Droste-Verlag stoppt Islam-Krimi wg. Sicherheitsrisiko

  • Hallo,


    juristisch funktioniert es so, dass der Verlag vom Vertrag zurücktreten kann, wenn das Werk nicht die "vertragsgemäße Beschaffenheit" aufweist. Er ist nicht auf Gedeih und Verderb gezwungen, was immer da kommt, auch zu drucken. In jedem Verlagsvertrag gibt es hierzu Klauseln, auch über die Rechtsfolgen, und wenn es dort nicht steht, dann im Gesetz (aber nicht bei Gesetzen über Kaufverträge, sondern im Verlagsgesetz).


    Gibt es über die Berechtigung des Rücktritts bzw. die "vertragsgemäße Beschaffenheit" Streit, muss man wohl oder übel den Klageweg beschreiten - der Veleger, wenn er seinen Vorschuss zurückhaben will, der Autor, wenn er die 2. Rate und eine Veröffentlichung möchte.


    LG,
    Charlotte T.

  • @ Tom:
    Offensichtlich schreiben wir aneinander vorbei.


    Fakt ist, dass wir den Vertrag und die darin enthaltenen Rechte und Pflichten nicht kennen.


    Im Artikel von Spiegel Online war die Rede von "Rechte zurückgegeben".
    Juristisch kann dies vielerlei bedeuten. Weder der Text noch ich haben den Begriff Kündigung aufgenommen. Hiervon war nur in Deinem Beitrag die Rede; ebenso wie vom Verstoß gegen Vertragsklauseln.
    Ich schrieb lediglich


    Zitat

    Genauso wie es der Autor/ die Autorin hinnehmen muss, dass der Verlag am Ende sagt: "So wird es nicht gedruckt."

    ,


    und wollte damit ausdrücken, dass ein Verlag unabhängig von bereits geschlossenen Verträgen die unternehmerische Entscheidung treffen kann, ob die Druckerpresse angeworfen wird oder nicht.
    Bei einer Weigerungshaltung des Verlages kann und darf natürlich der/die Betroffene klagen und Zeit und Energie und vor allem Geld darauf verwenden, Jahre später seine/ihre Ergüsse zwischen zwei Buchdeckeln wieder zu finden. Ob ein derartiges Verfahren wie das Hornberger Schießen ausgeht oder ob bei unüberbrückbaren Differenzen eine Vertragsaufhebung nicht sinnvoller wäre, möchte ich dahingestellt sein lassen.
    Verlierer wird es in diesem Fall wohl auf beiden Seiten geben; ein im Ansehen geschädigter Verlag und eine nichtveröffentlichte Autorin, für die es möglicherweise nicht leichter wird, einen neuen Verlag zu finden.


    Edit: In weiteren Artikeln im Netz wurde bislang keine Klagewegbeschreitung erwähnt, allerdings scheint die Autorin den Weg an die Öffentlichkeit beschritten zu haben.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Im Artikel von Spiegel Online war die Rede von "Rechte zurückgegeben".
    Juristisch kann dies vielerlei bedeuten.


    Hallo,


    es bedeutet, dass der Verlag die Abnahme verweigert hat und vom Vertrag zurückgetreten ist. Indem er die übertragenen Rechte zurückgibt, ist die Rückabwicklung von seiner Seite aus vollzogen. Ob gezahlte Vorschüsse zurückgefordert werden, ist eine andere Sache, darauf verzichten Verlage manchmal auch. Damit wäre der Vertrag rechtlich vom Tisch, es würde also nichts weiter geschehen - es sei denn, die Autorin beschreitet den Rechtsweg.


    LG,
    Charlotte T.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Vorsicht lasse ich nur walten,
    wenn Journalisten in Kurzartikeln die Situation klären wollen und bei ihren Formulierungen einen großen Auslegungsspielraum lassen.


    Das sehe ich genauso. Um alle Hintergründe zu kennen, müsste man vor allem das Buch lesen. Insgesamt ist der ganze Hergang aus meiner Sicht sehr unglückselig, für beide Seiten. Die Zusammenarbeit zwischen Verlag und Autor sollte vor allem auf gegenseitigem Vertrauen basieren, und wo es gestört ist, sollte man sich erst mal zusammensetzen und reden. Klappt das nicht, sollte die juristische Klärung vielleicht besser vor einer Einschaltung der Presse erfolgen, wo der Informationsgehalt auch schon mal hinter dem willkommenen Entrüstungsfaktor zurückstehen darf.


    LG,
    Charlotte T.

  • Wenn ein Verlag die Annahme eines bereits eingekauften Manuskripts verweigert, ohne dass es (was der Normalfall ist) dafür vorgesehene Vertragsklauseln gibt, macht er sich des Vertragsbruches schuldig. Natürlich muss der Autor dann klagen, was sehr lange dauern kann, aber ein freundliches Amtsgericht mag sogar dem Antrag auf Einstweilige Anordnung folgen und den Verlag zur Einhaltung der Vertragspflichten verdonnern, und zwar sehr kurzfristig. Und der Verlag muss sehr gute Gründe dafür nennen können, das Manuskript nicht anzunehmen. Nichtgefallen genügt in solchen Fällen nicht.


