stark geschrumpfte Oströmische Reich, letzter Hort antiker Tradition, führt einen scheinbar aussichtslosen Überlebenskampf.
    Vor diesem Hintergrund erzählt „Sie kamen bis Konstantinopel“ die Abenteuer einer jungen Frau. Sie verlässt ihre Heimatstadt Karthago und durchreist das Mittelmeer, lernt Gefangenschaft und Erniedrigung kennen, aber auch den Glanz des oströmischen Kaiserhofs und der Kalifenresidenz in Damaskus. Zerrissen zwischen zwei ganz unterschiedlichen Männern – dem irischen Priester Patricius und dem sarazenischen Glaubenskämpfer Daud – erlebt sie die Erfüllung ihrer materiellen Träume wie auch deren Fragwürdigkeit und wird schließlich zu einer Schlüsselfigur in der entscheidenden Schlacht zwischen Christen und Muslimen: dem Kampf um Konstantinopel.
    Jedes Kapitel beginnt mit einem zeitlich bezogenen Zitat und behandelt einen der drei Hauptprotagonisten.
    Da ist der irische Mönch Padraich, der ein dunkles Geheimnis wahrt, der Araber und Kommandeur Daud und Pelagia, die ihre Heimatstadt Karthago verließ um ihren Wunsch nach Reichtum und Ansehen zu erfüllen. Alle drei müssen persönliche Schicksalsschläge hinnehmen und Verluste erleiden.
    Die Charakterisierung der Figuren ist überzeugend gut gelungen. Jeder entwickelte sich im Laufe der Handlung noch ein bisschen weiter und stach auf seine Art heraus.
    Der Roman fesselt auf kunstvolle Art von Beginn der Geschichte. Auf spannende Weise verknüpft Becker historische Ereignisse und Fiktion, so dass man gerne weiterliest. Immer wieder sind die Ereignisse gespickt mit Intrigen und unvorhersehbaren Wendungen.
    Das Bild dieser Zeit ist anschaulich beschrieben. Der Schreibstil ist klar und leicht verständlich.
    Becker schließt sein Werk mit einem Nachwort ab in dem er einige Fakten zu den historischen Ereignissen aufschlüsselt, einer Zeittafel der historischen Daten, einem Glossar, einer Liste über frühere und heutige geografische Bezeichnung und Kartenmaterial.
    Fazit: Ein empfehlenswertes Buch welches ich guten Gewissens empfehlen kann!!

  • Konstantinopel im Jahr 674. Eine übermächtige Flotte belagert die byzantinische Hauptstadt, die nicht bereit ist, sich dem Feind zu ergeben. Auf einem der Schiffe befindet sich Daud, Kommandant des Kalifen Muawiya. Ihn treibt nicht nur der Wunsch, die Stadt der Ungläubigen zu stürzen, sondern auch ein persönlicher Rachefeldzug gegen die dort lebende und ihm verhasste Pelagia, die er als Verräterin ansieht. Pelagia, die in Karthago als Tochter eines reichen Kaufmanns geboren wurde und die es später in die Sklaverei verschlug, lebt nun als freie Frau in der Stadt. Sie hütet ein Geheimnis, das die Flotte des Kalifen in arge Bedrängnis bringen kann.


    So beginnt Frank S. Beckers Roman bzw. so endet er, denn der Prolog könnte auch als Epilog angesehen werden. Die Ereignisse, die der Belagerung vorweg gingen, erzählt der Autor von diesem Zeitpunkt an in Rückblicken: Die Geschichte des Mönches Padraich, der von Irland auszieht, um den Menschen das Christentum zu bringen, die Geschichte von Daud, der vom einfachen Jungen zum Kommandanten des Kalifen aufsteigt und von Pelagia, die als Tochter eines zunächst wohlhabenden Händlers durch verschiedenste Ereignisse erst aufsteigt um dann in Armut und Sklaverei zu geraten. Jedem dieser Protagonisten widmet der Autor einen eigenen Teil des Buches, um alle drei Schicksale schließlich im letzten Abschnitt zusammen zu führen.


