OT: The Diviners
Aus der Amazon.de-Redaktion
Mit Der Eissturm gelang ihm einer der besten amerikanischen Romane der 90er Jahre. Für sein neues, fast 600 Seiten umfassendes Opus hat sich Rick Moody sieben Jahre Zeit gelassen -- zu Recht, wie das Ergebnis beweist. Wassersucher breitet ein buntes Panorama der amerikanischen Gesellschaft vor uns aus, ist eine witzige Mediensatire, ein New York-Roman, und bietet zugleich auch die so intimen und entlarvenden Beschreibungen des Zwischenmenschlichen, die schon Eissturm zu einem unvergesslichen Leseerlebnis machten. Nach nur wenigen Kapiteln hängt man bereits am Haken dieses großartigen Schriftstellers, ganz so wie der Fisch auf dem Schutzumschlag, und wartet begierig darauf, was in den nächsten Kapiteln für Figuren und Wendungen auf einen warten.
Von beidem hat das Buch reichlich zu bieten. Im Mittelpunkt stehen die Mitarbeiter einer kleinen New Yorker Film- und TV-Produktionsfirma mit ihren Sorgen und Süchten. Bei Besitzerin Vanessa -- "Minivan" -- etwa ist es der unstillbare Hunger nach Doughnuts und ihre alkoholkranke Mutter. Und natürlich die Suche nach dem sensationellen Projekt, das die kleine Firma endlich in andere ökonomische Sphären katapultieren würde. Ihr Kompagnon Thaddeus dagegen ist ein alternder Actionfilmdarsteller, der alle Frauen flachlegt, aber eigentlich davon träumt, ein anspruchsvolles Drehbuch zu verfassen. Des Weiteren treten auf: Ein schizophrener Fahrradkurier, eine aus Liebe Geld veruntreuende Buchhalterin, eine Bestsellerautorin, die ihre Freundinnen zu Botox-Partys einlädt, ein indischer Taxifahrer, der zum Regisseur aufsteigt, fast zumindest. In jedem Kapitel rückt Moody eine andere der etwa ein Dutzend Hauptfiguren ins Scheinwerferlicht seiner strahlenden Prosa. Dass man dabei zu keiner Zeit den Überblick und schon gar nicht die Leselust verliert, liegt an seiner Fähigkeit, Charaktere zu schaffen, die zwar nicht unbedingt sympathisch sind, die man aber nicht so schnell wieder vergisst.
Running Gag des Buches ist jedenfalls ein sagenhaftes Drehbuch zu einer großen Fernsehsaga über Wassersucher, das einen Hype in der Branche auslöst: Jeder spricht darüber, jeder möchte mitwirken und meint, den Erfolg schon in der Tasche zu haben. Allein: es ist alles nur heiße Luft, das Drehbuch, der zugrunde liegende Roman und die zugehörige Autorin existieren alle gar nicht. Sich über die Medienbranche lustig zu machen, ist vielleicht nicht das aller Originellste, aber wenn es so unterhaltsam und zugleich sprachlich so hinreißend gut gemacht ist wie hier, haben wir da wirklich nichts dagegen.
Autor:
Rick Moody, geboren 1961 in New York, gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Amerikas, international bekannt machte ihn sein Roman "Eissturm", von Ang Lee mit Sigourney Weaver und Kevin Kline verfilmt. Nach seinem Gesellschaftsroman "Wassersucher" erschien auf Deutsch der hochgelobte Novellenband "Paranoia", eine neuerliche Beschäftigung mit der Psyche seines Landes. Rick Moody lebt in Brooklyn, New York.
Meine Meinung:
Wassersucher, das sind Rosas Großvater und der Vater ihres Großvaters, die die Gabe hatten, mit Wünschelruten Wasser und die richtigen Stellen für Brunnen zu finden.
Wassersucher, das ist die Idee für das Epos, die Fernsehsaga, den welt- und zeitumspannenden Mehrteiler, die Idee einer Produktionsassistentin und eines abgehalfterten Actionhelden, die sich verwirklichen wollen.
Wassersucher, das sind auch die Protagonisten dieses Romans. Vanessa, die Chefin einer TV-Produktionsfirma, sorgt sich um ihre alkoholkranke Mutter und ist süchtig nach Donuts. Jaspreet ist Autist und gefangen in sich selbst. Tyrone ist Künstler, schwarzes Adoptivkind weißer Eltern, schlägt sich als Fahrradkurier durch und gerät unter Mordverdacht… Sie alle sind auf der Suche nach etwas, das ihren Durst stillt.
In den Weiten des Internets ist davon die Rede, dass dieses Buch eine Parodie auf die Absurdität des amerikanischen Filmgeschäfts sei, eine Satire, die von Situationskomik lebe.
Für mich ist es vor allem ein Buch über die Suche nach einem Brunnen und über das Durststillen. Manche Passagen sind voller Schönheit und Weisheit, andere sind spröde, hart und keineswegs komisch. Beim Lesen dieses Buches wurde ich auch zur Suchenden: Ich suchte nach dem Sinn, der Botschaft, nach der Lösung, die am Ende alles erklärt. Eine solche Erklärung gibt es nicht. Die Handlungsstränge verlaufen im Nirgendwo – wie im echten Leben. Die Figuren sind dazu verdammt, weiter zu suchen. Ich habe mir viele Gedanken über sie gemacht und darüber, wonach ich selbst auf der Suche bin. Das Buch hat in jedem Fall etwas geschafft: in mir einen Nachhall zu erzeugen.