'Madame Bovary' - Teil 3, Kapitel 07 - 11

  • So das Buch ist geschafft!


    Ich fasse mal den letzten Teil komplett zusammen......
    Es ist so wie ich mir gedacht habe. Emma, die immer noch jemand anderes sein möchte, aber eigentlich nicht kann, übernimmt sich. Erst fängt sie eine Affäre mit Leon an, dann kommt die erste Lüge und die Vollmacht. Ihr Mann merkt nicht mal, dass sie das Vermögen durchbringt um am Ende bleibt ihr nichts. Außer der Selbstmord.


    Schade um eine hübsche Frau und das arme Mädchen, dass in einer Spinnerei arbeiten muss.



    Zum Schluss haben ich die Ausführungen von Flaubert wieder sehr genervt. Emma war tot und ich erfuhr noch ewige Seiten weiter, was der Apotheker tut und was nicht.
    Von daher, nehme ich bald an, dass er eher die Hauptrolle übernimmt.

  • Wiederaufnahme der Leserunde ab dem 02. Mai 2016


    7.
    Leon widersteht! Und ich dachte schon, Emma wird auch ihn ruinieren.


    Und wieder der Bettler, der wird vom Kutscher in äußerst menschenverachtender Weise vorgeführt. Und der Apotheker mit seinen Diät-Ratschlägen ist nicht viel besser. Schrecklich!


    Aber auch Emma widersteht: sie ist nicht käuflich.


    Folgendes Zitat gibt sehr gut Emmas Zustand wieder:
    "Es war ihr, als verfolge sie ein unseliges Geschick, und dieses Gefühl erfüllte sie von neuem mit Stolz. Nie in ihrem Leben war sie hochmütiger und selbstbewußter gewesen und noch nie so voller Menschenverachtung."
    Zefira hat es bereits im zweiten Leseabschnitt gut beschrieben:

    Zitat

    Original von Zefira
    Meiner Meinung nach behandelt das Buch ein universelles Thema, das in unterschiedlichen Formen in jeder Generation präsent ist, nämlich, wie weit ein Mensch sich von seinen Träumen beherrschen lässt - Träume, die nicht originär aus der Seele heraus entstanden sind, sondern sich aus unrealistischen Medienberichten herleiten.


    Heute würde Emma nicht aufhören, sich bei DSDS zu bewerben, trotz weitgehender Talentfreiheit und begrenzter Arbeitslust (die ja zu einer Sängerkarriere dazugehört, nehme ich mal an). Oder ersetzt DSDS durch Germanys Next Topmodel ...


    Die Beharrlichkeit - oder Uneinsichtigkeit - mit der Emma jeden reality-check verweigert, ihren Traum lebt und dabei jede Möglichkeit, zu einem tatsächlichen kleinen Glück zu kommen - schließlich ist sie Mutter!! - fahrenlässt, hat für mich etwas Irres und zugleich Heldenhaftes.


    ... und ihr Verhältnis zu Charles:
    "Ja! Er wird mir verzeihen ... er, dem ich nicht für eine Million verzeihen kann, daß ich die Seine geworden bin."
    Seine Großmut ist ihr eine "Zentnerlast", sie befürchtet, er könne dadurch Überlegenheit über sie erringen.

  • 8.
    In höchster Not erinnert Emma sich an Rodolphe. Sie umgarnt ihn. Als er ihr das Geld verweigert, macht sie ihm Vorwürfe.
    Sie bezeichnet seine Wertsachen als "entbehrlichen Tand". Gerade sie müsste Verständnis für solche Dinge haben.


    Und das ist ja der Gipfel: "Ich, ja, ich hätte dir alles gegeben, hätte alles verkauft. Mit meinen Händen hätte ich für dich gearbeitet, auf der Straße hätte ich gebettelt ..."
    Glaubt sie das selbst? Oder geht ihr hier ihre romantische Phantasie durch? Ich denke, mit diesem Satz ist sie endgültig bei Rodolphe unten durch.


    Emmas seelische Zustand ist nach dieser Szene katastrophal. Dann kommt der Satz: "Die Nacht brach herein. Die Raben flogen." Raben als Vorboten? Das finde ich wieder einmal sehr gut gemacht!
    An dieser Stelle habe ich mir gedacht, ich müsste mal genauer Flauberts Landschaftsbeschreibungen im Zusammenhang mit Emmas Seelenzustand lesen.


    In größter Not packt sie so etwas wie Heldenmut und überrumpelt den Apothekergehilfen.


