Lynn Austn - Im Sand der Erinnerung

  • Kurzbeschreibung
    Abigail MacLeod sehnt sich nach einem Neuanfang. Ihre Ehe ist gescheitert und Gott scheint ihr ferner denn je. Wo könnte die begeisterte Hobby-Archäologin besser Abstand gewinnen als bei Ausgrabungen in Israel? Ein Mord, der ihren Weg ins Heilige Land überschattet, verheißt nichts Gutes. Doch bald findet sie Halt in der Freundschaft zu Dr. Hanna Rahov, der Leiterin des Ausgrabungsprojektes. Deren dramatische Lebensgeschichte berührt Abigail zutiefst, ebenso wie die Vermächtnisse einer Frau aus dem ersten Jahrhundert, die sich in den Ruinen auftun. Sie bringen Abigail dazu, neu über ihr eigenes Leben nachzudenken und sich auf den Weg zu machen. Auf den Weg zu dem Ort, wo die Quellen der Vergebung entspringen ...


    Über die Autorin
    Lynn Austin ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Illinois. Ihre große Familie, die vier Generationen umfasst, ist ebenso Aufgabe wie Inspiration für sie. Wenn ihr nach dem Tagesgeschäft noch Zeit bleibt, ist sie als Vortragsreisende unterwegs und widmet sich der Schriftstellerei.



    „Du weinst ja, hattest du keinen Spaß daran?“
    Die Kurzbeschreibung deutet es an, sagt aber, wie bei Kurzbeschreibungen im Idealfall üblich, nur ansatzweise etwas von dem aus, was ich alles in diesem Buch gelesen habe. Viel mehr als die Kurzbeschreibung schon sagt, möchte ich allerdings gar nicht verraten.


    Der Roman spielt auf drei verschiedenen Zeitebenen: 1999, das Jahr, in dem die Ausgrabung in Degania stattfindet und das zu Abigail gehört, die Jahre 46 bis 67 n. Chr. erzählen Leahs Geschichte und schließlich Rückblenden in die Jahre 1951 bis 1994 berichten von Hannas Leben. Drei Leben voller Dramatik, Zweifel bleiben nicht aus, reich sind sie an Abschieden von Familie und Freunden, besonders in Leahs und Hannas Fall, und doch sind es auch drei Leben im und an den Glauben.


    „Wenn du sie hasst, gewinnen sie.“ (Seite 140)
    Vielleicht ist „Im Sand der Erinnerung“ Lynns Austins politischtes Buch. Es berichtet über die Situation in Israel, über die Situation der Palästinenser, über Kriege, über Terror. Beide Seiten kommen zu Wort, beide Seiten fordern mein Verständnis.


    Aber es sind nicht nur die Menschen von heute, die die Autorin zu Wort kommen lässt, sondern auch die Zeloten, die Pharisäer und die ersten Christen erheben ihre Stimme. Die Situation zur Zeit der römischen Besatzung und des Aufstandes werden beschrieben.


    „Die Schuld zu erlassen und nicht die Rechnung zu begleichen, war die einzige Lösung, die einen dauerhaften Frieden mit einem Feind ermöglichte.“ (Seite 357)
    Vielleicht ist „Im Sand der Erinnerung“ Lynns Austins religiösestes Buch. Es berichtet vom Glauben der Juden und vom Glauben der Christen. Es wird in diesem Buch sehr viel über Glauben, über Erlösung und über Vergeben gesprochen, für jemanden, der vielleicht anhand der Kurzbeschreibung etwas anderes, nämlich einen Krimi oder einen Spionageroman erwartet hat, vermutlich zu viel.


    Für mich war es nicht zu viel, einerseits habe ich ähnliches erwartet, da Lynn Austin nun einmal Romane schreibt, die man den Inspirationals zurechnen muss, andererseits war mir klar, dass sie einen Roman, der in Israel handeln würde, als „Transportmittel“ für ihre christliche Sicht der Dinge benutzen würde. Auch wenn ich vieles dagegen halten könnte, es sind Sätze in diesem Buch, Szenen, die das Nachdenken lohnen, sei es über Leahs Erstaunen, dass „die Anhänger von Jeschua es Frauen wie Männern, den Sklaven ebenso wie Ruben gestatteten, zu Füßen des Predigers zu sitzen und die Heiligen Schriften zu diskutieren“ (Seite 198), sei es über Hannas Kraft, zum Leben zurückzufinden und auch vergeben zu können, sei es über das Ringen um Frieden und um das Land.


    Man mag einwenden können, Lynn Austin habe ein wenig zu deutlich gemacht, dass die Figuren in ihrem Roman ihren Frieden, ihre Ruhe, ihre Kraft im christlichen Glauben finden, allerdings hat es auf mich nicht missionierend gewirkt. Für mich ist es ihre Sicht der Dinge, nicht mehr, aber auch nicht weniger; ob ich mich dieser Sicht anschließen will, überlässt sie mir. Lynn Austin urteilt nicht, sie verurteilt aber auch nicht, so empfinde ich es. Sie vertraut ihrer Geschichte und sie vertraut ihren Figuren; Leah und Hanna, Abby und Ari, Ruben und Marwan, sie alle sind für mich lebendig geworden, von jedem hatte ich ein klares Bild vor Augen.


