Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft

  • Die "ewige Amelie" Audrey Tautou spielt in Anne Fontaines Film "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" die jüngere Gabrielle Chanel, aus der später eine der wichtigsten Modeschöpferinnen des vergangenen Jahrhunderts wurde, zudem eine Ikone der Emanzipation und der weiblichen Selbstbestimmung.


    Leider ist vom "Beginn einer Leidenschaft" während der sehr quälenden 110 Minuten so gut wie nichts zu spüren. Leblos und hölzern zeigt der Film die Anfänge, als Gabrielle mit ihrer Schwester in schmierigen Clubs das Lied vom Papagei "Coco" singt und parallel als Näherin arbeitet. Basierend auf dem biographischen Roman von Edmonde Charles-Roux erlebt der genervte und zunehmend gelangweilte Zuschauer mit, wie Coco auf dem Land als Mätresse eines reichen, aber eigentlich unattraktiven Kerls das Reiten für sich entdeckt und hier und da einen Hut fabriziert. Dann tritt ein anderer, nicht minder unattraktiver Kerl auf den Plan, mit dem sie eine Affäre hat. Der stirbt dann, schließlich geht Coco nach Paris und wird berühmt. Das Geld dafür kommt vom ersten Kerl, der sie - angeblich - plötzlich so richtig liebt.


    Audrey Tautou tapert rehäugig mit ganzen zwei Gesichtsausdrücken als mimisches Repertoire durch das Setting. Aufgeblasene Szenen, an denen sich Ausstatter wahrscheinlich goldene Nasen verdient haben, können nicht davon ablenken, dass hier sehr wenig erzählt wird, und das auch noch extrem unempathisch. Die Motivation der Figur, ihre "beginnende Leidenschaft" wird an keiner Stelle auch nur erahnbar, der Film fühlt sich wie ein Provinzkammerstück an, eine Bildpracht ohne Inhalte. Bis in alle Nebenrollen ist er armselig besetzt. Nervtötende Dialoge und sieben- oder achtmal miterlebbare Ausblenden aus Kussszenen als Ouvertüren für sexuelle Erlebnisse verleihen das Gefühl, eine Wiederholung ein- und desselben zu sehen. Da gibt es keine Entwicklung, keine Interaktion, keine Emotionen, nur blass heruntererzähltes Ausstattungskino ohne Sinn und Verstand. Verschenkt wurde auch die Chance, die revolutionären Aspekte von Chanels Verhalten und Sichtweise herauszuarbeiten; ihre Entscheidungen und ihre Verhaltensweisen werden gezeigt, eigentlich aber nur angedeutet, und dann poltert der Film in die nächste Belanglosigkeit, in den nächsten, fünfminütigen und inhaltsfreien Dialog - den man schon zu kennen glaubt, weil sich nichts bewegt, auch im Kinobesucher nicht. Das hastige Ende bietet den einzigen Moment halbwegs erkennbarer Emotionalität, als Coco Chanel auf einer verspiegelten Treppe sitzt und die Models mit ihrer ersten Kollektion an sich vorbeidefilieren sieht, aber weil Tautous Mimik extrem begrenzt zu sein scheint, tut sich auch hier nichts. Zudem hat der Zuschauer spätestens jetzt das Gefühl, etwas verpasst zu haben - etwas, das der Film allerdings auch nicht gezeigt hat.


    Selbst für Amelie- oder Chanel-Fans eine Hardcorefolter der übelsten Sorte. Langweiliger Mist.

  • Zitat

    Original von Tom
    Selbst für Amelie- oder Chanel-Fans eine Hardcorefolter der übelsten Sorte. Langweiliger Mist.


    Ich habe mir den Film letzte Woche gemeinsam mit einer Freundin angesehen und auch wir waren nicht übermäßig begeistert. Unser erstes Fazit war unter anderem auch, dass das auf gar kein Fall ein Film für Männer ist, da insgesamt ja doch recht wenig passiert .... :grin


    Ich fand es insgesamt nicht ganz so schlimm wie du, Tom, aber begeistern konnte mich der Film in der Tat auch nicht.

  • Hallo, Buzzaldrin.


    Die Frage, ob das ein Männer-, Frauen- oder Allgeschlechterfilm ist, habe ich mir nicht gestellt. Chanel war eine Figur des öffentlichen Interesses, auch wenn sie heutzutage auf Schwarzweißkleider und ein Parfum namens "No. 5" reduziert wird. Ich weiß auch nicht, was die Regisseurin vorhatte - ob sie also einen Frauenfilm, eine Filmographie oder nur eine weitere Verwurstung von Audrey Tautou drehen wollte. Der Film liefert hierfür jedenfalls keine schlüssigen Erklärungen. Vor allem aber ist er stinklangweilig.