    9.
    Ob Emma sich ihr Sterben so vorgestellt hat? "Mein Gott, ist das gräßlich!" Sie fordert Charles auf, ihren Brief zu lesen. Bereut sie ihre Aktion? Hofft sie, noch gerettet zu werden?


    So sehr im Hause Bovary Ausnahmezustand herrschte, geht draußen das Leben weiter. Homais bewirtet Lariviere.
    Mit dem Apotheker ist Flaubert eine sehr interessante Figur gelungen. Leider hat sie von mir zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Ich bin ja mit Emma schon gut beschäftigt. Aber jetzt rückt er immer mehr ins Blickfeld.


    Warum verlangt Emma einen Spiegel? Will sie sehen, ob ihr Äußeres zum Bild ihrer romantischen Phantasien passt? Will sie ihr eigenes Sterben begutachten?


    Schon wieder der Blinde! Makaber!

  • 10.
    Die erste Trauerzeit direkt nach Emmas Tod ist sehr real beschrieben, einerseits die Verzweiflung Charles', alles erinnert ihn an sie. Dann geht es aber auch um profane Dinge wie die Vorbereitungen für das Begräbnis und Gedanken und Gesprächsthemen anderer Beteiligter mit ihren Schwächen. Sehr menschlich!


    Bei der Gelegenheit bekommt der Leser auch eine plausible Erklärung für das Zölibat: wie soll ein Verheirateter das Beichtgeheimnis wahren. :grin


    Das ist aber auch eine sehr unglaubwürdige Erklärung für Emmas Tod: sie habe aus Versehen Arsenik statt Zucker genommen. Hatte man damals üblicherweise Arsenik im Haushalt, so einfach in der Küche neben dem Zucker?
    Ich denke, Flaubert hat dem Apotheker bewusst eine so schwache Erklärung geben lassen. Es ist schließlich für Emmas Umfeld vollkommen unerklärlich. Jeder kannte ja nur einen Teilaspekt ihres Lebens.

  • 11.
    Bei einem so plötzlichen Todesfall bleibt für die Hinterbliebenen die Welt stehen, sie wundern sich, dass um sie herum alles normal weiter geht, sogar die Sonne scheint und die Vögel zwitschern.
    Auch Roualt geht es so. Er will auf seinem Weg nach Yonville glauben, alles sei ein Irrtum. Alles schaut doch so aus wie immer. Als er schließlich ankommt, weiß er aber sofort Bescheid.


    Mich wundert, dass bei der Beerdigung der Pfarrer die Schaufel an Homais weitergibt. Sollten nicht die Angehörigen die nächsten sein? Hat der Apotheker sich vorgedrängt? Zuzutrauen wäre es ihm schon. So etwas ähnliches habe ich selbst mal bei einer Beerdigung beobachtet. Da wurde die Witwe in die zweite Reihe verdrängt, während die Schwester des Verstorbenen, mit der der seit vielen Jahren verstritten war, in erster Reihe stand und dort eine Show abzog.


    Dann wird natürlich geredet, wer bei der Beerdigung dabei war und was er anhatte. Auch Lheureux schämte sich nicht dabei zu sein.
    Und was ist mit Rodolphe und Leon? Wissen sie überhaupt, was passiert ist?
    Und Justin? Weint er über seine verlorene Angebetete oder über seine Beteiligung am Tod Emmas?


    Letztes Kapitel
    Charles' Verhältnis zu Rodolphe ist sonderbar. Er sieht in ihm ein Stück von Emma. Einerseits empfindet Charles düsteren Groll, doch seine Lebensmüdigkeit setzt sich durch. Er gibt dem Schicksal die Schuld. Hat das nicht auch Emma immer getan?
    Charles stirbt bald darauf an gebrochenem Herzen.


    Für Homais geht es nach oben, sein Ehrgeiz kennt keine Grenzen. Als er das Kreuz der Ehrenlegion verliehen bekommt, ist er am Ziel seiner Träume. Wird er damit glücklich werden?


    Für Emmas Tochter endet alles im Desaster. Wie alt ist sie eigentlich? Kaum mehr als sechs oder sieben Jahre? Sie muss jetzt schon für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen.

