Katerina Timm - Hexenschwester

  • Eine Liebe in den Zeiten der Hexenverfolgung:


    Hessen, 1624: Für ihre Schwester Clara verzichtet die junge Lene auf die Liebe ihres Lebens. Sie selbst fügt sich in eine Ehe mit einem ungeliebten Mann.


    Katerina Timm gelingt es, mit Lene eine Figur zu schaffen, der man gerne durch die Geschichte folgt. Man lacht und leidet mit. Die pyschologische Verbindung zwischen den Personen, insbesondere zwischen den Zwillingsschwestern, ist absolut nachvollziehbar und sehr stimmig und mitreissend erzählt. Die Thematik der Hexenverfolgung wird ruhig erzählt.


    Mir hat sich das Buch langsam ins Herz geschlichen, auf den letzten ca. 150 Seiten noch einmal voll Fahrt aufgenommen und mich berührt zurückgelassen. Ich habe das Buch zugeschlagen und gedacht "Ach Lenchen".


    Eines meiner Lesehighlights 2009. Von mir 10 Eulenpunkte.

  • Soeben beendet.


    Ach Lenchen (oder besser Katerina), wie schööööööön. :-)
    Lokalkolorit vom allerfeinsten!


    Wundervoll plastisch beschrieben, das Kopfkino konnte herrlich losflimmern.
    Dank der historisch literarischen Stadtführung zuvor sogar in "Farbe und 3D".
    Authentischer kann das Lesegefühl nicht mehr sein.


    Unerwartete Wendungen ziehen den Leser in den Bann, fesseln ihn an das Buch, erlauben ihm nicht, es aus der Hand zu legen.
    Mit Leichtigkeit gelingt es der Autorin, die Leser in die frühe Neuzeit zu entführen, ihnen das beschwerliche Leben dieser Zeit näher zu bringen und den Wahnsinn von Ignoranz und Dummheit vor Augen zu führen, der in den Hexenprozessen seinen Höhepunkt findet.


    So lebhaft und einfühlsam beschrieben, leidet man zwangsläufig mit der Protagonistin, hofft und bangt mit ihr.....



    Eine unbedingte Leseempfehlung!


    Eine weitere Empfehlung: Besucht und besichtigt Büdingen, die Altstadt ist weitestgehend noch so erhalten bzw. saniert/restauriert, wie sie auch in der Handlung des vorliegenden Buchs beschrieben ist.

  • Zitat

    Original von Susanne Ruit.
    ....
    Mein Liebster war auch bei der Stadtführung am Freitag dabei und sehr angetan. Toll, wenn eine Stadt sich so ins Zeug legt, wenn eine ihrer Töchter mit einem Roman zurück kommt.
    .....



    Eine bessere Werbung kann die Stadt nicht erhalten.


    Auch wenn im Roman die damaligen Stadtoberen sich nicht unbedingt mit Ruhm und Ehre bedecken können, so zeigt die heutige Verwaltung doch, dass sie dazugelernt hat.
    Eine Hexenverbrennung konnte während der Führung zumindest nicht beobachtet werden. :grin
    Ganz im Gegenteil durften sich die Hexen, große wie auch kleine, völlig frei bewegen und wurden vom Stadtbüttel nicht abgeführt. Ein Hoch auf die Aufklärung. ;-)

  • Ich habe das Buch heute ausgelesen und war sehr angetan. Mehr als von der Taschenbraut, muß ich gestehen. Das fand ich die Geschichte an sich zwar auch sehr interessant, bin aber igrendwie nicht richtig ´reingekommen, sondern mehr vorwärtsgeholpert...Ganz anders hier: durch die Sprache und die Impulsivität von Lene war ich sofort mittendrin. Und bin erst wieder wach geworden, als auf einmal der Schlußpunkt da stand. :-]
    Für mich eines meiner Monatshighlights dieses Jahr.

  • Büdingen 1624. In der kleinen Stadt in Hessen, bislang von den Gräuel des dreißigjährigen Krieges verschont, ist das gemäßigte Luthertum vom puritanischen Calvinismus abgelöst worden, der nicht nur Einzug in die Kirchen gehalten hat, sondern auch das Leben der Einwohner im Alltag nachhaltig beeinflusst. Strenge Regeln legt der Calvinismus den Menschen auf, auch die Hexenverfolgung erreicht in dieser idyllischen Stadt nie gekannte Ausmaße. Misstrauen und falsche Anschuldigungen führen zu zahlreichen Verhaftungen und Prozessen an unschuldigen Frauen, die als Hexen auf den Scheiterhaufen geschickt werden.
    In diese unruhige und unsichere Zeit werden die Zwillinge Lene und Clara hinein geboren, ihre Kindheit durch ein schreckliches Ereignis geprägt, das noch im Erwachsenenalter seine Folgen haben wird. Zunächst lacht das Glück zumindest für Clara, die ihre große Jugendliebe, den Buchbinder Velten heiraten kann, während Lene sich aus Enttäuschung dem Schuhmacher Contz zuwendet. Die folgenden Jahre verlaufen für die jungen Frauen auf unterschiedliche Weise, bis das Schicksal mit aller Macht zuschlägt und zu Entscheidungen auf Leben und Tod führt.


