Wintermond - Tanja Heitmann

  • Ich muss gestehen, dass ich gar nicht verstehe, warum "Wintermond" so verhalten ankommt . Ich hatte die Rezensionen ja vor dem Buch gelesen, und ging daher mit ganz geringen Erwartungen ran - aber ich wurde äußerst positiv überrascht.


    Man kann der Autorin eigentlich nur "vorwerfen", dass gerade die erste Hälfte des Romans aus zu viele banalen und sich wiederholenden Szenen besteht, in denen Meta und David sich in ihrem Umfeld bewegen. Vieles davon bleibt für die Geschichte bedeutungslos. Dadurch zieht sich das Buch leider ziemlich in die Länge.


    Dagegen stehen interessante Charaktere, die man so noch nicht 1000 mal gelesen hat:
    Meta ist die Schicki-Micki-Tussi, die zwar deutlich spürt, dass sie in ihrer High Society nicht glücklich ist, aber ein wenig Zeit braucht, um dies auch nach außen hin zu zeigen. Sie ist mal kein softes Weibchen - die kann richtig zickig sein. Da hab ich nichts gegen, ich mochte sie.
    David dagegen liegt durch seine Vergangenheit buchstäblich in Fesseln, verleugnet, was ihn ausmacht, und muss sich mit seiner Vergangenheit auseinander setzen, bevor er seinen Status als "Fußabtreter" abstreifen und seinen wahren Platz annehmen kann. David hatte ich richtig gern muss ich zugeben.


    Der Nebencharaktere wurde es etwas viel, die meisten haben keinen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen, dafür bleiben sie dann zu unwichtig. Dafür wurde auch die Geschichte der Antagonisten ausführlich behandelt.
    Ich habe mir oft en paar mehr Szenen zwischen David und Meta gewünscht. Die wenigen, die es gab, haben mich wirklich berührt.


    Eingebettet war die Geschichte in einen schönen, gehobenen Schreibstil.
    Tanja Heitmann legt nicht alles vor dem Leser offen - einiges bleibt der Fantasie überlassen oder nicht vollständig geklärt, aber das empfand ich nicht als Manko.


    Alles in allem habe ich hier weit mehr bekommen, als ich erwartet hatte. Von ein paar zähen und unnötigen Szenen abgesehen, hat mir "Wintermond" super gefallen.
    8 von 10 Punkten

  • Auffallend blaue Augen sind das "Markenzeichen" von Menschen, deren Körper Träger von Wolfsdämonen sind. Sie leben in Rudelgemeinschaften, da der Wolfsdämon Alleinsein nicht aushält. Die Träger, deren Wolfdämonen ihnen übermenschliche Fähigkeiten verleihen, kommen unterschiedlich mit ihrem Dämon zurecht. Die Bedürfnisse sind gleich, die Macht und Kontrolle variiert. David hat solche blauen Augen. Darüberhinaus macht er den Eindruck eines jungen verlotterten Schlägertypen. In abgerissenen Klamotten, mit alten und neuen Verletzungen am Körper und nicht gerade gesprächig trifft er auf Meta. Zwei Welten prallen aufeinander, stoßen sich gegenseitig ab und werden doch auf (vorerst) unerklärliche Weise immer wieder voneinander angezogen.


    In Metas Brust kämpfen zwei Seelen miteinander. Die der wohlerzogenen Galeristin, die sich mit "sogenannten" Freundinnen umgibt, ein mondänes Leben führt und es klaglos erträgt, dass sich ihr standesgemäßer Freund immer mal wieder Auszeiten genehmigt. Und dann ist da noch die kleine unterdrückte Stimme in ihrem Kopf und ihrem Herzen, die Sinn und Wert dieses Lebens hinterfragt. Ungezügelte Leidenschaften haben keinen Platz in Metas Welt, weder in der Liebe noch beim Essen oder auch nur beim Lachen. Glitzernder Schein hat Vorrang vor dem Ausleben des eigenen Ichs. An der Oberfläche passt Meta hervorragend in diese Scheinwelt, aber in ihrem Inneren wird die Kluft immer größer und die Begegnung mit David ist wie ein Katalysator, der ihre unwiderrufliche Verwandlung in Gang setzt.