    Vielen Autoren, die anfangs sehr erfolgreich sind, werden Verträge für mehrere Folgebücher angeboten. Benjamin Lebert ("Crazy") ist so ein Fall - der Mann (damals war er noch ein Junge) hat hohe sechsstellige Beträge für die Folgebücher bekommen, ohne dass es eines davon gab. Heute ärgert sich wahrscheinlich noch so manch einer bei KiWi darüber, dass man das damals getan hat, denn die Folgebücher waren bestenfallls Achtungserfolge - das neueste, "Der Flug der Pelikane", immerhin in diesem Frühjahr erschienen, hängt bei Amazon auf einem sechsstelligen Verkaufsrang neben BoD-Titeln und anderen Selbstverlagssachen. Natürlich kenne ich diese Verträge nicht, aber es ist nicht anzunehmen, dass sie extrem von den Standardverträgen abweichen, die ja auch von den meisten Literaturagenturen genutzt werden. Und danach hätte KiWi jeden Schrott von Lebert drucken müssen. Was sie, meiner ganz persönlichen Meinung nach, ja auch getan haben. ;-)

  • Hallo,


    sehr oft werden Verlagsverträge nur auf Basis eines Exposés gemacht, oder auch nur auf Basis eines Arbeitstitels, und gleich nach Vertragsschluss wird dann meist die erste Rate fällig :-)


    Ein Recht zur Verweigerung der Abnahme behält der Verlag trotzdem, denn er kennt ja noch nicht das ganze Werk, sondern nur die Zusammenfassung.


    Liegt dagegen bei Vertragsschlus ein fertiges Manuskript vor, wird es selbstverständlich schwierig mit einer Abnahmeverweigerung, woran es nichts ändert, wenn der Verleger das Werk erst später liest - er hätte es sich ja vorher anschauen können und steht daher für die Unterschrift seiner Prokuristen/Geschäftsführer auf dem Verlagsvertrag gerade. Einer Klage des Autors wären hier gute Erfolgsaussichten beschieden. Für eine Einstweilige Verfügung sehe ich allerdings keinen Spielraum, dafür fehlt es an den Voraussetzungen.


    LG,
    Charlotte T.

  • Zitat

    Ein Recht zur Verweigerung der Abnahme behält der Verlag trotzdem, denn er kennt ja noch nicht das ganze Werk, sondern nur die Zusammenfassung.


    Aha. Dann zeig mir doch mal die entsprechende Vertragsklausel. In meinen Verträgen wie auch im Standardvertrag (siehe Link weiter oben) finde ich derlei nicht.

  • Zitat

    Original von Tom


    Verblüffende Aussage, da Du - wie alle anderen hier auch - den Kontext und den Rest der Geschichte nicht kennst. Es gibt also "Signalsätze", die Du "rot anstreichen" würdest, ganz egal, in welchem Zusammenhang sie von Romanfiguren geäußert werden. Das nenne ich "Schere im Kopf". Mit einer solchen Lektorin würde ich nicht zusammenarbeiten wollen.



    Was für ein Glück, daß Du das nicht mußt. Das würde Dir überhaupt nicht gefallen.
    :lache


    'Schere im Kopf'? Weil ich Trivia moniere?
    Na, wenn Du meinst. Autorinnen haben da ja eigene Aufassungen. In dem Punkt bin ich sturmerprobt.
    Und dabei wären wir an dem Punkt noch nicht beim Islam angekommen, noch lange nicht.
    :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Tom


    Aha. Dann zeig mir doch mal die entsprechende Vertragsklausel. In meinen Verträgen wie auch im Standardvertrag (siehe Link weiter oben) finde ich derlei nicht.


    Tatsächlich gibt es eine Regelung zur Abnahme in den meisten Verlagsverträgen, die ich bisher gesehen habe. Und wenn es die nicht gibt, macht das auch nichts, weil in den Fällen fehlender vertraglicher Regelung immer das Gesetz greift, hier § 31 Verlagsgesetz.


    LG
    Charlotte T.

  • Niemand kann einen Verlag zum Drucken und Ausliefern eines Buches zwingen. Wie sollte denn da die Vollstreckung aussehen? Allenfalls kann hier wegen Vertragsverletzung Schadenersatz gefordert werden - das tatsächliche Handeln (Druck, Auslieferung) kann nicht erzwungen werden.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Niemand kann einen Verlag zum Drucken und Ausliefern eines Buches zwingen.


    Vermutlich dürfte es tatsächlich eher zur Zahlung von Schadenersatz kommen. Wobei sich aus Verlagssicht die Frage stellte, ob es dann nicht sinnvoller wäre, das Buch auf den Markt zu bringen - um dann wenigstens noch profitieren zu können.