    Katerina Timm nimmt den Leser in ihrem zweiten Roman mit in die Zeit des dreißigjährigen Krieges ins beschauliche Städtchen Büdingen, das zu diesem Zeitpunkt zur Kernzone der Hexenprozesse in Deutschland gehört hat. Mitten drin ist man, wenn Katerina Timm vom Alltag in der Stadt erzählt, der geprägt ist von Religion, Aberglauben, der täglichen Arbeit, von den Jahreszeiten und vom Krieg. Mitten drin ist man, wenn Katerina Timm von Lene und von Clara erzählt, den unterschiedlichen Schwestern, deren Rolle und Persönlichkeit von Anfang festgelegt scheint, und die dann im Laufe der Geschichte immer wieder aufs neue überraschen. Nicht nur Lene und Clara gehen dem Leser nahe, auch die Nebenfiguren gehen unter die Haut, tragisch ist ihr Leben, tragisch das Schicksal, das ihnen vorgezeichnet ist und dem sie nicht entgehen können.


    Mitten drin ist man aber vor allem irgendwann in Lene, in ihrem Kopf, in ihrer Seele, in ihrem Schmerz, ihrem Glück und in ihrer Liebe. Dieser Perspektiv-Wechsel vollzieht sich für den Leser fast unbemerkt, bis man irgendwann merkt: ich sehe durch ihre Augen, ich bin kein bloßer Beobachter mehr.
    Es gibt nur wenige Autoren, denen es gelingt, ohne einen Ich-Erzähler eine so intime und persönliche Bindung zwischen Protagonist und Leser aufzubauen und es ist ein echtes Geschenk an einer so erzählten Geschichte teilhaben zu dürfen und beim Lesen sogar Teil davon zu werden. Katerina Timm ist hier dank ihres emotionalen, reichhaltigen und bildhaften Erzälstils ein echtes Meisterstück gelungen. Keine gestelzten Dialoge oder ausschweifenden Gedanken sondern Sprache in ihrer schönsten Form, Sprache, die auf den Punkt kommt und dem Leser in wenigen Sätzen die ganze Welt der Protagonisten zu Füßen legt.


    Katerina Timm hat eine Geschichte geschrieben von der Sehnsucht nach dem Glück, vom Unglück, das durch falsche Entscheidungen hereinbricht, der Stärke, zu den falschen Entscheidungen zu stehen und das Beste daraus zu machen, vom Mut, Dinge zu verändern. Vor allem aber von der bedingungslosen und ungebrochenen Liebe zweier Schwestern, die in den schlimmsten Zeiten füreinander einstehen.


    Es war schwer, nach dem Umblättern der letzten Seite wieder in die eigene Zeit zurück zu kehren. Ich wäre gerne weiter bei Lene geblieben, die mir im Lauf der Geschichte sehr lieb geworden ist.

  • Das waren sie also, meine langersehnten Hexenschwestern...
    Heute nachmittag habe ich das Buch mit einem weinenden und einem lachenden Auge zugeklappt. Das erste Mal seit Wochen konnte ich mich wieder hundertprozentig auf ein Buch einlassen. Ich befürchte, dass die nächsten Bücher darunter leiden werden.


    Zum Inhalt ist ja schon mehr als genug gesagt worden.


    Danke Katerina für das tolle Leseerlebnis und die Begleitung der Leserunde.
    Ich kann jedem nur raten, das Buch zu lesen.
    Natürlich wird es auch wieder meine lesende Verwandschaft erfreuen, genauso wie auch schon die Kosakenbraut :-)

  • Katerina Timm ist hier ein tiefgründiger und einfühlsamer Roman gelungen.
    Auch wenn man schon viel über Hexenverfolgung/Verbrennung gelesen hat, ist dieser Roman doch einzigartig, schon wg. seines eindringlichen Schreibstils
    Die Autorin hat sich in ihrem 2. Roman noch mal gesteigert und hat mir persönlich noch ein bisschen besser als die Kosakenbraut gefallen.
    Dieser Roman ist nicht nur für Büdinger Einwohner lesenswert!
    Wann bekommt man schon einen historischen Roman über weibliche Zwillinge zu lesen? Da die beiden sich bis aufs Haar gleichen, bleiben natürlich Verwechslungen (teils absichtlich, teils versehentlich) nicht aus.
    Ich habe die 444 Seiten in nur 2 Tagen verschlungen, konnte durch den fesselnden und eindringlichen Schreibstil nicht mit Lesen aufhören.


    Nach der letzten Seite möchte man noch gerne bei den lieb gewonnenen Protagonisten verweilen und schlägt das Buch mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Ach Lenchen, du wirst mir fehlen ......


