Barbara Trapido - Der Tempel des Entzückens

  • Titel im Original: Temples of Delight


    Kurzbeschreibung:


    Das behütete Leben der dreizehnjährigen Alice ändert sich schlagartig, als Jem McCrail, der Eltern- und Lehrerschreck, in ihre Klasse kommt. Sie öffnet ihrer neuen Freundin das Tor zu einer unbekannten Welt, dem Reich der Literatur, in dem wie in Jems eigener Geschichte die Grenze zwischen Phantasie und Realität aufgehoben scheint. Doch so schnell, wie Jem gekommen ist, verschwindet sie wieder. Nach vielen Jahren erreicht Alice ein Brief: Die todkranke Jem hinterläßt ihr ein Baby und das Manuskript für einen Roman. Alice widmet sich mit all ihrer Liebe für Jem diesem Vermächtnis. Aber plötzlich taucht der düstere, undurchschaubare Angeletti auf...


    Meine Meinung:


    Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert, wobei der erste das Zusammentreffen von Alice und Jem erzählt und ihre gemeinsame Zeit an der Schule bis zu Jems "Verschwinden". Der zweite Abschnitt spielt einige Jahre später, an dessen Ende Alice endlich einen Brief von der verschollenen Jem erhält, die weiteren Ereignisse werden dann im dritten Teil erzählt.
    Was mir vor allem an diesem Buch gefallen hat, sind die ausdrucksstarke, schöne Sprache und die genauen Charakterisierungen der vorkommenden Figuren. Es ist ein Buch voller skurriler Personen und Begebenheiten, die mit einer ungeheuren Leichtigkeit und Warmherzigkeit geschildert werden und einem bildhaft vor dem Auge stehen. An manchen Stellen jedoch übertreibt es die Autorin mit den skurrilen Aspekten, sie überzeichnet die Figuren und kippt mitunter beinahe ins Groteske, während man halbwegs normale Personen schlichtweg nicht antrifft. Jeder scheint irgendwie außergewöhnlich und extrem zu sein, ob nun positiv oder negativ, Alltäglichkeit sucht man über weite Strecken vergebens. So stellt sich die Frage, ob eine 13jährige tatsächlich so belesen wie Jem sein und so munter aus den literarischen Klassikern zitieren kann; auch im dritten Abschnitt habe ich mitunter mit den Augen gerollt, was aber den Lesespaß nicht wirklich einschränkt - ich war einfach stellenweise ein wenig überrollt von der Phantasie der Autorin. Dies ist aber auch mein einziger Kritikpunkt, und selbst der wiegt nicht schwer, da ich Skurriles sehr gerne mag - es kommt halt auf die Dosierung an.
    Die Entwicklung von der als Kind stotternden und unter Jems Abreise und Unauffindbarkeit leidenden Alice fand ich gut erzählt; zwischendurch ärgerte ich mich immer wieder mal über Alices Angepaßtheit und Unterwürfigkeit und freute mich umso mehr über allmähliche Veränderungen zum Positiven. Sehr schön war auch der stellenweise Humor, der oft aus dem Hinterhalt und völlig überraschend kam und mir doch den einen oder anderen Lacher entlockt hat. Das Ende fand ich einigermaßen vorhersehbar, was aber auch nicht tragisch war.
    Insgesamt ein ansprechendes, ungewöhnliches Werk mit einem tollen Schreibstil, schönen Ausformulierungen und etwas viel an Skurrilität.