Die Frau des Präsidenten - Curtis Sittenfeld

  • Nun muss ich euch mal mein Highlight der letzten Lesemonate präsentieren.
    Ich habe übrigens die englische Ausgabe des Buches gelesen.
    OT: American Wife


    Über den Autor (von Amazon)
    Curtis Sittenfeld unterrichtet Englisch an der St. Albans School in Washington und ist Absolventin der Stanford University und des Iowa Writers Workshop. Mit 16 erhielt sie ihren ersten namhaften Literaturpreis, ihre Arbeiten sind seitdem unter anderem in der New York Times, Fast Company und der Washington Post veröffentlicht worden.


    Kurzbeschreibung (von Amazon)
    Meisterhaft und einfühlsam schildert die US-Bestsellerautorin den unfreiwilligen Aufstieg einer Frau bis an die Spitze einer Weltmacht, ihre Selbstzweifel und die Widersprüche ihres Lebens. Ein Schlüsselroman für das Amerika von heute. Am wichtigsten Tag der Präsidentschaft ihres Mannes überdenkt Alice den erstaunlichen Weg, der sie ins Weiße Haus führte: Durch einen Unfall im Teenageralter bricht die heile Welt ihrer Kindheit auseinander. Als sie zehn Jahre später Charlie Blackwell begegnet, verliebt sich die überzeugte Demokratin in den charismatischen Leichtfuß aus einflussreichem republikanischem Hause. Als ihr Mann schließlich ins Weiße Haus einzieht, sieht sich Alice in eine Position gedrängt, die sie nie angestrebt hat. Spätestens während seiner umstrittenen zweiten Amtszeit muss sie den Widersprüchen ihres Lebens ins Auge sehen: Was soll sie tun, wenn ihre persönlichen Überzeugungen mit ihrer Rolle in der Öffentlichkeit kollidieren? Und wie kann sie ihren Mann lieben und gleichzeitig so grundlegend anderer Meinung sein?


    Meine Meinung:
    Jeder kennt ihn, jeder hat eine Meinung über ihn, jeder urteilt über ihn.
    George W. Bush war der unbeliebteste amerikanische Präsident seit Nixon und Dauerthema in allen Medien.
    Laura Bush aber, seine Frau, war laut Umfragen genauso beliebt, wie er unbeliebt war. Dennoch wusste niemand wirklich viel über die sehr diskrete Frau, die immer so nett neben dem Präsident lächelte.
    Curtis Sittenfeld hat eine halbfiktive Biografie über Laura Bush geschrieben. Im Buch heißt sie Alice Lindgren und kommt aus Wisconsin. Charlie Blackwell ist der Spross einer sehr reichen, erfolgreichen Familie, einer Familie die nur die besten Schulen besucht und einen hohen, kosmopolitischen Lebensstandard hat. Eine Familie, die die Republikaner nicht nur unterstützt, sondern selbst politisch aktiv ist.
    Alices Familie hingegen ist bürgerlich, sie wächst als Einzelkind in einer Kleinstadt auf, erlebt eine behütete Kindheit, mit ihrer geliebten Großmutter, die sie in die Freuden des Lesens einführt, während ihre Eltern sie so erziehen, wie ein amerikanisches Mädchen erzogen werden soll.
    Ihre Kindheit endet jäh mit 17 - ein Unfall der alles verändert und tiefe Narben in Alice hinterlässt.
    Sie wird Bibliothekarin und ist mit Anfang 30 bereit sich ein eigenes Haus zu kaufen - auch ohne Mann, als sie Charlie begegnet.
    Sie ist leise und höflich, wo er laut und ungezogen ist, sie Demokratin, er Republikaner, sie ist zufrieden mit ihrem Leben, er strebt nach Höherem, und dennoch: es ist die große Liebe.
    Wir erleben mit Alice, wie Charlie sich durchsetzt und begleiten sie, bis zu ihrer Rolle als Frau des Präsidenten.


    Curtis Sittenfeld hat ein großartiges, bewegendes Buch geschrieben. Ihr Stil ist elegant, aber was dieses Buch wirklich so gut macht, ist ihr Verständnis für ihre Protagonisten, ihre Menschlichkeit.


    Dieses Buch ist eine Meditation über menschliche Beziehungen, über die Rollen, die jeder von uns spielt, darüber, dass die Wahrheit viele Seiten hat und dass es oft weder falsch noch richtig gibt. Es ist auch ein Buch, das von Schuld und Macht handelt, über die Entscheidungen die wir treffen und die vor denen wir uns drücken und deren Auswirkungen.


    Sittenfeld ist eine großartige Beobachterin, wir wachsen mit und an Alice.
    Sie hat ein Stück Zeitgeschichte aufgeschrieben, so wie es hätte sein können und ich habe es mit Begeisterung gelesen.
    Dieses Buch ist definitiv ein Roman in dem Sinne, dass Sittenfeld sich künstlerische Freiheiten offen gehalten hat, aber auch in dem Sinne, dass es sehr angenehm zu lesen ist. Es ist keine Aneinanderreihung von Fakten, sondern ein dicker Erzählteppich, der vor uns ausgebreitet wird.
    Jeder von uns kennt das Ende der Geschichte. Das macht aber das Buch nicht minder spannend, mitreissend und wertvoll.


    Ein kluges, spannendes und zutiefst nachdenklich machendes Buch.


    10 von 10 Punkten und höchstwahrscheinlich mein Jahreshightlight.