    Wer mit "Wintermond" übersinnlich-erotische Chicklit lesen will, wie sie seit Biss den Büchermarkt überschwemmt, ist an der völlig falschen Adresse und dürfte enttäuscht sein. Wer sich auf eine literarisch anspruchsvoll geschriebene Geschichte über die Suche nach dem eigenen Ich und das Akzeptieren desselben, verpackt in eine "fantastische" Umgebung, einlassen kann, der wird seine helle Freude damit haben. Ich hatte sie.


    Die sich genüsslich langsam entwickelnde Story mit ihrem neuen "Werwolf"-Ansatz, den wechslenden Perspektiven, Zeitwechseln und interessanten Nebencharakteren (Jannik, Nathannel, Rahel, Emma, um nur einige zu nennen) enthüllt erst nach und nach ihre Geheimnisse. Ihr Hauptaugenmerk liegt nicht auf den Interaktionen zwischen David und Meta, trotzdem sind die Szenen mit den beiden in meinen Augen ausreichend und sehr intensiv. Achja, in der zweiten Buchhälfte kommt noch die erforderliche Prise Gemetzel und Action hinzu, die "Wintermond" perfekt abrundet. ;-)


    Ich lese sehr sehr gerne, sehr sehr viel und schon sehr sehr lange Fantasy und freue mich, endlich wieder einmal eine Autorin gefunden zu haben, die ihren Lesern nicht die übliche, gut verkäufliche, weichgespülte, tausendmal vorgekaute Nullachtfünfzehnkost vorsetzt. Von mir gibt es 9 von 10 Punkten.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Suzann ()

  • Ich kann Suzann nur Recht geben!


    "Wintermond" ist erfrischend anders. Weder die Geschichte noch die sich auf verschiedene Weise entwickelnden Figuren sind austauschbar. Wer böse ist, der darf es in diesem Buch auch sein. Gefahr ist Gefahr.
    Den Wolf-Ansatz gibt es ja nun mittlerweile in den unterschiedlichsten Varianten. Die meisten gleichen einander, und fast immer läuft es darauf hinaus, dass sich der Romanheld in jeder brenzligen Situation verwandelt, umgeben von seiner zerfetzten Kleidung :rolleyes. Dergleichen sucht man hier vergeblich. Es gibt einiges an neuen Ideen, die sprachlich anspruchsvoll umgesetzt sind.


    Ich vergebe 9 Punkte.

  • Auch mir hat "Wintermond" sehr gut gefallen. Mir waren alle Protagonisten sympatisch, eben weil sie anders gezeichnet waren, als in vielen anderen Romanen diesem Genres. Insbesondere David hat mich fasziniert. Er war nicht der tolle Superheld mit mega tollen Fähigkeiten, sondern mußte sich erst noch entwickeln, was für den Leser interessant zu verfolgen war.
    Auch hat mir die Figur des Wolfes sehr gut gefallen, wie meine Vorredner schon erwähnten, war diese mal anders als uns schon durch zig anderen Romanen bekannt ist, aber bestimmt genauso beeindruckend.
    Ich werde sicherlich in naher Zukunft weitere Werke dieser Autorin lesen.
    Ich vergebe 9 von 10 möglichen Punkten.

  • Zitat

    Original von vingela
    Auch mir hat "Wintermond" sehr gut gefallen. ... Ich werde sicherlich in naher Zukunft weitere Werke dieser Autorin lesen.


    Ich habe Morgenrot und Nachtglanz jetzt auch gelesen und fand sie leider nicht mehr so überzeugend. Ihnen fehlt der "Zauber", der mir an Wintermond so sehr gefallen hat...

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