Hier kann zum 3. Teil, Kapitel 01 - 06 geschrieben werden.
'Madame Bovary' - Teil 3, Kapitel 01 - 06
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Zeitweise plätschert die Geschichte dahin. Doch zwischendurch folgen immer wieder mal großartige Szenen, z. B. die Führung durch die Kathedrale. Leon, wie auch der Leser, platzt fast vor Ungeduld. Was interessiert schon die Kirche! Wie geht es weiter mit ihm und Emma?
Und was ist bloß während der ewig langen Kutschfahrt vor sich gegangen? Und was es mit den Papierschnitzeln auf sich hatte, hab ich nicht sofort kapiert.Das Tohuwabohu bei Apothekers war ja auch köstlich. Und der Bettler, der an der Kutsche auftauchte, war ganz schön gruselig. Und das gerade jetzt, wo Emma sehr aufgewühlt ist. Da stehen einem schon die Haare zu Berge.
Emma verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen und Lheureux' Schuldennetz. Sie hätte misstrauisch werden müssen, dass er das Geld, das er erst dringend brauchte, plötzlich ihr weiterhin zur Verfügung stellt.
So ein unangenehmer Mensch! Sie will es nicht verstehen.
Sie überspannt jeden Bogen, in finanzieller Hinsicht, in Bezug auf ihre Ehe, und auch Leon gerät durch sie in Schwierigkeiten. Sie macht den Eindruck eines trotzigen Kindes: "Ich will aber!"
Zitat: "Es steckte, im Kern ihres Wesens verborgen, eine eigentümliche, geradezu unkörperliche Verderbnis in Emma, eine geheimnisvolle Erbschaft." Was für eine Erbschaft? Eva?Zum zweiten Mal überwältigt Emma in einer Umbruchsphase die Erinnerung an ihre Kindheit. Das ersten Mal war im zweiten Teil Kap. 10, als sie einen Brief von ihrem Vater bekam. Damals war ihre Beziehung zu Rodolphe am Bröckeln.
Hier ist es die Erinnerung an ihre Zeit im Kloster. Wieder geht eine Beziehung zu Ende und Emma beschuldigt das Schicksal. Sie fragt sich auch jetzt, warum sie unglücklich ist. Dann kommt ihr der Gedanke, dass sie Unmögliches erwartet hatte.
Alles ist Lug und Trug. Auch das erkannte sie bereits damals im Theater. -
Die unerwünschte Führung durch die Kathedrale war wunderbar beschrieben. Ich habe dabei sehr gegrinst. Zumal ich die Kathedrale kenne und für mich diese seltsamen Gräber das Uninteressanteste überhaupt sind.
Auch der Wutausbruch des Apothekers hat mir Spaß gemacht. Zumal er sich ja völlig vergeblich aufgeregt hat. Wenn er alles so sorgfältig säubert und verschließt, bestand ja gar keine Gefahr. Und vom Angucken eines Gefäßes mit Arsen ist noch keiner gestorben.
Etwas cholerisch der Gute. -
Ich schwanke ständig zwischen dem Entsetzen über Emma, die immer schneller einem völligen Zusammenbruch entgegenrast, Unverständnis darüber, wie blind Charles ist und dem Entzücken darüber, wie all das beschrieben wird.
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Genau so ging es mir auch.
Es gibt keine Figur, mit der man wirklich über weite Strecken mitfühlt oder sich gar identifiziert. Doch jede ist faszinierend.
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Emmas finanzielle Eskapaden finde ich besonders schlimm. Das Kind hat nix zum Anziehen und sie hält ihren Lover aus.
Von den Wechseln gar nicht zu reden. Man kann sich leicht ausrechnen, wie das ausgehen wird. -
Einfach unglaublich!
Und ich wüsste zu gern, wo genau Flaubert die Ursachen für dieses Verhalten gesehen hat. Ich finde es schade, dass er sich darüber nicht ausführlich äußert. Denn die Erziehung im Kloster allein kann es wohl nicht gewesen.
Oder hat man das früher nicht hinterfragt? -
Flaubert legt offenbar größten Wert auf die ausführliche Beschreibung. Die Deutung überlässt er seinen Lesern.
Ich glaube, es ist einmal Emmas Veranlagung. Grüblerisch, eher passiv und träumerisch ist sie weit entfernt von profanen praktischen Notwendigkeiten. Der frühe Tod ihrer Mutter hat vermutlich ihren Hang zum Rückzug verstärkt und als ihr Vater sie dann ins Kloster gegeben hat, ist sie ganz in eine andere Welt eingetaucht. Im Kloster wurde offenbar auch nicht sonderlich auf die Lektüre der jungen Mädchen geachtet - ein wenig Schwärmen ist ja ganz gesund und normal, es scheint bei ihr aber ein arges Ausmaß angenommen zu haben.Auch nach ihrer Rückkehr nach Hause hat sich da nicht viel geändert. Es wird ja zu Beginn mal gesagt, ihr Vater sei froh gewesen, sie aus dem Haus zu haben, da sie zu nichts zu gebrauchen sei. Schlimm genug! Niemand scheint ihr beigebracht zu haben, dass zur Erreichung eines Ziels eine gewisse Hartnäckigkeit und auch das Hinnehmen von Rückschlägen nötig ist.
Deshalb hat sie ja sowohl die Musik, als auch das Zeichnen aufgegeben. Keine Aussicht, ohne sonderliche Anstrengungen großen Beifall zu erringen, da war es ihr die Mühe nicht mehr wert.Unglücklich war auch die Wahl ihres Ehemanns. Charles ist viel zu nachgiebig und passiv gewesen. Unfähig, die problematischen Seiten seiner Ehefrau zu sehen. Der wurde schon von seiner Mutter gedrillt.
Über Charles wird sowieso nicht so viel berichtet. Naja, es heißt ja auch Madame BovaryWie so oft - ein Zusammentreffen von unglücklicher Veranlagung, Erziehungsversagen und Umwelt.
Es gibt leider viele Menschen, die nicht in der Lage sind, aus sich selbst heraus zufrieden zu sein, sondern immer irgendwelchen Glücksversprechen und Illusionen nachlaufen müssen. Man kann sie bedauern, ihnen zu helfen ist schwierig. -
Danke für die überzeugende Zusammenfassung!
Wenn man das liest, fällt einem mindestens eine Person ein, die wie Emma nicht in der Realität ankommen will, vielleicht nicht so krass, aber doch wenigstens in einem Aspekt, wie Berufswahl, Konsum etc.
So gesehen ist das Buch aktuell. Die Menschheit ändert sich wohl nicht wirklich. -
Ich denke, das macht Flaubert zu einem so guten Autor - dieses Buch ist trotz der veränderten Umwelt doch noch ziemlich aktuell.
Was mir noch einfällt - offenbar wussten so einige Bewohner von Emmas finanziellen Machenschaften. Keiner hat es für nötig gehalten, ihrem Mann mal den kleinsten Hinweis zu geben. Richtig nett.
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Zitat
Original von Rumpelstilzchen
Was mir noch einfällt - offenbar wussten so einige Bewohner von Emmas finanziellen Machenschaften.
Emma war ja auch nicht immer vorsichtig. Es schien, als ob es ihr egal war, was die anderen mitbekamen.ZitatOriginal von Rumpelstilzchen
Keiner hat es für nötig gehalten, ihrem Mann mal den kleinsten Hinweis zu geben. Richtig nett.
Na ja, das ist auch nicht so leicht. Nur so als Nachbar will man sich nicht so gern einmischen.