Fragen an Petra Durst-Benning

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  • Ihr lieben Mitleser,


    es ist acht Uhr morgens und ich sitze mehr oder weniger ausgeschlafen vor meinem PC. Heute beginnt unsere gemeinsame Leserunde - für mich die erste!!! in meinem über 15jährigen Autorendasein - und ich freue mich auf Eure Fragen. Ehrlich gesagt kann ich mir noch gar nicht vorstellen, was da alles auf mich zukommt. Lasse ich mich eben überraschen.


    Nun möchte ich noch was ganz praktisches loswerden:


    Wie ihr seht, sitze ich schon frühmorgens am Schreibtisch . Und zu dieser Zeit kann ich dann auch eure Fragen beantworten, denn ab dem späten Nachmittag bin ich in den nächsten drei Monaten meistens auf Lesungen unterwegs. Also wundert euch bitte nicht, wenn ich mich abends nie zu Wort melde ... Ich werde mich aber bemühen, immer gleich am darauffolgenden Morgen zu antworten!


    So, und nun wünsche ich euch erst mal viel Spaß beim Eintauchen in die Welt (oder sollte ich sagen: den goldenen Käfig?) der Zarentochter.


    Eure Petra Durst-Benning

  • ... sind in der Leserunde aufgetaucht und ich schaue mal, ob ich sie zu eurer Zufriedenheit "abarbeiten" kann.


    Was den ersten Teil des buches angeht, waren mir Olgas Memoiren, die sie als alte Frau geschrieben hat, eine große Hilfe. Sie beschreibt darin dezitiert ihr Leben als Kind und ihre Jugendjahre bis hin zum Tag, an dem Sie Karl heiratet. Die Unterschiede zwischen den Geschwistern, die Machtverhältnisse innerhalb der Familie (Marys Durchsetzungskraft, die Nachgiebigkeit der Mutter etc.), auch der Schmerz, der durch den Verlust ihrer ersten Gouvernante Charlotte Dunker entstanden ist - all das sind Themen in Olgas Memoiren. So gesehen brauchte ich hier gar nicht viel dazu dichten, sondern konnte mich sehr nah an der Historie halten.
    Das gilt übrigens auch für die Namen! Dass eine Zarentochter Mary gerufen wurde, und Ollys Bruder Kosty genannt wurde, wo wir alle doch viel eher an einen "Kostja" denken, mutet seltsam an, war aber so. Also habe ich die Namen übernommen, vor allem, weil ich finde, dass man sie alle sehr gut auseinanderhalten kann. Was bei drei Marias nicht der Fall gewesen wäre ...


    Nun aber zu den einzelnen Szenen: Die Szene mit dem Lieblingspferd des Zaren ist frei erfunden, ebenso die Szene mit Mischa, dem Lebensretter von Kosty.
    Warum habe ich sie erfunden?
    Nun, ich schreibe immer nach dem Grundsatz:


    "Aufzeigen, nicht erzählen!"




    Ich wusste, dass Mary die forschere der drei Schwestern war, dass Olly still und in sich gekehrt war, aber sich durchaus ihre eigenen Gedanken machte, und nur nicht in der Lage war, diese laut werden zu lassen. Also habe ich nach einer Szene gesucht, um genau dies aufzuzeigen. Denn nacherzählen ist langweilig. Es ist immer viel besser, eine Figur handeln zu lassen, so dass der Leser seine eigenen Schlüsse bezüglich ihrer Persönlichkeit ziehen kann.


    Was den traurigen Tod des Bootsjungen angeht, verhält es sich ähnlich: Ich wusste durch meine Recherchen, dass Olga in späteren Jahren eine sehr verantwortungsvolle, wohltätige Frau geworden ist. Sie war eben nicht typisch für ihren Stand, sie war kein bunter Schmetterling, der durch die Ballsäle geflattert ist. Aber was war der Auslöser dafür? Irgendwelche Jugenderlebnisse oder gar Kindheitserlebnisse müssen sie sensibilisiert haben, sonst wäre sie nicht zu der großartigen Frau geworden, die sie war.
    Vielleicht war es auch ein Gärtner, dem Unrecht geschehen ist. Oder ein Kindermädchen. Oder die Tochter einer Köchin. Oder der Mann, der die Hundezwinger sauberhält - egal. Hier habe ich mir die künstlerische Freiheit genommen, Mischa in sein kurzes Leben zu erwecken. Zum einen, um aufzuzeigen, wie anders die Lebensverhältnisse abseits des Hofes waren und wie fremd diese Olly waren. Und zum andern, um Ollys soziales Gewissen zu wecken.


