Warum sind manche Menschen so gerne öffentlich?

  • Zitat

    Original von Nikana
    Ich denke mal, dass viele Leute nicht wissen, wie laut sie wirklich sind. Mir geht es auch so, ich kann aufgrund meiner Schwerhörigkeit meine Lautstärke nicht kontrollieren. Flüstern kann ich schon gar nicht, weil ich dann nicht weiß, ob ich wirklich noch etwas sage oder nur meine Lippen bewege.


    Im Allgemeinen rede ich eher zu leise, weil mir mein Problem bewusst ist. Wenn ich aber nicht dran denke oder mich in etwas hineinsteigere, werde ich schnell viel zu laut und bekomme regelmäßig gesagt, dass ich nicht so schreien solle. Es nervt, ganz gewaltig. Und ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige mit diesem Problem bin.


    Fremden Unterhaltungen lauschen kann ich aus denselben Gründen übrigens auch nicht. Ich höre die zwar, verstehe aber kein Wort. Da könnten die Leute um mich herum genausogut chinesisch reden, der Effekt wäre derselbe.



    Hier ist noch eine,die genau dasgleiche Problem hat,wie du.Ich bin auch schwerhörig.

  • Zitat

    Ich glaube dass manieren in den 90igern irgendwie abgeschafft worden sind.


    Es hat ein Paradigmenwechsel bezüglich des Umganges mit Kindern und Jugendlichen stattgefunden. "Partnerschaft auf Augenhöhe", "eigene Erfahrungen" und "Laissez-faire" sind die entsprechenden Schlagworte. Eine ganze Elterngeneration hat sich aus der disziplinierenden Erziehung abgenabelt und ist einem sehr frag-, mindestens diskussionswürdigen Modell gefolgt, dessen Maxime lautete, Jugendliche "ihre eigenen Weg gehen" zu lassen. Diese Idee schwappte auch in die Schulen. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist an einigen Bildungseinrichtungen, vorsichtig ausgedrückt, inzwischen sehr kompliziert. Wer mir aber nichts (mehr) zu sagen hat, den muss ich auch nicht respektieren. Das betrifft aber keineswegs nur den Umgang mit Älteren, sondern den grundsätzlichen Umgang. Eine sehr hedonistische und egoistische Generation ist herangewachsen. Die Kevins sind ignorant und egozentrisch. Ob sie an ihrem späteren Leben noch genauso viel Spaß haben werden, ist dabei fraglich.


    Edit: Schreibfehler.

  • Laizzes faire war aber nicht unbedingt eine Modeerscheinung aus den 90ern. Die Opfer antiautoritärer Erziehung dürften inzwischen selbst schon Eltern (edit: halberwachsener Kinder) sein.

    Lieben Gruß Idgie



    Erst wenn man viel gelesen hat, lernt man wenig Bücher schätzen.

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  • Es soll auch Fälle geben, in denen Partnerschaft auf Augenhöhe den gegenseitigen Respekt erst ermöglicht. Und so ist es mir in Schule und Gemeinde wichtig - Respekt und Höflichkeit müssen auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Kinder sollen Respekt erfahren
    - im Umgang Erwachsener untereinander (was leider schon viel zu selten vorkommt... wenn man sich nur überlegt, wie am Abendbrotstisch über Nachbarn, Kollegen etc... hergezogen wird und wie auch zu vielen anderen Gelegenheiten kaum eine Möglichkeit ausgelassen wird, dem da so recht eine reinzuwürgen...)
    - im Umgang der Erwachsenen mit den Kindern. Denn nur so werden sie auch Höflichkeit und Respekt als etwas schätzenswertes erleben. Und dann geht es auch, dass sie die Höflichkeit
    - im Umgang miteinander erlernen...
    Denn erst dann werden Kinder Höflichkeit gegenüber Erwachsenen leben wollen.


    Meine Erfahrung ist, dass Kinder dann auch zuhören und erwachsene Menschen ernst nehmen und ihnen höflich begegnen.
    Es ist klar, dass solche Art des höflichen Umgangs nicht in Kursen zu lernen ist, sondern nur im Alltag zu Hause, wenn es Eltern vorleben, im Alltag der Schule und im sonstigen Miteinander ... Die tägliche Übung ist dann das Wesentliche und hilft dadurch sicher auch mit den Grenz- und Ausnahmesituationen umzugehen.

  • Gestern bei der Heimfahrt vom Büro musste ich an diesen Fred hier denken.


    Zwei junge Männer setzten sich in meiner Nähe in den Zug. Einer neben mich, einer direkt gegenüber. Ich vermute, es waren Brüder. Über die Inspektion ihrer Einkäufe (Technik-Gedöns) kamen sie miteinander ins Blödeln und Witzeln, und ich muss sagen sie waren gut. Das war nicht für die Öffentlichkeit gedacht und auch nicht laut, aber um Längen komischer als manche infantilen TV-Comedians.


