Corpus Delicti. Ein Prozess - Juli Zeh

  • „ Das Mittelalter ist keine Epoche, sondern der Name der menschlichen Natur.“


    Titel: Corpus Delicti. Ein Prozess
    Seitenzahl: 272
    Verlag: Schöffling


    Kurzbeschreibung (Klappentext)


    Jung, attraktiv, begabt und unabhängig: Das ist Mia Holl, eine Frau von dreißig Jahren, die sich vor einem Schwurgericht verantworten muss. Zur Last gelegt wird ihr ein Zuviel an Liebe (zu ihrem Bruder), ein Zuviel an Verstand (sie denkt naturwissenschaftlich) und ein Übermaß an geistiger Unabhängigkeit. In einer Gesellschaft, in der die Sorge um den Körper alle geistigen Werte verdrängt hat, reicht diese Innenausstattung aus, um als gefährliches Subjekt eingestuft zu werden. Mia Holl will beweisen, dass ihr Bruder, verurteilt wegen einer angeblichen Vergewaltigung, unschuldig ist. Sie gerät also in Stellung gegen das System, hier "Methode" genannt, auch aus Liebe zu ihrem Bruder, der sich das Leben nahm.


    Die Autorin (von Schöffling und Co. Verlag)


    Juli Zeh wurde in Bonn geboren und studierte Jura in Passau und Leipzig, wo sie 1998 ihr 1. Staatsexamen machte. Ebenfalls in Leipzig studierte sie von 1996 bis 2000 am Deutschen Literaturinstitut (DLL), an das sie später als Dozentin zurückgekehrt ist. Nach ihrem Diplom am DLL folgte 2003 das 2. Staatsexamen. Zahlreiche Auslandsaufenthalte u.a. für die UN in New York und Krakau und vor allem in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina haben ihre Arbeiten geprägt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Deutschen Bücherpreis, dem Rauriser Literaturpreis, dem Hölderlin-Förderpreis, dem Ernst-Toller-Preis und dem Solothurner Literaturpreis.
    Ihr erster Roman ADLER UND ENGEL ist mittlerweile in 29 Sprachen übersetzt. Ihr Roman SPIELTRIEB wurde 2006 am Hamburger Schauspielhaus für die Bühne dramatisiert. ALLES AUF DEM RASEN versammelt ihre Essays zu Gesellschaft, Politik, Recht und Literatur, die in großen deutschen Zeitungen und Magazinen erschienen sind. 2007 erschien ihr Roman SCHILF, 2009 CORPUS DELICTI (als Theaterstück für die RuhrTriennale 2007).


    Meine Meinung


    Juli Zeh entwickelt in ihrem Buch „Corpus Delicti“ das Szenario einer Gesundheitsdiktatur im Jahre 2057. Alles ist darauf ausgerichtet, dass der Mensch glücklich ohne Krankheit und Bakterien sein Leben führen kann. Und das wird natürlich alles vom Staat, der sogenannten „Methode“, überwacht mit Mikrochips, die in die Menschen implantiert sind, Gesundheitsberichten und ähnlichem.
    Die Hauptfigur Mia Holl fällt den Behörden zuerst auf, als sie einige Tage lang ihre Ernährungsberichte nicht einsendet. Nach dem Selbstmord ihres Bruders Moritz, als er wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, ist Mia nämlich tief in innere Konflikte gefangen und wünscht sich nichts weiter, als eine Weile Ruhe zu haben. Doch die „Methode“ und der Tod ihres Bruders gönnen Mia keinen inneren Frieden und zwingen sie schließlich sich gegen das System zu wenden...