  • Ich bin auch durch.
    So richtig warm geworden bin ich mit dem Buch nie, auch wenn ich immer wissen wollte, wie es denn nun endet mit Emma, auch wenn der tragische Ausgang schon lange abzusehen war.
    Als Fazit bleibt bei mir nur "Anstands- und gewissenlose Frau stürzt Familie ins Unglück" hängen, ich denke schon, dass da mehr dahinter stecken soll, aber es kam bei mir einfach nicht an.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Als Fazit bleibt bei mir nur "Anstands- und gewissenlose Frau stürzt Familie ins Unglück" hängen, ich denke schon, dass da mehr dahinter stecken soll, aber es kam bei mir einfach nicht an.


    Diese "anstands- und gewissenlose Frau" finde ich schon so extrem, dass ich mich frage, ob es so eine Frau tatsächlich gibt. Zumindest ist das krankhaft. Die Ursache allein bei ihrer Zeit im Kloster zu suchen, reicht mir nicht aus.


    Aber davon abgesehen gibt es ganz tolle Szenen, das Kennenlernen von Charles und Emma und später von Leon und Emma, außerdem das Landwirtschaftsfest. Oder auch ganz schreckliche, wie die Begegnungen mit dem Bettler.
    Ganz große Klasse! :anbet

  • Zitat

    Diese "anstands- und gewissenlose Frau" finde ich schon so extrem, dass ich mich frage, ob es so eine Frau tatsächlich gibt.


    Ich habe in der alten Leserunde schon mal erwähnt, wie Flaubert darauf gekommen ist, "Madame Bovary" zu schreiben. Er hatte eine - ziemlich schwülstige - Heiligenlegende geschrieben und seinen Freunden vorgelesen. Die Freunde waren nicht begeistert und rieten ihm, über alltägliche Geschehnisse zu schreiben. Als Beispiel nahmen sie eine herumliegende Zeitung und zeigten Flaubert einen kleinen Bericht über eine "Tragödie in der Provinz": eine Bürgersfrau hatte sich das Leben genommen und danach stellte sich heraus, dass sie ein Doppelleben geführt hatte.



    Kleine Randbemerkung: Das Motiv des Doppellebens gibt es auch bei den Brüdern Goncourt, die (glaube ich) zu Flauberts Bekanntenkreis gehörten. Von den Goncourts gibt es einen Roman "Germinie Lacerteux", in dem eine einfache, von allen sehr geschätzte Dienstmagd einen heimlichen Geliebten hat, für den sie stiehlt und betrügt, während er alles verjubelt. Auch dieser Roman gründet sich auf ein wahres Ereignis: die Dienstmagd der Familie Goncourt hatte ein ganz ähnliches Leben geführt, was die Goncourts erst nach ihrem Tod erfuhren und was sie wohl ziemlich erschüttert hat. - Ich glaube, dass der Druck der bürgerlichen Normen auf Frauen damals sehr viel höher war als heute und viele Frauen das einfach nicht ertragen haben. Dieses Motiv findet man in vielen Romanen dieser Zeit, in denen Frauen vorkommen.

  • Zitat

    Original von Zefira
    - Ich glaube, dass der Druck der bürgerlichen Normen auf Frauen damals sehr viel höher war als heute und viele Frauen das einfach nicht ertragen haben. Dieses Motiv findet man in vielen Romanen dieser Zeit, in denen Frauen vorkommen.


    Das denke ich auf jeden Fall auch, Frauen hatten damals ja eogendlich keine Möglichkeiten ihr Leben selbst zu gestalten, Emma hat sich ja zumindest ihren Ehemann noch selbst ausgesucht, das war ja auch schon eher die Ausnahme.

  • Ich glaube, dass Emma in jeder Gesellschaft gescheitert wäre. Vielleicht hätte ihr geholfen, bitterarm zu sein und für ihren Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Letztlich hatte sie ein privilegiertes Leben und scheiterte an ihren eigenen hoffnungslos unrealistischen Vorstellungen von Glück.


    In jeder Situation machte sie andere für ihr "Unglück" verantwortlich, bejammerte ihr ach so trauriges Schicksal und ihr Pech, dass ihr nie der Traumprinz begegnet sei. Egal welches Glück ihr begegnet wäre - sie hätte es selbst irgendwann mit Füßen getreten.


    Ganz unschuldig ist auch Charles an der Entwicklung nicht. Er hat jahrelang die Augen verschlossen vor den Eskapaden seiner Frau, hat zugesehen, wie sie ihr Kind und den ganzen Haushalt vernachlässigt hat.


    Meisterhaft erzählt und faszinierend gut gelesen. Ich habe die Geschichte jetzt zum zweitenmal gehört und sie hat mir eher besser gefallen als beim ersten Hören.