    Ich hab angestrengt versucht, mich auf mein Buch zu konzentrieren, man will ja nicht indiskret erscheinen. Irgendwann mal bekam ich dann doch einen meiner explosiven Lachanfälle und habe mich entschuldigt. Sie nahmen's mit Humor. Manchen Gesprächen kann man halt nicht ausweichen und muss sie mit anhören.


    Aber in dem Fall war es überaus unterhaltsam.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Es sind hier viele Dinge angesprochen worden, die ich ähnlich sehe, obwohl ich nicht der Auffassung bin, dass die fehlenden Umgangsformen ein Fall von Erziehung oder mangelnder Intelligenz sind. Eher habe ich den Eindruck, dass es am Feingefühl für Situationen fehlt.
    Da sehe ich in Berlin am Bahnhof ein junges Pärchen (vielleicht Studenten), wo sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt. Er reagiert lautstark und überzogen, trennt sich von ihr und legt einen filmreifen Abgang hin.


    Oder vor kurzem sitze ich in einem Ruheabteil der Bahn, wo es nicht gewünscht wird, zu telefonieren. Das Abteil wird von einem Immobilienmakler betreten und es beginnt am Mobiltelefon es sechsstündige Odyssee darüber, was der Verkauf von Rathäusern in der ostfriesischen Pampa einbringt und wo Deutschlands beste Golfplätze liegen.


    Oder am Flughafen. Am Gate für die Flugstrecke Hamburg-Köln. Die Yuppies aus der Werbebranche haben immer noch nicht begriffen, dass sowohl mich als auch andere Passagiere ihre Vertragsverhandlungen am Handy nicht interessieren. Und ein Entkommen gibt es nicht, da es schließlich jeder so macht.


    Insgesamt befremden mich diese Situationen und es bleibt immer wieder die Frage, warum mich Fremde in der Öffentlichkeit ungewollt in ihre privaten Gelegenheiten hineinziehen und am Ende mir die Situation peinlich ist.
    In diesen Momenten wünschte ich, dass meine Eltern an mir antiautoritäre Erziehung ausprobiert hätten.

  • :gruebel wenn fehlende Umgangsformen nicht Folge einer entsprechenden Erziehung sein sollen, was soll denn dann die Ursache sein?? Oder umgekehrt gefragt, wo sollen denn Umgangsformen sonst herkommen, wenn nicht aus der Erziehung?


    edit ergänzt: Wo soll denn das Feingefühl erlernt werden, wenn nicht durch entsprechende Erziehung?

  • Zitat

    Original von Tom


    Diese Idee schwappte auch in die Schulen. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist an einigen Bildungseinrichtungen, vorsichtig ausgedrückt, inzwischen sehr kompliziert. Wer mir aber nichts (mehr) zu sagen hat, den muss ich auch nicht respektieren. Das betrifft aber keineswegs nur den Umgang mit Älteren, sondern den grundsätzlichen Umgang.


    Es stellt sich für mich die Frage, wie sich die Lehrer selber an den Schulen benehmen. Bei einigen habe ich das Gefühl, sie wären im Urlaub.


    Der Klassenlehrer unseres Sohnes holt sich während des Unterrichts ein Brötchen aus der Mensa und kommt kauend in die Klasse zurück.


    Er "tut" manchmal so, als ob er jemandem eine Ohrfeige gibt, zieht kurz vorher zurück.


    Er stellt Schüler im Unterricht bloß, deren Eltern mit ihrem Erziehungsauftrag überfordert sind.


    An sich ist er aber jemand, der den Kindern ihren Unterrichtsstoff sehr gut beibringt.


    Er ist über 50. Von "gutem Benehmen" kann keine Rede sein.


    Wie werden Kinder sich in seiner Gegenwart wohl benehmen? Was lernen sie im Umgang miteinander?


    Wenn ich manche Lehrer sehe, die in die Schule "geschlurft" kommen, frage ich mich, wie sie wohl ihre Brötchen hätten verdienen wollen, wenn sie einen anderern Beruf ergriffen hätten.


    Wenn man Höflichkeit, Respekt und insgesamt gutes Benehmen fordert, dann bitte von allen und nicht nur von sehr jungen Menschen.


    Kennt Ihr auch die Rentner, die sich regelmäßig vordrängeln?

  • @ licht:
    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Selbst bei bester Erziehung lassen sich erwachsene Menschen durch Umgang im Berufs- und Freundeskreis formen. Ob eine Wandlung bewusst oder unbewusst geschieht, möchte ich mal außen vor lassen.
    Nehmen wir die Yuppies am Flughafen. Ich bezweifle, dass die Mehrheit der Eltern ihren Zöglingen keinen Benimm beigebracht hat. Und diejenigen, die die Regeln beherrschen, vergessen sie allzu gern, wenn sie in der Gruppe auftauchen.
    Bei den halbstarken Kevins dieser Welt entschuldige ich dieses Verhalten, weil ich fast von Nichterziehung ausgehen kann; bei Leuten in Schlips und Kragen fällt mir diese Großzügigkeit schwerer.