    Ich habe schon einige Bücher über visionäre zukünftige Überwachungsstaate gelesen und meiner Meinung nach ist Juli Zeh ein sehr originelles und auch nicht unrealistisches Werk gelungen. Eine Gesundheitsdiktatur mag sich zunächst absurd anhören, doch Zeh benutzt geschickt Zustände der heutigen Zeit, um ihre Zukunftsvision glaubhaft zu machen. Vor allem spricht das Buch ein aktuelles und wichtiges Thema an und hinterlässt, wie es sein sollte, ein unangenehm beklemmendes Gefühl nach dem Lesen. Besonders weil der Überwachungsstaat heute näher rückt als je zuvor.
    Was ich an dem Buch zu bemängeln habe ist, dass die Charaktere recht blass und kalt wirken. Manchmal war es mir einfach nicht möglich genügend Emotionen für die Charaktere aufzubringen. Aber dann wiederum könnte dies von der Autorin beabsichtigt worden sein, um die passende Atmosphäre zu schaffen. Das ist wahrscheinlich Interpretationssache.


    Das Buch ist leicht zu lesen und trotz einiger merkwürdigen Formulierung zwischendrin, die mir persönlich aber gefielen wegen dem philosophischen Inhalt (siehe als Beispiel das obrige Zitat), wird eine sehr klare Sprache benutzt.


    Alles in allem ein gelungener, lesenswerter Roman. Es ist kein Orwell, aber sicherlich nicht weniger wichtig!


    4,5/5



    PS. Das ist meine erste Buchvorstellung hier! Ich hoffe es gibt sie nicht doppelt und dass sie euch gefällt! :wave

    "Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus dem eigenen Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte." (Hermann Hesse)

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  • Zitat

    Original von book_thief
    PS. Das ist meine erste Buchvorstellung hier! Ich hoffe es gibt sie nicht doppelt und dass sie euch gefällt! :wave


    Eine Rezension gab es noch nicht.
    Die Rezension gefällt mir sehr gut! Vielen Dank!


    Bitte noch die ISBN nachtragen, damit die Rezension im Verzeichnis aufgenommen wird.


    3895614343

  • Zitat

    Original von book_thief
    Ich habe schon einige Bücher über visionäre zukünftige Überwachungsstaate gelesen und meiner Meinung nach ist Juli Zeh ein sehr originelles und auch nicht unrealistisches Werk gelungen.


    Ich habe von anderen gehört, dass sie es so empfanden, dass Juli Zeh nur von anderen Utopien abgekupfert hat - u.a. von 1984. Empfandest du das auch so? Oder war für dich wirklich neue Gedanken dabei?

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von saz


    Ich habe von anderen gehört, dass sie es so empfanden, dass Juli Zeh nur von anderen Utopien abgekupfert hat - u.a. von 1984. Empfandest du das auch so? Oder war für dich wirklich neue Gedanken dabei?


    Ich glaube man wird immer eine gewisse Ähnlichekeit zwischen den Büchern finden können, da sie eben das gleiche Thema behandeln. Und wenn ich so drüber nachdenke, eine Szene hat mich stark an 1984 erinnert. Aber ich finde das "Corpus Delicti" trotzdem anders genug ist um nicht nur eine einfache Abkupferung zu sein.

    "Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus dem eigenen Geist erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die größte." (Hermann Hesse)

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  • Titel: Corpus delicti
    Autorin: Juli Zeh
    Verlag: Schöffling
    Erschienen: Februar 2009
    Seitenzahl: 272
    ISBN-10: 3895614343
    ISBN-13: 978-3895614347
    Preis: 19.90 EUR


    Darum geht es:
    Jung, attraktiv, begabt und unabhängig: Das ist Mia Holl, eine Frau von dreißig Jahren, die sich vor einem Schwurgericht verantworten muss. Zur Last gelegt wird ihr ein Zuviel an Liebe (zu ihrem Bruder), ein Zuviel an Verstand (sie denkt naturwissenschaftlich) und ein Übermaß an geistiger Unabhängigkeit. In einer Gesellschaft, in der die Sorge um den Körper alle geistigen Werte verdrängt hat, reicht diese Innenausstattung aus, um als gefährliches Subjekt eingestuft zu werden. Mia Holl will beweisen, dass ihr Bruder, verurteilt wegen einer angeblichen Vergewaltigung, unschuldig ist. Sie gerät also in Stellung gegen das System, hier "Methode" genannt, auch aus Liebe zu ihrem Bruder, der sich das Leben nahm.