    Ich vergebe hier gerne 10 von 10 möglichen Punkten.
    100 % Kaufempfehlung für Fans dieses Genres.

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Charlie und Bouquineur haben schöne ausführliche Rezis zu dem Buch geschrieben, denen ich mich nur anschließen kann.
    Ich habe gerade die Leserunde mit Katerina beendet und möchte hier der Hexenschwester die verdienten 10 Punkte zukommen lassen.


    Außerdem darf man es als wärmeste Leseempfehlung meinerseits betrachten, da ich mich, nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, sofort auf die Suche nach mehr Veröffentlichungen von Katerina machte.
    Und ich war erfolgreich. Demnächst wird die Kosakenbraut bei mir eintrudeln. Ich bin gespannt :wave

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich kann mich den allgemeinen Lobliedern nur anschließen: das war ein sehr schönes Buch. Das Thema Hexenverfolgung wurde von den Autoren historischer Romane schon ziemlich oft bearbeitet, aber bei diesem Roman hat man niemals das Gefühl: ach nö, nicht schon wieder!


    Lene wächst einem schnell ans Herz und man erlebt mit ihr das ziemlich alltägliche Schicksal einer Frau zu jener Zeit: eine zwar nicht tragische, aber dennoch nicht glückliche Zweckehe. Dann beginnen Hexenverfolgungen in der Stadt und Lenes Leben wird völlig auf den Kopf gestellt. Katerina verzichtet weitgehend auf die Beschreibung brutaler Details, doch wird das allgemeine Grauen trotzdem spürbar. Schließlich folgt ein unerwartetes Ereignis auf das andere, Lene wird vom Schicksal gebeutelt, bis sie schließlich ein Glück findet, das man ihr von Herzen gönnt.


    Mir gefiel dieses Buch auch noch ein wenig besser als die Kosakenbraut. Ich glaube, es lag an der Hauptfigur, die diesmal keine starke Kämpferin war, sondern eben ein recht normales Mädchen, das sich in Notwendigkeiten fügen muss. Das brachte sie mir näher, weckte mehr Mitgefühl.


    Das Leben zu jener Zeit wurde einem sehr lebendig nahe gebracht. Die Leute wirkten trotz aller herrschenden Brutalität durchaus menschlich, und verhielten sich eben so, wie Menschen es unter derartigen Umständen tun.


    Tereza

  • Es ist nicht unbedingt eine unbeschwerte Kindheit, die Lene im Büdingen Anfang des siebzehnten Jahrhunderts erlebt, aber im Gegensatz zu vielen anderen kann sie sich der Liebe ihrer Familie sicher sein, allen voran der ihres Vaters und ihrer Zwillingsschwester Clara. Ihr Vater ist Weinbauer und sichert den Seinen damit ein moderates Auskommen. Lene genießt das Leben in vollen Zügen. Doch an der Schwelle zum Erwachsenenleben wendet sich das Blatt: Clara heiratet den Mann, in den Lene sich verliebt hat, sie selbst gibt sich mit dem unselbständigen Contz zufrieden und schlittert in eine Ehe, die weit davon entfernt ist, perfekt oder auch nur gut zu sein. Doch damit nicht genug: Lenes Familie gerät in den Strudel des immer schlimmer grassierenden Hexenwahns, der das Städtchen fest an der Gurgel gepackt hält ...


    Was für ein Buch, was für ein Schicksal. In einer eindringlichen und ungemein passenden Sprache breitet Katerina Timm das Leben ihrer Heldin vor dem Leser aus. Dabei nähert sie sich dem tagtäglichen Terror aus Aberglauben und Todesangst, der das Leben den Menschen zur Qual gemacht haben muss, allein durch Lenes Augen und schafft damit eine manchmal schwer zu ertragende Distanzlosigkeit zu ihrer Hauptfigur – wir freuen uns mit Lene über ihre kleinen Siege, über jeden Hoffnungschimmer, der ihr Leben zum Guten wenden könnte, um nur umso tiefer in den Strudel ihres dramatischen und – es muss gesagt werden – furchtbaren Lebens gezogen zu werden. Manches Mal beim Lesen stöhnte ich auf, entsetzt über die Dummheit der Menschen und die Bankrotterklärung jeglicher Vernunft. Mehr als einmal fragte ich mich, was unsere Vorfahren geritten haben musste, sich so unmenschlich zu verhalten. Man kann nur beschämt den Kopf senken.
    Ich möchte hier noch explizit erwähnen, dass die Autorin ohne blutige Szenen, ohne Folterbeschreibungen auskommt. Sie hat es nicht nötig, beschreibt das Grauen auf viel subtilere Art.
    Auch wenn es sich jetzt nicht so angehört haben mag, „Hexenschwester“ ist ein wunderschönes, ein hochemotionales Buch. Ich kann dazu nur sagen: Lesen. Unbedingt.


    Edith sagt, dass ich gefälligst noch meine
    10 Eulenpunkte zu vergeben habe :-]