    „Du weinst ja, hattest du keinen Spaß daran?“
    An einigen Stellen in diesem Buch habe ich hemmungslos geweint. „Im Sand der Erinnerung“ ist für mich zu einer einerseits schönen, andererseits sehr schmerzlichen Lektüre geworden, der Roman ist mir nahegegangen, so sehr, dass meine Eindrücke vermutlich nur wie ein Gestammel wirken. Lynn Austin hat es mir leicht gemacht, für meinen Schmerz, meine Wut, meine Empörung, meine Hoffnung eine Entsprechung in ihrem Buch zu finden: über einige Ansprüche und Ge- bzw. Verbote religiöser Gruppierungen, gleich welcher Art, - natürlich – über die Römer; über mein Hoffen, Gespräche über Frieden seien möglich, nicht nur im Politischen, sondern auch im Privaten; über mein Unverständnis, in Gewalt eine Lösung zu sehen. Ja, ich habe geweint: um Hanna und ihre Verluste, um Ben und seine Schuldgefühle, um Ari und Marwan, für das, was ihnen angetan und genommen wurde, um Leah und Ruben aus den nämlichen Gründen.


    Ich glaube allerdings nicht, dass man die Bücher Lynn Austins aus Spaß lesen sollte, dazu haben sie einen zu ernsten Grundtenor, „Im Sand der Erinnerung“ hat mir – und das halte ich für viel wichtiger – neben allen Tränen auch sehr viel Freude geschenkt. Für jemanden, der gläubig ist, wird dieses Buch vielleicht zu einer noch größeren Freude.


    Lynn Austin lesen – das ist für mich, einer Geschichtenerzählerin zu lauschen, die ihr Handwerk mehr als versteht. Es müssen nicht immer die großen Dinge und Personen sein, auch die kleinen Dinge, die kleinen Menschen haben eine Geschichte, die zu hören sich lohnt.


    Lynn Austin lesen – das ist für mich auch ein Einlassen auf ihren Glauben: Ob ich ihm nun folgen mag oder nicht, entsteht für mich doch der Eindruck, jemand, der stark ist im Glauben, hat es ein wenig leichter im Leben, werfen ihn die Stürme nicht so leicht um.


    Lynn Austin lesen – für mich ist das einfach wie Nachhausekommen.

  • Danke für die Rezi. :anbet Das gibt vermutlich auch mein nächstes Lynn Austin-Buch (zumindest nach derzeitigem Plan).



    Zitat

    Original von Lipperin
    Lynn Austin lesen – das ist für mich, einer Geschichtenerzählerin zu lauschen, die ihr Handwerk mehr als versteht.


    :write Absolut.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Ich glaube allerdings nicht, dass man die Bücher Lynn Austins aus Spaß lesen sollte, dazu haben sie einen zu ernsten Grundtenor,(...)


    Drum brauche ich auch etwas Abstand zum nächsten von ihr, quasi etwas Erholung. Was allerdings nicht bedeutet, daß mein derzeitiges (emotional) weniger anstrengend ist.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Danke Lipperin :-]


    für die hervorragende Rezi. Gerade habe ich "Fionas Geheimnis" auf meine Liste gesetzt und nun lese ich schon wieder eine so interessante Rezi. Das Buch muss auf meine Liste. Habe bis jetzt noch nichts von Lynn Austin gelesen und ich denke, da ist mir was entgangen. :-]

  • Helga : Lynn Austin lass ich nicht mehr aus den Augen - und ich bin schon völlig hibbelig, weil Ende September Band 2 ihrer Südstaatensage auf Deutsch erscheint.


    SiCollier : Wenn Du es liest, bin ich auch hier extrem auf Deine Meinung gespannt, besonders zu Seiten 327 bis 332 und Abbys Gespräch mit Marwan (Seiten 310 bis 313) und ... ach, egal, zu allem. :-)

  • Zitat

    Original von Lipperin
    SiCollier : Wenn Du es liest, bin ich auch hier extrem auf Deine Meinung gespannt, besonders zu Seiten 327 bis 332 und Abbys Gespräch mit Marwan (Seiten 310 bis 313) und ... ach, egal, zu allem. :-)


    :gruebel Jetzt überlege ich, ob ich die Seiten schon mal vorab lesen sollte. ... Aber vermutlich macht das eher wenig Sinn. Jedenfalls bin ich jetzt selbst gespannt darauf. :-)




    Zitat

    Original von Helga
    Habe bis jetzt noch nichts von Lynn Austin gelesen und ich denke, da ist mir was entgangen.


    Um es mal so auszudrücken: ich habe keine Ahnung, weshalb ich erst jetzt auf diese Autorin aufmerksam geworden bin. Ich werde in den nächsten Monaten mit Sicherheit alle ihre Bücher lesen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")