Untertitel der deutschen Ausgabe: Unser Leben für seltene Bücher
Titel im Original: Old Books, Rare Friends. Two Literary Sleuths and Their Shared Passion
Über die Autorinnen:
Leona Rostenberg und Madeleine Stern waren über fünfzig Jahre im Antiquariatsgeschäft tätig. Stern veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter Biografien von Margaret Fuller und Louisa May Alcott. Rostenberg, ehemalige Präsidentin der Antiquarian Booksellers Association of America, publizierte ebenfalls Bücher, u. a. zur Kulturgeschichte des Buchdrucks. Zusammen schrieben sie mehrere Bücher zum Thema Buch.
Kurzbeschreibung:
"Miss Rostenberg, schrauben Sie Ihre Hoffnungen nicht zu hoch! Sie haben zwei schwerwiegende Nachteile: Sie sind eine Frau, und Sie sind Jüdin." Trotz der Vorbehalte ihres New Yorker Professors gedenkt Leona Rostenberg keineswegs, den Männern das Feld zu überlassen. Bereits in den vierziger Jahren gründet sie ihr eigenes Antiquariat und wird später sogar Präsidentin der amerikanischen Antiquariatsbuchhändler. Das Schicksal bringt ihr Verstärkung: Madeleine Stern ist ebenso eine Büchernärrin wie sie. Die beiden Frauen, die aus jüdischen deutsch-amerikanischen Familien stammen, haben mit Männern nicht viel im Sinn, das hält nur unnötig auf. Stattdessen frönen sie ihrer Leidenschaft für seltene Bücher und pflegen ihre Freundschaft – ein Leben lang. In dieser charmanten Doppelbiographie schildern sie ihr gemeinsames Leben, das sie zu einer Institution im internationalen Antiquariatsgeschäft gemacht hat. Humorvoll und warmherzig beschreiben sie ihre Kindheit im New York der zwanziger Jahre, ihre turbulente Studienzeit, ihre Reisen ins alte Europa. Es ist ein Buch über literarische Entdeckungen, ein Kaleidoskop kultureller Veränderungen im Amerika des letzten Jahrhunderts – und das Zeugnis einer aussterbenden Zunft.
Meine Meinung:
In diesem Buch blicken die beiden Weggefährtinnen auf ihr langes, ereignisreiches und ungewöhnliches Leben zurück, es handelt sich also um eine Doppelbiographie. Die ersten 100 Seiten erzählen vom Aufwachsen der beiden Damen, von ihren Familien, ihrer Schulausbildung und ihren Träumen für die Zukunft bis hin zur ersten Begegnung der beiden, die sehr kühl ausfällt und alles andere als bezeichnend ist für die bald folgende innige Freundschaft fürs restliche Leben. Bis zu diesem Punkt ist das Buch ganz nett, aber ein wenig ereignislos und ohne Höhepunkte, wenngleich notwendig, um zu verstehen, wie die beiden zu den Persönlichkeiten wurden, die sich in weiterer Folge so erfolgreich im Antiquariatsgeschäft behaupteten. Einige Zeit nach ihrer nicht gerade begeisterten ersten Begegnung laufen sie sich wieder über den Weg, diesmal ist es der Beginn einer ungewöhnlichen innigen Freundschaft, die fürs Leben hält und für beide wichtiger ist als etwaige Männerbekannschaften. Beide stehen an Wendepunkten in ihrem Leben, Madeleine macht sich langsam einen Namen als Biographin, Leona muß eine herbe Enttäuschung hinnehmen, als ihre Doktorarbeit abgewiesen wird. Doch gerade diese Ablehnung ist es, die den Weg zu ihrer gemeinsamen Tätigkeit im Antiquariatsgeschäft ebnet. Das restliche Buch über erfahren wir von dieser gemeinsam mit viel Herzblut und Liebe zu seltenen Büchern ausgeführten Arbeit, von großen Erfolgen und kleineren Rückschlägen, vom Kennenlernen bekannter antiquarischer Buchhändler in Übersee und vom unentbehrlichen "Fingerspitzengefühl", womit eine Art Intuition gemeint ist, die einen unscheinbar wirkende Bücher als echte Raritäten erkennen läßt. Neben ihrer mit der Zeit immer einträglicheren und erfolgreicheren Tätigkeit als Händlerinnen alter, seltener Bücher schreiben beide weiterhin Bücher zu ihren jeweiligen Fachgebieten, halten auf Einladung Vorträge und werden zu fixen Größen, richtiggehend zu einer Institution in ihrer Branche.
Besonders interessant sind die Passagen über die Europareisen der beiden gebildeten Frauen, ob es sich nun um eine private gemeinsame Reise noch vor Kriegsausbruch handelt oder einige Jahre später um die ersten Geschäftsreise kurz nach Ende des 2. Weltkrieges. An manchen Stellen erhält man Einblick in die gesellschaftlichen Umwälzungen, die in dieser Zeit geschehen sind, in das Elend im zerbombten London und die Lebensmittelknappheit, insgesamt jedoch waren mir diese Stellen zu knapp abgefaßt - bei der Lebenserfahrung der beiden Damen hätte ich mir mehr zeitgeschichtliche Eindrücke gewünscht, zumal sie ja viel gereist sind. Dafür werden die Autorinnen an anderen Stellen zu ausführlich, gerade von ihren Katalogen erzählen sie ausufernd, reihen Namen an Namen sowohl von seltenen Büchern als auch von Menschen, die ihnen im Lauf ihres Lebens begegnet sind, wodurch man sich ein wenig erschlagen fühlt.
Der Epilog ist in einem etwas traurigen Ton abgefaßt; im hohen Alter stellen die beiden Freundinnen fest, daß die meisten Weggefährten weggestorben sind und sich so vieles radikal geändert hat in ihrer geliebten Branche. Sehnsuchtsvoll erinnern sie sich zurück an den früheren Geist, an die Zeit, als der Inhalt wichtiger war als der Zustand des Schutzumschlages und als es noch keiner Computer bei der Recherche bedurfte.
Das Buch ist ja im deutschen Sprachraum 2004 erschienen, die 1908 geborene Leona Rostenberg ist mittlerweile im Jahre 2005 verstorben, die 1912 geborene Madeleine Stern verstarb 2007. Im Epilog bezeichnen die beiden noch ihre Kinderlosigkeit als einerseits traurig, andererseits wäre es ihnen so erspart geblieben, bei der Kindererziehung den eigenen Alterungsprozeß vor Augen geführt zu bekommen. Zwei bemerkenswerte, erfolgreiche Frauen, die einander hatten und auf Männer nicht allzu großen Wert legten und die in ihrer gemeinsamen Liebe zu seltenen Büchern aufgingen.
Mein Fazit: The New York Times Book Review wird auf dem Buchumschlag zitiert mit den Worten: "Ein Muss für jeden, der Bücher liebt." Ganz so kann ich es nicht unterschreiben, abgesehen davon, daß es beim Lesen für mich kein Muss gibt. Die Doppelbiographie ist recht ansprechend und bringt deutlich die Liebe und die Begeisterung der beiden zutage, hat aber auch Schwächen und verliert sich manchmal zu sehr in Kleinigkeiten und endlosen Aufzählungen von Namen. Charmant geschrieben, für Leser mit besonderem Interesse am Antiquariatsgeschäft sicher ein Highlight, ansonsten eher etwas für zwischendurch.