  • Zitat

    Original von Isjoeckel: Kennt Ihr auch die Rentner, die sich regelmäßig vordrängeln?


    Ohne Ressentiments pflegen zu wollen, ist das eines meiner Lieblingsthemen ;-).


    Vor kurzem im Supermarkt:
    Trotz ausreichenden Platzes fahren mir drei ältere Herrschaften mit ihrem Wagen in die Hacken. Keine Entschuldigung. Bei Nummer 3 sagte ich wohl halblaut zur mir selbst:"Bei nächsten Mal trete ich zu." Das bekam ein Herr mit, der zuvor offensichtlich ebenfalls Opfer geworden war und die Situation beobachtet hatte, meinte:"Ich mach mit."

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Bei den halbstarken Kevins dieser Welt entschuldige ich dieses Verhalten, weil ich fast von Nichterziehung ausgehen kann; bei Leuten in Schlips und Kragen fällt mir diese Großzügigkeit schwerer.


    Wie lange ist es denn her, dass die Leute in Schlips und Kragen selbst halbstarke Kevins waren?? ... Oft sind es doch nur ein paar Monate und dann werden diese Kevins in irgendwelche Anzüge gestopft ...


    Nein, es kann mit der besten Erziehung nicht weit her sein, wenn sich erwachsene Menschen durch den Freundeskreis oder den Beruf komplett umformen lassen ...

  • @ Bell ... wenn ich mir anschaue, wer heute alles so in Schlips und (billigen) Anzügen rumrennt, mag das durchaus stimmen, nur sehe ich nicht, inwiefern das gegen meine Annahme spricht...

  • Das Schulsystem spricht evtl. dagegen. Kevins kommen nicht auf Schulen, die Schlipsträger generieren. Bildung ist hierzulande erblich.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • @ vandam, seit wann braucht es Bildung, um mit Schlips und (billigem) Anzug rumzurennen??
    (Welcher Akademiker trägt denn heutzutage noch einen Anzug, wenn er nicht gerade auf einer wirklich offiziellen Veranstaltung einem Kravattenzwang unterliegt??)

  • Zitat

    Original von licht
    @ vandam, seit wann braucht es Bildung, um mit Schlips und (billigem) Anzug rumzurennen??
    (Welcher Akademiker trägt denn heutzutage noch einen Anzug, wenn er nicht gerade auf einer wirklich offiziellen Veranstaltung einem Kravattenzwang unterliegt??)


    Licht mit Verlaub, deine Ansichten scheinen mir ein wenig weltfremd und bahngleisig... (sprich nicht flexibel)

  • Zitat

    Original von Seestern
    Wenn ich die Szenen so beobachte, die sich täglich um einen herum abspielen, habe ich oft den Eindruck, dass es vielen mittlerweile an Grundlegendem im Umgang mit den Mitmenschen mangelt:
    An Rücksichtnahme, Höflichkeit und Respekt.
    Wenn ich z. B. im Supermarkt erwachsene Menschen sehe, die in ihr Handy sprechen und die Kassiererin keines Blickes oder Wortes würdigen, halte ich das für respektlos.
    Die Situationen in der Öffentlichkeit, die hier schon als störend beschrieben wurden (lautes Tratschen/Telefonieren/Musik hören), sind teilweise auch Paradebeispiele für Rücksichtslosigkeit und wie gesagt glaube ich nicht, dass es allen diesen Leuten darum geht, gehört & gesehen zu werden. In einigen Fällen fehlt's da wohl einfach an den Manieren ...


    Das stimmt auf jeden Fall. Ich hab ja in der Arbeit einige Menschen jeden Tag an der Kasse, die am Telefonieren sind (ich war heute nur 3 Stunden da und es waren mal wieder an die 5 oder 6 Stück). Frag mich echt, ob sowas sein muss. Letztens hatte ich grad ne Freundin angerufen, um ihr zu sagen, dass ich später komm, weil ich gerade den Bus verpasst habe. Dabei hab ich mir an der Tanke was gekauft und mit ihr telefoniert. Als ich an die Kasse kam, meinte ich dann ins Handy "Ohje, ich hasse es, wenn Leute an der Kasse telefonieren, ich finde das selbst ja total unhöflich. Warte, ich leg mal schnell auf", was ich dann auch tat und mich bei der Dame an der Kasse schnell entschuldigt habe. Ich möchte ja so nicht werden :rolleyes

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Ok,


    mir kommt es vor dass ihr den namen Kevin nicht mögt.



    Zitat

    licht, ich glaube, der Name Kevin steht hier stellvertretend für Kinder aus der "Unterschicht", deren Eltern sich etwas gehen lassen, um es vorsichtig zu formulieren (ich interpretiere nur).


    Bin ich nun in der Unterschicht weil mein Sohn Kevin heißt?
    Muss er nun ein verzogener Rotzbengel sein?