  • Vielen Dank Cookiemonster für die ausführliche Rezi.
    Anscheinend wird Frau Sittenfeld immer besser, die beiden ersten Bücher von ihr haben mir schon ausgesprochen gut gefallen. Jetzt muss das natürlich auch her :lache

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Die Frau des Präsidenten – Curtis Sittenfeld


    Meine Meinung:
    „Die Frau des Präsidenten“ ist das Portrait einer Frau, die einen Mann heiratet, der später Präsident der USA wird. Ihr Leben wird ausführlich beschrieben, beginnend mit ihrer Jugend in den fünfziger Jahren bis ungefähr zur heutigen Zeit (2008).
    Die Hauptfigur heißt Alice. Obwohl Laura Bush das reale Vorbild darstellt, ist es keine verkappte Biographie und kein Sachbuch, sondern ein Roman, der ein Stück moderne amerikanische Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zeigt.


    Es wird geschildert wie Alice aufwächst, wie sich ihre Werte ergeben. Anfangs war sie Demokratin. Der Tod ihres Jugendfreundes, den sie bei einem Autounfall verschuldet, wirft sie aus der Bahn. Sie hat sogar eine Abtreibung. Später heiratet sie Charles Blackwell, den sie intellektuell zwar überlegen ist, doch dessen Tatkraft besitzt sie nicht. Obwohl Blackwell ein Alkoholproblem hat, wird er mit der Zeit in der Politik eine wichtige Figur und später sogar Präsident.
    Auch Alice lebhafte Tochter Ella ist als Figur gut entworfen.
    Das Buch besticht durch seine Realitätsnähe, dem Einfühlungsvermögen in die Figuren und ihre Zweifel.


    Alice setzt sich sehr für karitative Belange ein: Burstkrebsvorsorge, Aidsvorsorge, Wahlfreiheit bei Abtreibung, Bildung. Dinge, bei denen sie nicht immer im Einklang mit ihrem Mann steht
    Doch als die Kriege beginnen und die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt wird, hat Alice keinen Einfluss. Politisch hat sie nicht das Format, dass die vorherige First Lady hatte, die immer großen Einfluss auf politisch brisante Themen nahm. Eine Frau, die Alice heimlich bewunderte.
    So ist auch politische Passivität ein Thema.
    Erst spät spricht sich Alice auch öffentlich für die Beendigung des Krieges aus.


    Ein ruhiger Roman, der einen geduldigen Leser erfordert.
    Durch den großen Umfang von fast 700 Seiten entsteht ein gründliches Portrait einer Frau, durch die verschiedenen Stadien ihres Lebens aber auch eines Landes. Ein Stück moderne Geschichte!


    Aufgrund der langsamen Erzählweise bleiben mir, subjektiv empfunden, trotzdem nur 7 von 10 Punkten.

  • Meine Rezension:


    Einfühlsam und kurzweilig beschreibt Curtis Sittenfeld die fiktive Lebensgeschichte der ehemaligen First Lady Laura Bush. So ungeliebt ihr Mann George W. Bush am Ende seiner Amtszeit auch war, auf Laura Bush färbte der unaufhaltsame Absturz des letzten US-Präsidenten nicht ab. Curtis Sittenfeld lässt ihrer Protagonistin sehr viel Platz, um aus ihrem Leben zu erzählen. Gespräche, Begegnungen und kleine Begebenheiten werden nahezu episch ausgebreitet, doch dank eines geschliffen-gewandten Stils wird die Erzählung trotz aller Akribie nie langatmig. Der Roman handelt aber nicht nur von persönlichen Erlebnissen, sondern auch von Schuld und Macht, von schweren Entscheidungen und ihren Folgen bis hin zu der Frage, ob es Selbstaufgabe ist, die eigenen politischen Überzeugungen hinter das Funktionieren einer Ehe zurück zu stellen.


    Curtis Sittenfeld ist eine gute Beobachterin und wirft einen aufschlussreichen Blick auf die letzten Jahrzehnte der USA. Ein ebenso beachtlicher wie unterhaltsamer, dicker Wälzer über – die Frau des Präsidenten.

  • Ich lese es gerade, tweedy, und finde mich sowohl in Cookiemonsters großartiger Rezi wieder als auch in Herr Palomars Eindrücken.
    Die ersten 300 Seiten waren zum einen großartig, was die Figurenentwicklung und das Darstellen des Zwischenmenschlichen anbelangt, zum anderen aber auch sehr behäbig und langsam, raumgreifend und episch erzählt.
    Man braucht also schon einen langen Atem und vor allem viel Zeit für diesen Roman.
    Naja, am Wochenende sollte ich mehr zum Lesen kommen. :wave

  • Ich habe es soeben zu Ende gelesen und kann bei meinen obenstehenden Aussagen bleiben: "Die Frau des Präsidenten" ist ein beeindruckender, episch erzählter Roman über eine Frau, die sich über die Unwägbarkeiten des Lebens nur allzu klar ist, die weiß, daß es immer zwei Seiten gibt und daß das Leben nicht schwarz-weiß ist. Es ist ein Roman über Zwischenmenschliches, über Macht und Verantwortung, über Schuld und Sühne und nicht zuletzt über die Liebe.
    Größter Kritikpunkt ist sicherlich der schiere Umfang des Textes: man braucht schon einen langen Atem, um dranzubleiben und die knapp 700 Seiten durchzulesen. Andererseits wird man trotz mancher langatmiger Passagen mit stellenweise fesselnden Passagen und einer großartigen Beschreibung von Alices Entwicklung belohnt.
    Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen und bin der Überzeugung, mit etwas Straffung und Kürzung wäre es ein 10 Punkte-Buch gewesen. So ziehe ich für die Längen ein Pünktchen ab.