OT: Let The Great World Spin
Kurzbeschreibung:
1974: Am Morgen eines schönen Augustsommertags starren die Passanten in Lower Manhattan ungläubig zu den Twin Towers hinauf. Fast einen halben Kilometer über ihnen läuft, springt und tanzt ein Hochseilartist - ein schwebender Moment von absoluter Freiheit und künstlerischem Triumph in einer Stadt des ewigen Überlebenskampfes. Seine Magie lässt unten auf den Straßen in den gewöhnlichen Existenzen das Besondere hervortreten. Etwa in Corrigan, dem verrückten, aufopferungsvollen Iren, der sein Leben den Straßenhuren in der Bronx widmet. Er hat in seinem Kleinbus vor dem Zentralgericht am WTC übernachtet, um zweien seiner Schutzbefohlenen bei einem Anklageerhebungstermin beizustehen: Tillie, die schon mit 38 Großmutter ist, und ihrer schönen Tochter Jazzlyn. Doch Corrigan weiß nicht, dass dieser Tag, der so großzügig Freiheit schenkt, auch den Tod bringen und damit das Leben zahlreicher Menschen verändern wird, die ihm und den beiden Frauen in seiner Obhut nahestehen...
Colum McCann fängt die Atmosphäre und die Stimmen dieser Stadt zu einem mitreißenden Epos ein. Es sprüht vom wilden Geist seiner Zeit wie von der elektrisierenden Sprache und Bildwelt eines Autors, der zu den sinnlichsten und mutigsten Erzählern englischer Zunge zu rechnen ist.
Über den Autor:
Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. für seine Erzählungen erhielt McCann, der heute in New York lebt, zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award for Irish Literature sowie den Rooney Prize.
Meine Rezension:
Als Philippe Petit am 7. August 1974 auf einem Seil zwischen den Twin Towers des World Trade Centers entlangspazierte, hielten die Menschen in New York den Atem an. Doch während diese Attraktion noch lange Gesprächsthema der Stadt sein wird, ändert sich an diesem Tag auch das Leben der (fiktiven) Menschen, von denen Colum McCann in diesem Roman erzählt. Der irische Priester Corrigan, die Prostituierten Tillie und Jazzlyn (Mutter und Tochter), die betuchte Claire, deren Sohn in Vietnam umgekommen ist, und ihr Mann, der ehrenwerte Richter Solomon, die Künstlerin Lara und der 14-jährige Fernando, der mit seiner Kamera in der Stadt unterwegs ist. Ihr Leben ist auf unterschiedliche Weise mit dem Hochseilartist oder miteinander verknüpft und verläuft danach in neuen Bahnen. McCanns Roman schildert aus unterschiedlichen Erzählperspektiven die Ereignisse im August 1974 und schafft mit zusätzlichen Rückblicken ein Kaleidoskop aus Charakteren und Schicksalen, die mehr oder weniger eng miteinander verwoben sind. Auch wenn die Verbindung auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich ist, alleine McCanns Sprache schafft es, die Figuren wunderbar lebendig werden zu lassen und tief einzutauchen in ihre Welt. Manche Sätze sind so schön und von so einfacher, aber tiefer Bedeutung, dass sie noch lange nachklingen. So wundert es nicht, wenn man auf der letzten Seite von den inzwischen liebgewonnen Figuren Abschied nehmen muss, ein Gefühl von Wehmut zurückbleibt.
Von mir gibt es dafür 9 Punkte!