    Padraichs Lebensgeschichte nimmt einen großen Teil des Buches ein. Der Leser begleitet ihn von seiner Kindheit, über seine Jugend bis hin zum Erwachsenenalter, pilgert mit ihm über die Alpen nach Rom. Ich fand diesen Teil des Buches zu lang. Um die Figur des Padraich verstehen zu können, hätte es nicht so ausführlicher Schilderungen bedurft. Kurz hingegen fällt der Abschnitt um die Entwicklung des Jungen Daud aus. Über seinen Werdegang erfährt man nicht viel, weil hier nur ein kurzer Abschnitt seines Lebens geschildert wird und so kann man im Verlaufe der weiteren Geschichte nur ahnen, wie aus dem lernbegierigen und korantreuen Jungen im späteren Leben ein fanatischer Islamist wird. Der Schwerpunkt des Buches aber liegt auf der Schilderung und dem Schicksalsweg von Pelagia, die vom behüteten Elternhaus ins rauhe Leben gestoßen wird, wo ihr zunächst das vermeintliche Glück winkt, das sich aber nur von kurzer Dauer herausstellt, deren weiterer Lebensweg in Armut und später in die Sklaverei führt. Hier finden die ersten Fäden zusammen, denn sie begegnet Daud, der sie zunächst auf Händen trägt, später jedoch fallen lässt. Sie flieht nach Konstantinopel und dort trifft sie auch Padraich wieder. Hier finden die nächsten Fäden zusammen. Dieser letzte Abschnitt hat mir auch am besten Gefallen, denn hier kam endlich Tempo in die Geschichte, der Konflikt zwischen dem vordrängenden Islam und dem an alten Traditionen festhaltenden Kaiserreich ist auf jeder Seite dieses Abschnittes spürbar.
    Es ist eine unruhige, im Aufbruch befindliche Zeit, die von Farbenpracht und Leben auf der einen und beständigem Zerfall und Resignation auf der anderen Seite geprägt ist. Vom historischen Aspekt aus betrachtet ist das Buch eine echte Perle. Man merkt ihm deutlich an, dass der Autor die Zeit, über die er schreibt, wirklich kennt und hier mit viel Liebe zum Detail den Übergang von der Spätantike zum Mittelalter in allen Facetten plastisch und lebendig präsentiert. Während mir der Autor das Lebensgefühl und die Ansichten der damaligen Zeit wirklich nahe gebracht hat, hatte ich mit den Protagonisten meine Probleme. Den Wandel Dauds konnte ich nicht nachvollziehen, auch Padraich blieb mir mit seinem Verhalten fremd. Einzig Pelagia wies für mich eine gewisse Tiefe auf, die durch ihre Schicksalsschläge noch verstärkt wurde. Dafür gibt es als "Entschädigung" wunderbare Nebenfiguren wie den unbedarften und immer fröhlichen Urso, der mich so manches Mal zum Schmunzeln gebracht hat.


    Beim Lesen entsteht oft eine Distanz zu den Protagonisten, die vielleicht auch dem Schreibstil des Autors geschuldet ist. In manchen Situationen verwendet Frank Becker oft nicht den Namen der jeweiligen Figur, sondern statt dessen Bezeichnungen wie: "Die Frau" oder "Der Mann". Das irritiert und hat zur Folge, dass man das Geschehen dann wie aus weiter Ferne betrachtet. Als würde sich etwas Fremdes zwischen Leser und Protagonist schieben.
    Auf den letzten zwei Seiten sorgt der Autor dann noch für eine kleine Überraschung in Sachen Pelagia, mit der ich so nicht gerechnet habe und die mich etwas unzufrieden zurückgelassen hat.


    Wer sich für die Ereignisse um die Belagerung von Konstantinopel, das Vorrücken des Islam und generell für die Zeit zwischen Spätantike und frühem Mittelalter interessiert, der ist mit Frank S. Beckers Roman aber hervorragend bedient.