    Was das Buchcover angeht: Dieses ist tatsächlich der Ausschnitt des berühmten Franz-Xaver-Winterhalter-Gemäldes, das das Württembergische Landesmuseum 2006 für über 1,5 Millionen ersteigert hat. Weitere Infos dazu findet ihr auch auf meiner Homepage www.die-zarentochter.de, denn dieses Bild war tatsächlich der Auslöser für meinen Roman! "Verjüngt" wurde da gar nichts - wie kommst du denn darauf, Beowulf?, Olga wurde lediglich freigestellt und ein ruhigerer Hintergrund verwendet als beim Orginal. Mit Buchtitel, meinem Namen drauf und Originalhintergrund wäre das sonst eine zu hektische, unruhige Sache geworden
    Übrigens: Franz Xaver Winterhalter war der "Promi-Maler" des 19. Jahrhunderts, er bannte nur die schönsten und adeligsten Damen auf Leinwand. Olga hat er mehrmals gemalt ....


    Leute, sagt mir bitte, wenn euch das hier zu ausführlich ist!!! Was ich hier mache, ist ja fast schon eine Anleitung zum Schreiben eines Romans. Mir macht das Thema riesig Spaß, aber ich will niemanden langweilen. Also bitte erst mal ein Feedback auf diesen Beiträg, ja?


    Nun wünsche ich erst mal viel Spaß beim Weiterlesen!


    Eure Petra Durst-Benning

  • Auch von mir vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen, die auf gar keinen Fall zu lang sind. Auf der Webseite zum Buch habe ich auch schon ein wenig gestöbert, ist eine geniale Ergänzung zum Buch. :-)

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Ihr Lieben,


    das finde ich schön, welch liebevoller Umgangston hier herrscht, da macht das Schreiben gleich doppelt so viel Spaß. Aber bedanken braucht ihr euch nicht, denn ich mache das wirklich sehr, sehr gern.


    Bonomania, die diese Leserunde ja organisiert hat, hat mich gestern allerdings auf ein kleines wörtchen aufmerksam gemacht, das ich überlesen habe: Genau hier in diesem Thread soll ich nur Fragen beantworten, die NICHT!!! mit dem Buch zu tun haben.
    Also werde ich ab heute meine Antworten wieder, wie es sich gehört, in die einzelnen Seitenabschnitte schreiben. Sorry, bin halt ein Greenhorn, aber mir erschien meine erste Vorgehensweise durchaus logisch ;-))


    So, nun gucke ich gleich mal, was an Leseeindrücken und Fragen gekommen ist und lege gegebenenfalls mit dem Beantworten los.


    Eure Petra

  • Hallo Petra,


    nun kommt eine Frage für diesen Fred, die nichts mit dem Inhalt des Buches zu tun hat, sondern mit den Lesungen, die Du immer mal wieder so nett erwähnst: Liest Du eigentlich bei jeder Lesung die gleichen Ausschnitte oder variierst Du das nach irgendwelchen speziellen Auswahlkriterien?


    Ich kann mir zwar vorstellen, dass jeden Abend die selben Ausschnitte etwas eintönig werden können, aber das Ganze lässig abzuwechseln stelle ich mir nun auch wieder viel zu kompliziert in der Vorbereitung und Durchführung vor. Hm, ich bin mal gespannt auf die Antwort :wave

  • Liebe Ballerina,


    ich dachte schon, außer Olly interessiert euch gar nix ...;-))


    Du tippst richtig: Ich lese bei jeder Lesung diesselben Passagen. Das ginge gar nicht anders, da ich in jede Lesung viel Arbeit investiere und die jeweiligen Stellen ganz bewusst und aufeinander abgestimmt aussuche. Auch sind sie teilweise in sich gekürzt, denn "Lesung" funktioniert anders als "Lesen". Live muss alles noch dynamischer sein, einem eigenen Rhytmus folgen, einer Melodie sozusagen, die mit einer Ouvertüre beginnt und fulminant endet. So ist der Plan, jedenfalls ;-))
    Die Erzählpassagen variieren aber abendlich. Ich schaue immer, dass ich so viele wichtige Infos wie möglich erzähle, aber in welcher Reihenfolge und ob ich mal was dazufüge oder weglasse, entscheide ich spontan und auch abhängig von der Lesung selbst. Wenn ich heute bspw. nach Roth bei Nürnberg fahre, ist für die Gäste dort der "Zarentochter-Aspekt" sicher interessanter als der "Württembergische-Königin"-Aspekt.


    Aber langweilig wird es nie, kann es auch nie werden. Denn wenn einem etwas wichtig ist und wirklich am Herzen liegt, dann macht es auch noch bei der tausendsten Wiederholung Spaß!
    Vielleicht sehen wir uns ja auch mal auf einer Lesung?!

  • Hallo liebe Petra,


    jetzt bin ich nach einigen Tagen mal wieder Online. Vielen Dank für die Hintergrundinfos, die ich auch gerne an meinen Liebsten weitergegeben habe. Mit ihm im Gespräch kam uns nämlich die Frage. Ja, wer weiß, vielleicht schaffe ich es wirklich mal auf eine Lesung. Das wäre bestimmt spannend.


    Die Tage habe ich den letzten Abschnitt der Zarentochter gelesen, mein Posting folgt dann auch gleich in der Leserunde.


    Vielen vielen Dank Dir für Deine Mühe und die sympathische und informative Begeitung unserer Lese- und Fragerunde :anbet


    Liebe Grüße


    Ballerina :wave