    Charlotte : § 31 VerlG ermöglicht die Zurückweisung aufgrund vorliegender "Mängel". Damit müsste das Manuskript einer Anforderung nichtgenügen, die vertraglich vereinbart war. Oder es müsste, beispielsweise, in Klippschüler-/Rico-Beutlich-Deutsch verfasst sein. Oder kein Roman sein, obwohl einer avisiert war. Aber alles andere muss akzeptiert werden.

  • Na ja, ganz so einfach oder schwarz-weiß ist das nicht mit dem akzeptieren müssen, sondern durchaus einer weitergehenden Auslegung zugänglich. Bei einer Abnahmeverweigerung eines Romans können auch andere Kriterien maßgeblich sein als bloß offen zutage tretende stilistische Mängel. Von denen im Verlagsgesetz auch keine Rede ist, sondern vielmehr von einer "vertragsmäßigen Beschaffenheit".


    Ob eine solche vorliegt, bedarf grundsätzlich einer alle wesentlichen Interessen abwägenden Gesamtschau, also einer rechtlichen und inhaltlichen Würdigung des Werks unter mehr als nur grammatikalischen Voraussetzungen. Die einer Abnahmeverweigerung zugrunde liegenden Vorbehalte müssen natürlich von erheblichem Gewicht sein, das ist klar. Ein schlichtes "find ich aber jetzt irgendwie doof" reicht auf keinen Fall.


    Wobei aber durchaus auch die Frage aufgeworfen werden kann, ob eine Veröffentlichung womöglich die Rechte Dritter verletzt. Ist das beispielsweise in relevantem Umfang der Fall, kann das Buch noch so schön geschrieben sein - es wäre nicht von vertragsmäßiger Beschaffenheit, wenn zu befürchten steht, dass der Verleger das Werk deswegen einstampfen lassen müsste. Natürlich ist das im Einzelnen reine Fallfrage. Gibt es Streit, gibt es ja Gerichte :-) Vor einem Schadensersatz würde es in solchen Fällen aber vermutlich eher zu einem Vergleich kommen.


    Spannende Parallelen lassen sich übrigens hier zu Fällen ziehen, in denen Außenstehende, die in einem Roman vorkommen oder vorzukommen glauben und dabei schlecht wegkommen, den Verlag verklagen, weil sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen - hier wird die Problematik sozusagen von einem anderen Blickwinkel aus beleuchtet.


    LG,
    Charlotte T.


    Edit: Noch anzufügen: Soweit in der genannten Vorschrift von "Mangel" die Rede ist, ist das nicht nur im Sinne von Fehler gemeint, also Stil, Ausdruck oder Dramaturgie betreffend, sondern ein Abweichen von der vertragsmäßigen Beschaffenheit, s .o.

  • magali und am Rande: Der Berliner Tagesspiegel hat heute einige der Äußerungen von Sarrazin mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft:


    http://www.tagesspiegel.de/zei…o-Sarrazin;art693,2919078


    Charlotte : Jene "vertragsmäßige Beschaffenheit" muss natürlich auch festgelegt sein, aber selten steht in Verträgen für Belletristik mehr als "Roman". Wenn dort natürlich Länge, Inhalt oder ähnliches festgelegt wären, was meiner Kenntnis nach selten der Fall ist, müsste der Autor dies auch erfüllen. Wenn nicht, dann gibt es nur wenig "vertragsgemäße Beschaffenheit", die nicht eingehalten und damit zur Abweisung des Manuskripts führen könnte.

  • Danke für den Link, Tom!


    Ich verweise hier noch mal auf den hervorragenden Kommentar von Bettina Röhl in der "WELT"!


    HIER KLICKEN!


    :wave

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

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  • Zitat

    Original von Tom
    Charlotte : Jene "vertragsmäßige Beschaffenheit" muss natürlich auch festgelegt sein, aber selten steht in Verträgen für Belletristik mehr als "Roman". Wenn dort natürlich Länge, Inhalt oder ähnliches festgelegt wären, was meiner Kenntnis nach selten der Fall ist, müsste der Autor dies auch erfüllen. Wenn nicht, dann gibt es nur wenig "vertragsgemäße Beschaffenheit", die nicht eingehalten und damit zur Abweisung des Manuskripts führen könnte.


    Deshalb ist ja auch die weitergehende Auslegung nötig, das ist bei sehr vielen Verträgen so, der Verlagsvertrag ist da keine Ausnahme :-) Vertragsmäßige Beschaffenheit beschränkt sich bei einem Roman nicht auf das, was dazu im Vertrag steht. Sonst wäre es ja einfach - 250 Seiten waren vereinbart, nun muss der Verleger das Ding auch drucken :-) - Außer Länge und Arbeitstitel steht ja in aller Regel nix zur Beschaffenheit drin. Also ein bisschen mehr gehört folglich schon noch dazu, um eine Abnahmepflicht zu begründen, u. a. das schon Ausgeführte, weshalb es von Fall zu Fall der Auslegung bedarf.


    LG,
    Charlotte T.