Willa Cathers schlichte Erzählung Die Frau, die sich verlor (Originaltitel Lost Lady) ist ein echtes Kleinod. Wie so oft bei Cather steht eine junge Frau im Mittelpunkt, die nicht so recht in ihre Lebensumstände passen will. Mrs Forrester faziniert ihre Umgebung - vor allem die Männer - durch ihren unkonventionellen Charme, ihre Lebhaftigkeit und ihre Natürlichkeit. Gleichzeitig stösst sie sie durch ihr Verhalten ab, denn sie ist nicht bereit sich in die rigiden Gesellschaftsnormen des spätviktorianischen Westens hineinzupressen.
Aber dies ist nicht das einzige Thema der Erzählung. Cather plaziert ihre Geschichte in eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Der wilde Westen verschwindet und mit ihm das Gefühl, alles sei möglich. Ebenso verschwindet der Gentlemen-Unternehmer, der sich nicht von Profitgier leiten lässt, sondern von einem Gefühl gesellschaftlicher Verantwortung getragen wird. Cathers moralische Überlegungen sind hochaktuell.
Das Thema - die Frau in der Gesellschaft- und auch das feine Gespür für die Manifestation von Standesunterschieden erinnert an Henry James oder T.S. Elliot, die Sprache hingegen lässt sich in ihrer Einfachheit, die manchmal zur Lakonik wird, eher mit Fitzgerald vergleichen. Gerade in seiner Einfachheit besticht Cathers Stil durch seine Präzision und zuweilen fast lyrische Verdichtung. Eva Brückner- Tuckwiller ist es wunderbar gelungen, die Besonderheit von Cathers Sprache ins deutsche zu übertragen - die Übersetzung kann ich - was selten genug passiert - uneingeschränkt empfehlen.
Die Hardcover-Ausgabe von Knaus ist verhältnismäßig teuer, zumal das Nachwort von Sybille Mulot nicht allzu viele zusätzliche Informationen bietet. Trotzdem ist es dem Verlag hoch anzurechnen, dass er ernsthaft darum bemüht ist, diese außergewöhnliche Autorin in Deutschland bekannter zu machen. In Amerika wird sie zu den Großen der klassischen Moderne gezählt und ihr Name steht neben so illustren wie Hemingway und Fitzgerald - und das vollkommen zu recht!
Die Frau, die sich verlor - Willa Cather
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Danke für diese Rezension, Clio. Ich möchte schon länger etwas von Willa Cather lesen und "Die Frau, die sich verlor" hört sich wirklich gut an.
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Ich habe schon einiges von Willa Cather gelesen und Die Frau, die sich verlor hat mir mit am besten gefallen (neben Lucy Gayheart. Es ist bestimmt ein guter Einstieg. Wobei ich sagen muss, dass ich eine Weile gebraucht habe, um die Großartigkeit von Cather würdigen zu können. Ihre Geschichten sind eher unspektakulär (aber auch das macht ihre Besonderheit aus).
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"Lucy Gayheart" wird dann auch auf meiner Wunschliste landen Das hört sich wirklich sehr interessant an und ich bin schon unheimlich gespannt, wie mir ihre Bücher gefallen werden.
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Ich habe "Meine Antonia" hier liegen. Angeblich soll es das beste Buch von ihr sein. Denke ich werde es bald lesen.
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Willa Cather, die einst den Pulitzer-Preis erhielt, wird zu den bedeutendsten Erzählerinnen der amerikanischen Literatur gezählt. In ihrem 1923 erschienenen Roman „Die Frau, die sich verlor“ erzählt sie auf 150 Seiten von Marian Forrester, einer jeden berührenden, vor Lebenslust strotzenden, bildschönen Frau an der Seite eines reichen Mannes. Doch das Glück währt nicht ewig: das Vermögen geht verloren und auch gesundheitlich geht es mit dem Mann bergab. Mehr will ich zum Inhalt gar nicht sagen, da nicht allzu viel passiert, man dennoch gefesselt immer weiterliest.
Cather hat für ihre Zeit eine moderne Art zu schreiben, auch lakonisch und glasklar. Durch die Figur des Niel verfolgt man den Abstieg von Mrs Forrester mit und bringt dieser trotz ihrer Schwächen und Fehltritte doch fast durchgehend Sympathie entgegen.
Der Roman ist angesiedelt an der Schwelle von der Pionierzeit mit ihrer Handschlagqualität und Männern, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind hin zum kapitalistischen Streben nach viel Geld ohne Rücksicht auf Verluste.
Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, für einige Stunden eine nette Lektüre.