Katerina Timm: Hexenschwester
Verlag Marion von Schroeder; Oktober 2009
448 Seiten
ISBN-Nr: 978-3547711370
Klappentext:
Hessen im Dreißigjährigen Krieg: Die Winzerstochter Lene Kalkhof hat sich in den ebenso klugen wie anziehenden Buchbinder Velten verliebt – genau wie ihre Zwillingsschwester Clara. Als Velten jedoch um die Hand Claras bittet, verbirgt Lene ihre Enttäuschung. Niemand soll je erfahren, dass sie ihn liebt. Lene fügt sich in die Ehe mit dem Schuhmacher Contz. Aber dann hält auch in dem beschaulichen Städtchen Büdingen der Hexenwahn Einzug. Keine Frau ist mehr sicher, der kleinste Verdacht genügt: Ein unerklärliches Unwetter, eine Fehlgeburt oder plötzliche Krankheiten – alles wird nun dem Treiben von Hexen zugeschrieben. Als schließlich noch der verwegene Julio in Lenes Leben tritt, dreht sich das Rad des Schicksals immer schneller.
Ein fesselnder historischer Roman über eine ungewöhnliche Frau in einer Welt voller Verrat und Aberglaube.
Zur Autorin:
Katerina kennt ihr ja, gell? Ansonsten meldet Amazon:
Katerina Timm, geboren 1952, studierte in Marburg Psychologie und arbeitet als Psychotherapeutin. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Traumdeutung. Katerina Timm lebt mit ihrem Mann in Südwestdeutschland. Die Kosakenbraut ist ihr Romandebüt. (Die Hexenschwester ihr zweiter Roman, Information hinzugefuegt von mir.)
Meine Meinung:
Was für ein herrlicher Roman!
Schön, dass solche Bücher geschrieben werden, schön, dass immer wieder Autoren beweisen, was für unwiderstehliche Geschichten man in dem häufig geschmähten Genre erzählen kann. Mit beneidenswerter Sprachkraft und nicht minder beneidenswertem Einfühlungsvermögen bringt Katerina Timm uns das Schicksal ihrer Figuren nahe, sie lässt sich nicht aus der Ruhe reißen, sondern verlässt sich auf die Stärke ihres Stoffs und breitet ihn souverän und frei von Effekthascherei vor dem Leser aus.
Lene und Clara sind zwei völlig gewöhnliche Mädchen mit völlig gewöhnlichen Träumen, die mit ihrer völlig gewöhnlichen Familie in einer völlig gewöhnlichen Ortschaft leben. Darauf, dass sich sowohl der Dreißigjährige Krieg als auch der Höhepunkt der Hexenverfolgung ihr Leben als Plattform aussuchen, ist keine von ihnen im Mindesten vorbereitet – über Nacht müssen sie einem Sturm standhalten, der ihre Welt um sie aus den Angeln bläst. Dass Katerina Timm aus ihren völlig gewöhnlichen Figuren keine Helden macht, sondern sich liebevoll und sorgsam um sie bemüht und ihnen ihre Würde lässt, verwandelt Figuren in Menschen und macht diese Geschichte von Todesangst und Überlebenswillen zu einer, die Parallelen in allen Epochen findet und mit ihrem Nachklang lange beim Leser bleibt.
Die überstrapazierte Floskel „gut recherchiert“ erhält „Hexenschwester“ verdient. Katerina Timm hat sichtlich nicht nur unreflektiert einen Stapel Sachbücher durchgeackert, sondern Zeit mit einer fernen Zeit verbracht. Sinnliche Details, die beim Lesen Bilder schenken, sind mit Augenmerk ausgewählt, die Fakten des Hintergrunds unaufdringlich verteilt und verständlich aufbereitet. Die Figuren bewegen sich in einem glaubhaften Rahmen, und der Respekt, mit dem die Autorin der fremden Epoche begegnet, ist einen erleichterten Seufzer wert.
Nicht zuletzt: Der Roman „Hexenschwester“ enthält eine herzzerreißende Liebesgeschichte, bei der auch jeder, der grundsätzlich und im historischen Roman erst recht Liebesgeschichten hasst, getrost zugreifen darf. Keine sexy old ages, sondern eine leise Geschichte von Liebe und Tod, die erstaunliche Wärme schenkt – wohl weil sie weder mit kühler Routine noch mit an Torschlusspanik gemahnender Fieberhitze, sondern mit der nämlichen Wärme geschrieben wurde.
Ich wünsche diesem besonderen Roman viele Leser, vor allem aber vielen Lesern diesen Roman.
Ein Buch, das Zauber, Charisma und Eigensinn besitzt, eine Aufwertung für den historischen Roman und ein großes Lesererlebnis.
Bitte kaufen, bitte lesen!
Alles Liebe von Charlie