Titel: Unruhestifter. Erinnerungen
Autor: Fritz J. Raddatz
Verlag: Propyläen
Erschienen: 2003
Seitenzahl: 494
ISBN-10: 3549071981
ISBN-13: 978-3549071984
Preis: ab 4.95 EUR bei Amazon Marketplace
Ein echtes Juwel der Erinnerungsliteratur. Nichts anderes ist dieses Buch von Fritz J. Raddatz. Der Autor wurde 1931 in Berlin geboren, war von 1953 bis 1958 stellvertretender Cheflektor im Verlag „Volk und Welt“ in Ostberlin, war von 1960 bis 1969 stellvertretender Leiter des Rowohlt-Verlages und von 1977 bis 1985 Feuilletonchef der ZEIT.
Man merkt als Leser mit jedem Satz, das Raddatz genau weiß worüber er schreibt. Da wird dem Leser nicht irgendwelches Viertelwissen von irgendwelchen Pseudo-Insidern vorgesetzt – ganz im Gegenteil: Raddatz nimmt kein Blatt vor den Mund und beschreibt anschaulich und authentisch wie es wirklich im Verlagsgewerbe und in den Redaktionen der Zeitungen zugeht.
Sicher ist Raddatz eitel und manchmal durchaus auch selbstgerecht – aber immer wieder reflektiert er das eigene Verhalten. Unkritisch, gegenüber auch den eigenen Handlungen, ist er nicht. Er nennt Namen und steht eben auch zu eigenen Fehlentscheidungen. Angst vor großen Namen hat er nicht. Gradlinig geht er seinen Weg und lässt die Leser dieser Autobiographie daran teilhaben. Raddatz hat Autorinnen und Autoren entdeckt, sie geprägt ohne ihnen dabei das eigene Selbst zu nehmen, hat die gefördert die fördernswert waren und hat die angespornt, die Ansporn nötig hatten. Stets stand für ihn das eigentliche Wesen der Literatur im Vordergrund. Blender hatten bei ihm keine Chance. Raddatz hatte zweifellos einen „echten literarischen Instinkt“.
Ein Buch mit sehr, sehr viel Power. Raddatz entlarvt beispielsweise Reich-Ranicki als „Literaturstalinisten“ – besser kann man es wirklich nicht ausdrücken. Er findet stets die richtigen Worte, beschreibt anschauend und auch entlarvend. Die Sache der Literatur war und ist ihm ein echtes Anliegen.
Namen bedeuten ihm nichts. Augstein, Gräfin Dönhoff, Harich und auch Hans Mayer, aber andere auch, werden hart rangenommen, müssen sich damit abfinden, dass Mythen zerstört werden. Ein wirklich bemerkenswertes Buch, ein sehr zu empfehlendes Buch, ein Buch das zudem die Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg anschaulich beschreibt und erklärt. Dieses Buch ist mehr als eine normale Autobiographie, es ist vielleicht auch eine teilweise Bestandsaufnahme der zeitgenössischen deutschen Nachkriegsliteratur, es ist ein Anschauungsunterricht über die „gelebte“ Literatur. Ein Buch aber auch über die Liebe zur Literatur.
Unbedingt lesenswert – sollte eigentlich in keinem Bücherschrank f(ehlen)
Edit: Vergessene Textstelle angefügt - danke Seestern für den Hinweis