Sandra Herrler: Roter See

  • Nichts ist wie es scheint. Unter diesem Motto schreibt die Münchnerin Sandra Herrler ihren Psychothriller „Roter See“.


    Als sich die 35jährige Anja Pfeiffer das Leben nimmt, bricht für ihre Familie eine Welt zusammen. Was ist schief gegangen im Leben der dreifachen Mutter, die in einem vermeintlich idyllischen bayerischen Dorf lebte?


    Ihre Schwester Kerstin zieht, nicht ganz ohne Hintergedanken, beim frisch gewordenen Witwer Christian ein und kümmert sich rührend um die Kinder. Doch irgendetwas ist merkwürdig im Haushalt der Pfeiffers. Immer wieder ertappen sie alle den Vater, wie er Selbstgespräche führt und sich eigenartig verhält. Und seine Ausfälle werden immer extremer und bedrohlicher. Trägt er doch die Schuld an der Verzweifelungstat seiner Frau?


    Mein Fazit:


    Nichts ist wie es scheint. Unter diesem Motto schreibt die Münchnerin Sandra Herrler ihren Psychothriller „Roter See“. Und richtig: aus der scheinbaren Familienidylle wird mehr und mehr ein beklemmendes Horrorszenarium. Dabei schleicht sich das Grauen ganz leise heran, und bevor es bemerkt wird, ist es auch schon zu spät. Leider gelingt es Autorin nicht ganz, diese gruselige Grundspannung durch die ganze, am Ende etwas vorhersehbare Gesichte hindurch aufrecht zu erhalten. Trotzdem: Shining lässt grüßen – hier allerdings ohne Happy End.

  • Nichts ist so wie es scheint, dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die komplette Geschichte. Sandra Herrler nimmt ihre Leser mit auf eine Reise, eine Reise in die Abgründe der Gedankenwelt eines Psychopathen. Wie war es wirklich? War Anja doch nicht die perfekte Hausfrau und liebende Mutter, als die man sie kannte? Was ist mit Kerstin, ihrer Schwester? Ist ihr Verhalten wirklich so selbstlos, wie sie es die Außenwelt gerne glauben lassen möchte? Und die wichtigste Frage, ist Christian wirklich so verrückt oder wurde er nur manipuliert?


    Häppchenweise erfährt man immer wieder neue Wendungen, neue Charakterzüge tauchen auf und nichts ist wirklich so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Meint man, die Hintergründe zu kennen und einem Charakter zu glauben, so wird mit Sicherheit seine nächste Handlung den Leser wieder in eine völlig andere Richtung drängen. Nichts ist so, wie es scheint, und nach einiger Zeit ist man auch dermaßen verwirrt, dass man einfach alles glaubt, was uns die Autorin glauben lassen möchte. Und alles ist glaubhaft, hinter der Fassade einer scheinbar glücklichen Familie brodelt es doch gewaltig, jeder könnte so oder so gehandelt haben.


    Leider gibt es auf der Reise zu viele Zwischenstationen. Ständig erfahren wir wieder und wieder die gleichen Gedanken und Zusammenfassungen, Christians Gefühlswelt wird immer verworrener. Aber wieder und wieder sieht und denkt er das gleiche, seine blitzartigen Visionen und Reflexionen fokussieren immer nur das gleiche Thema, nämlich Anja. Er ist nämlich gar nicht so gut mit allem zurechtgekommen, wie alle geglaubt haben. Nach und nach nimmt der Wahnsinn Oberhand, um die Reise endlich zu ihrem bestimmten Ziel zu führen. Leider ist das Buch aber nicht so umfangreich, dass man sich mit den vielen ausführlichen Wiederholungen arrangieren könnte. Passiert dann wieder etwas, fliegen die Seiten wie von selbst. Sandra Herrler gelingt es, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten, man will endlich wissen, wie es ausgeht und wer gewinnt, der Wahnsinn oder doch noch der Menschenverstand. Und getreu dem Motto zerfrisst einen die Spannung, ob denn nun doch wirklich nichts so ist wie es scheint, vielleicht ist es am Ende doch ganz anders.


    Die Geschichte ist sehr realistisch und gut nachzuvollziehen, es könnte tatsächlich so gewesen sein. Alleine schon der Anfang, das Getratsche am offenen Grab lässt einen zusammenzucken und man erkennt die wahre Welt wieder, punktgenau charakterisiert die Autorin hier die angeblich so heile Dorfgemeinschaft. Und diese Punktgenauigkeit verliert sie auch nie, die Personen sind herrlich skurril, dabei aber immer wirklichkeitsgetreu und von jedem Charakter ist etwas vertreten.


    Exorbitant ist allerdings der Preis des Buches. Nur ein Taschenbuch mit gerade einmal 234 Seiten, zwar in guter Qualität, aber nichts Herausragendes. Weder ist die Geschichte außergewöhnlich, noch möchte man das Buch als Schmuckstück in sein Regal stellen. Gerade in den heutigen Zeiten wird man sich bestimmt zweimal überlegen, soviel Geld für so wenige Seiten auszugeben, für eine zwar sehr spannende Geschichte, aber eine relativ unbekannte Autorin. Das Lesevergnügen ist doch recht kurz.