Das stille Haus – Orhan Pamuk

  • Verlag: Hanser, 367 Seiten
    September 2009


    Kurzbeschreibung:
    In der Türkei brodelt es, der Militärputsch vom 12. September 1980 wirft seine Schatten voraus. Wie jedes Jahr verbringen die Geschwister Faruk, Metin und Nilgün den Sommer im Haus ihrer Großmutter Fatma am Marmarameer. Ihr Haus wird zum Mikrokosmos, in dem ideologische Auseinandersetzungen, leidenschaftliche Liebe und die Geheimnisse der Vergangenheit unter einem Dach aufeinandertreffen. Nobelpreisträger Orhan Pamuk schildert in diesem frühen Roman eine verlorene Jugend, die nach ihrem Platz in der Welt sucht und ihn nicht findet.


    Über den Autor:
    Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den "Independent Foreign Fiction Award", 1991 den "Prix de la découverte européene", 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. Der in seiner Heimat umstrittene Autor ist der erste türkische Schriftsteller, der die renommierte Auszeichnung erhält. Das Nobelpreiskomittee lobte seine Vermittlerrolle zwischen Orient und Okzident. 2006 erhielt Orhan Pamuk die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin und 2007 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Bosporus Universität in Istanbul ausgezeichnet. Der Schriftsteller lebt in Istanbul.


    Über den Übersetzer:
    Gerhard Meier, geboren 1957, lebt seit 1986 in Lyon. Er übersetzte u.a. Amin Maalouf, Henri Troyat, Jules Verne, Murathan Mungan, Orhan Pamuk, Ahmet Hamdi Tanpinar und Hasan Ali Toptas.


    Meine Meinung:
    „Das stille Haus“ ist sprachlich ein Leckerbissen und thematisch interessant.
    Eine 90zigjährige Frau wird einmal im Jahr, so auch jetzt im Jahr 1980, von ihren Enkel besucht: Nilgün, Faruk und Metin
    Durch den Wechsel der Erzählperspektiven durch gleich mehrere Protagonisten erreicht der Roman ein Vielschichtigkeit und Tiefe. Es kommen noch weitere Protagonisten hinzu.
    Durch die Vielzahl der Charaktere entstehen Gedankenströme, die manchmal die Dialoge unterlaufen.
    Besonders die Gedanken der Großmutter sind verschachtelt, schweifen ab, wandern in vergangene Jahre.
    Ein wenig muss man als Leser aufpassen, wer jetzt immer gerade in den Kapiteln spricht. Dazu kommt eine langsame Erzählweise.


    Ein kluges Buch, das die angespannte und bedrohliche Stimmung in der Türkei 1980 kurz vor dem Putsch der Militärjunta gegen Linke zeigt.


    Obwohl es sich um ein Frühwerk des Autors von 1983 handelt, merkt man das dem Roman nicht an. Er ist stilistisch und literarisch zeitlos.

  • Eigentlich wollte ich mir erstmal nichts mehr auf die Wunschliste setzten, aber dann hätte ich deine Rezi nicht lesen dürfen. :-)


    Es ist stilistisch und literarisch zeitlos - das klingt doch sehr verführerisch. Danke für deine schöne Rezi, Herr Palomar

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich hab es auch auf meine Wunschliste gesetzt! Orhan Pamuk ist so einer dieser Autoren wo ich aus irgendeinem Grund immer, wenn ich den Namen höre, denke: "Von dem sollte ich auch mal was lesen...". Das Buch klingt nach einem guten Anfang.

  • Nach fast drei Jahren habe ich es nun geschafft, das Buch zu lesen. :grin Die "langsame Erzählweise", wie Herr Palomar es nannte, hat mir teilweise etwas zu schaffen gemacht. Die Handlung plätschert teilweise eher vor sich hin. Die Gedanken der Protagonisten bewegen sich oft im Kreis - was sicher gewollt ist und auch zum Charakter der Personen gehört, mir hat es aber das Lesen teilweise etwas unangenehm gemacht.


    Der Älteste der Geschwister, Faruk, blieb für mich etwas blass. Metin ging mir zwar ziemlich auf die Nerven mit seiner Sucht nach Anerkennung und seiner Pseudo-Verliebtheit, aber das war auch ok, weil es seine Orientierungslosigkeit zeigt. Die Gedanken der Großmutter fand ich am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, nach und nach aber immer interessanter. Ihre Strategien, vor ihrer eigenen bzw. der Familienvergangenheit davon zu laufen, haben in mir gleichzeitig Ärger und Mitleid geweckt. Ähnlich ging es mir mit Hasan. Auch er tat mir Leid und ich habe gehofft, dass es für ihn vielleicht noch eine positive Wendung gibt.


    Im letzten Drittel des Buches nahm die Handlung nochmal an Fahrt auf und vor allem



    Ich habe für den Roman - der mit 366 Seiten ja noch relativ überschaubar ist - 6 oder 7 Wochen gebraucht. Es kann an meiner längeren Lese-Abstinenz liegen, aber sicherlich auch daran, dass der Roman keine leichte Kost war, so dass ich längere Lesepausen von Tagen oder Wochen gebraucht habe. Erst zum Schluss ging es dann ziemlich schnell. Rückblickend bin ich trotzdem sehr beeindruckt. Dass Faruk etwas blass blieb habe ich schon erwähnt, aber davon abgesehen sind die Innenansichten der Charaktere grandios beschrieben. Ich habe zwar etwas Angst vor den längeren und komplexeren Werken des Autors, trotzdem hoffe ich, dass "Das stille Haus" nicht mein einziger Pamuk bleiben wird.



    Edit: Kann mir vielleicht jemand sagen, ob die anderen Romane Pamuks genauso sind, was die Erzählweise angeht, also sehr viel aus der Sicht der Protagonisten geschildert wird, ihre Gedanken und Gefühle in den Mittelpunkt gerückt werden?

    In der Einsamkeit wird Liebe entstehen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Glass ()