Kurzbeschreibung:
Eine Dienstmagd in Weimar wird unbemerkt schwanger - mit dreiundzwanzig Jahren. Während der Geburt steht ihr niemand bei. Sie gerät in Panik und sticht ihrem Kind in den Hals. Vor Gericht kann sie sich an jenen Moment, in dem sie »von Sinnen« war, nicht erinnern. Es folgt, wie seinerzeit zu erwarten, das Todesurteil, das durch den Landesherrn und einen Beirat bestätigt werden muss. Hier spricht Johann Wolfgang von Goethe das entscheidende Urteil. Sie wird geköpft, ihr Leichnam der Anatomie überlassen. Der Gerichtsmediziner schreibt: »Ich wünschte nur, sie wäre in ihrem Gefängnis nicht so gut genährt worden, so wäre sie zu meiner Demonstration brauchbarer.« Das letzte Jahr der Johanna Katharina Höhn, ein historischer Fall von menschlicher Tragik - dieser Roman erzählt teilnahmsvoll vom »Alltag« einer Dienstmagd um 1800 und Szenen aus Goethes Leben.
Über den Autor:
Viktor Glass, geboren 1950 in Iserlohn, studierte Sinologie und Publizistik in Bochum. Neben mehreren Reiseführern schrieb er Erzählungen und Romane unter Pseudonym. Der Autor lebt in Augsburg. Bei Rotbuch erschien zuletzt »Diesel« (2008), ein vielgelobter Roman über den Erfinder des Dieselmotors, der unter mysteriösen Umständen ums Leben kam.
Meine Meinung:
Alternierend erfährt man aus diesem Roman von Weimar am Ende des 18. Jahrhundert, aus zwei nahezu unterschiedlichen Welten, die sich immer wieder streifen. Einerseits aus der Schicht des Gesindes einer Bäckerei. Wobei vor allem Catherine im Mittelpunkt steht, niedrigste Magd im Haushalt und von ihrem Dienstherrn geschwängert. Als Kindsmörderin gerät sie in den Mittelpunkt. Andererseits erfahren wir vom Leben am Hof Herzog Karl August, aus der Sicht vom Geheimrat Goethe. Goethe tritt hier nicht als Dichter in Erscheinung, sondern als Politiker.
Geschickt schafft es Viktor Glass, die Situation des einfachen Volkes darzustellen. Die Härte des Alltags und zugleich mit einer weiteren wichtigen Frage zu verbinden: der Todesstrafe. Goethe, als Aufklärer am absolutistischen Hof. Anhand des historischen Kriminalfalles werden dabei die unterschiedlichen Positionen dargestellt und auch die realpolitischen Verwicklungen gezeigt.
Der Erzählstil ist solide. Glass bemüht sich um einen historisierenden Stil, was im gut gelingt. Gegen Ende haben bei mir einige Wiederholungen den Wind aus den Segeln genommen, wobei dies wohl auch dem Umstand zuzurechnen ist, dass Glass ein Strafverfahren der damaligen Zeit möglichst genau darstellen wollte.
Ein lesenswerter, kompakter historischer Roman, der in nur knapp 220 Seiten über die Todesstrafe und die Lebensumständen der Zeit sehr viel wissenswertes enthält und eine interessante Interpretation des Menschen Goethe liefert.
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