    Die Autorin:
    Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren. 2002 erhielt sie den Deutschen Bücherpreis, 2003 folgte dann der Rauriser Literaturpreis. Ihre Bücher wurden zwischenzeitlich in 29 Sprachen übersetzt.


    Meine Meinung zu diesem Buch:
    Bei diesem Buch handelt es sich um ein sehr schwaches Buch. Eine Ansammlung von konstruierten Unwahrscheinlichkeiten. Die Autorin wollte offensichtlich zu viel – vielleicht kann sie es aber auch nicht besser. Inhaltlich zwar eine Science-Fiction-Geschichte, aber eine von der ganz schwachen Sorte. Auf plumpe Art und Weise soll eine Message unters Volk gebracht werden, wobei es die Autorin nicht einmal schafft diese Message überhaupt darzustellen. Dieses Buch ist nicht nur inhaltlich sondern auch sprachlich ein echtes Ärgernis. Da hat sich jemand (die Autorin) ordentlich verhoben. Mit diesem Thema – die Praktiken einer Gesundheitsdiktatur ein einer zukünftigen Zeit – scheint die Autorin an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Sie ist diesem sicher sehr interessanten Thema absolut nicht gewachsen und immer dann, wenn es angebracht wäre etwas mehr in die Tiefe zu gehen, tritt Juli Zeh – gewollt oder ungewollt – auf die Bremse. Ein Buch das die Welt nun wirklich nicht gebraucht hat.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Meinung


    Die Grundthematik dieses Romans ist zwar sehr interessant und hat Potenzial, ist jedoch von anderen Autoren schon deutlich besser behandelt worden. Die Handlung spielt in der Zukunft im deutschen Staat. Die Bürger werden überwacht und werden bestraft, wenn sie nicht ihrer Verpflichtung, alles erdenkliche zu tun, um gesund zu bleiben, nicht nachkommen. Aber die Veränderungen in Gesellschaft, Recht und Staat führt die Autorin nicht so aus, das man ihr folgen kann. Immer wenn es um die tieferen Hintergründe geht werden diese nicht näher beleuchtet.
    Die unterschiedlichen Vorgänge sind mitunter schwer nachvollziehbar und nicht immer logisch durchdacht. Auch die Sprache hebt sich nicht hervor. Es gibt keinen einheitlichen Erzählstiel, über Ereignisse der Gegenwart und der Vergangenheit wird durcheinander erzählt.
    So ist es ein belangloses Buch, welches mir nicht lange im Gedächtnis verbleiben wird und auch keinen Platz in meinem Bücherregal bekommt.

  • Zur Autorin und zum Inhalt wurde ja hier schon geschrieben, deshalb kommt nun nur noch meine Meinung:


    Von Juli Zeh hatte ich bisher noch kein Buch gelesen und das wollte ich jetzt endlich nachholen. Für „Corpus Delicti“ habe ich mich entschieden, weil mir von den Romanen der Autorin das Thema dieses Buches am meisten zusagte, ich lese ganz gerne soziale Utopien.
    So richtig mitreißen und begeistern konnte mich das Buch nicht. Der Hintergrund der Geschichte, eine Gesundheitsdikatur im 21. Jahrhundert, müsste doch eigentlich spannend zu lesen sein. Stattdessen wirkte die Geschichte auf mich konstruiert und mit zu wenig Tiefgang. Mitgefühl mit den Figuren konnte ich kaum aufbringen, die Story hat sich nur interessant gelesen, zwar handwerklich gut ausgearbeitet, durchdacht, aber packen konnte mich das alles nicht. Mir ist es nicht gelungen, in die Geschichte einzutauchen, ich blieb immer auf Distanz.
    Warum mich das Buch nicht gepackt hat, kann ich nur vermuten. „Corpus Delicti“ war ursprünglich ein Theaterstück, die Autorin hat daraus dann einen Roman gemacht, vielleicht hat das Umschreiben schon nicht funktioniert, womöglich ist es umgekehrt – aus einem Roman ein Theaterstück zu machen – auch einfacher. Das Buch besteht aus vielen sehr kurzen Kapiteln, kaum ist man in einer Situation drin, ist das Kapitel auch schon zu Ende und man befindet sich schon wieder woanders im nächsten Kapitel. Viele der Regeln, die in diesem Gesundheisstaat gelten, werden nur angerissen statt ausgeleuchtet. Das Buch ist überwiegend in der Gegenwartsform geschrieben, dadurch wirkt es reportageartig und eben weniger romanhaft, da die meisten Romane in der Vergangenheitsform geschrieben sind, man das als Leser also so gewohnt ist. Zudem tritt die Autorin auch immer mal wieder aus dem erzählten Geschehen heraus, indem sie ein „wir“ verwendet und so den Leser direkt anspricht. Das liest sich dann z. B. so (Zitat von Seite 60): „Wählen wir für ein paar Minuten die Vergangenheitsform. Anders als Mia, bereitet es uns keine Schmerzen, im Präteritum an ihren Bruder zu denken.“ Das ist durchaus originell gemacht, nur reißt es eben den Leser auch für einen Moment aus der Geschichte. Wenig anfangen konnte ich auch mit einer Figur, die nur in der Vorstellung der Hauptperson Mia Holl existiert, im Buch wird diese Figur die „ideale Geliebte“ genannt, sie räkelt sich mit Vorliebe auf Mias Sofa und sorgt für spritzige Dialoge. Ob diese imaginäre Figur der Form des Theaterstücks geschuldet war? Im Roman fand ich sie ziemlich gewöhnungsbedürftig.


    Geschrieben ist der Roman sicherlich gut, Juli Zeh beherrscht ihr Handwerk. Mir kam’s trotzdem so vor, als hätte hier jemand eine etwas überambitionierte Seminararbeit für’s Literaturinstitut vorgelegt.


    Da mir Sprache an einem Buch immer noch am wichtigsten ist und ich nicht Spannung um jeden Preis brauche, vergebe ich 6 Punkte.


    Auf der Verlagshomepage gibt es eine kurze Leseprobe:
    <klick>

  • Ich schließe mich den gemischten Gefühlen der voranstehenden Rezensionen an. Die Geschichte und vor allem der Grundgedanke ist interssant, aber auch mir sind viele Dinge zu wenig beschrieben. Ich wünsche mir ein paar mehr Darstellungen grundsätzlicher Abläufe in einem gesundheitsorientierten Staat. Auch interessiert es mich, wie die Protagonisten denken und fühlen, warum wundert sich keiner über Mias vermeintliche Selbstgespräche? Ist man innerhalb der Methode nicht ebenso auf psychische wie auf physische Auffälligkeiten zu achten angehalten? Alles in allem sind die Dinge hier ein bisschen zu vage beschrieben, die Methode als solche ist mir noch zu abstrakt. Einige Nebenfiguren dagegen finde ich recht gelungen und präsentieren sicherlich sehr gut den dortigen Mainstream ( die hausputzenden Nachbarinnen, die Richterin ...). Ich habe das Buch dennoch gerne gelesen, vor allem die enge Verbindung zu heute schon vorherrschenden Meinungen und Verhaltensweisen, Vorsorgemaßnahmen und Gesundheits- und Jugendwahn. Die Zukunft in solcher Form ist heute schon gut vorstellbar.

  • ich freue mich schon sehr auf "Neu Jahr", das neueste Buch von Juli Zeh, die ich wirklich sehr, sehr gerne lese. Dieses hier flog noch hier rum, weil ich es einfach nicht schaffe, es mal zu Ende zu lesen. Auch nach mehreren Anläufen komme ich irgendwie nicht rein. Keine Ahnung, woran es liegt. Die Sprache gefällt mir nicht, die Figuren wirken aufgesetzt. Kommt erstmal wieder zurück ins Regal.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)