  • *autsch*


    Ich denke, ich werde den Film wohl doch eher nicht im Kino ansehen. :grin


    Ich war zwar eigentlich schon gespannt darauf, aber angesichts derart desaströser Kritik reicht es mir vermutlich auch aus, ihn irgendwann einmal im Fernsehen zu sehen... :-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Tom :


    Ein schöner Verriss, der sich, wenn auch weniger drastisch formuliert, in etwa mit dem deckt was ich bislang über den Film gehört habe. Überrascht haben mich nur deine Zeilen zu Tautou, da vor allem ihre schauspielerische Leistung anderswo immer wieder ausdrücklich hervorgehoben wurde, und ihr bei entsprechender Studiokampagne gar Chancen auf eine Oscarnominierung eingeräumt werden.


    Zitat

    Original von Tom
    Audrey Tautou tapert rehäugig mit ganzen zwei Gesichtsausdrücken als mimisches Repertoire durch das Setting.


    "Rehäugig" liest sich bei dir wie eine Krankheit :lache. Was soll sie machen?


    Auch zwei Gesichtsausdrücke können völlig ausreichen, in erster Linie zählt nur ob es der Rolle (in diesem Falle dem realen Vorbild Coco Chanel) entspricht oder nicht. Meine Vermutung, die sich auf den Trailer und andere Kritiken stützt, ist die, daß Tautou ihrer Rolle voll und ganz gerecht wird.


    Keanu Reeves hat z.B. bekanntermaßen das Ausdrucksvermögen von einem Sack Kartoffeln. Für die Matrix-Trilogie war er dennoch oder gerade deswegen die ideale Besetzung.


    Anderes Beispiel: Dev Patel in Slumdog Millionaire. Stand den ganzen Film über wie ein Pfosten im Bild, hat zu seiner Rolle aber wunderbar gepasst.


    Zitat

    Original von Tom
    ...aber weil Tautous Mimik extrem begrenzt zu sein scheint...


    Geschickt formuliert, so das ich hoffe, du beziehst dich wirlich nur auf die Rolle in diesem Film. Wenn ihr filmisches Repertoire auch nicht allzugroß ausfällt, hat sie bislang mehrfach gezeigt, daß sie zu den Besten ihrer Generation gezählt werden muss.


    Zitat

    Original von Tom
    Selbst für Amelie- oder Chanel-Fans eine Hardcorefolter der übelsten Sorte. Langweiliger Mist.


    Hast du denn einen Film à la "Amelie" erwartet, oder warum diese Aussage? Oder meintest du Tautou-Fans, sonst ergibt der Satz für mich wenig Sinn. Anne Fontaine und Jean-Pierre Jeunet haben ja so ziemlich gar nichts gemein, und was Lebendigkeit, Originalität und Elan angeht, kann sich ohnehin kaum jemand mit Jeunet messen.

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

  • Hallo, Voland.


    Die Kritik an der mimischen Ausdrucksfähigkeit von Audrey Tautou in diesem Film bezog sich tatsächlich auch nur auf diesen Film. Vielleicht hat ihr die Regisseurin eingebläut, genau so zu agieren, und möglicherweise hatte Coco auch nur diese zwei Gesichtsausdrücke drauf (fragend interessiert - überheblich gelangweilt). Nicht nur in "Amelie", sondern auch in "Mathilde - eine große Liebe" und in "Zusammen ist man weniger allein" hat sie ja bewiesen, dass sie zu mehr fähig ist. Allerdings ist sie m.E. in "Coco" alles andere als oscarreif. Aber es werden ja auch ständig Bands als die neuen Beatles/Stones/Radiohead/Wasauchimmer angepriesen, die ein halbes Jahr später vergessen sind. :grin


    Meine Schlussbemerkung bezog sich darauf, dass es ja möglich ist, dass echte Tautou-Fans in diesen Film gehen könnten, die sich überhaupt nicht für das Sujet oder die Regiearbeit interessieren. Selbst für die dürfte das eine Enttäuschung sein.

  • Als ich von dem Thema gehört hatte, ein Film über Coco Chanel, wollte ich mir diesen Film eigentlich auch im Kino ansehen. Ich hatte aber auch schon vor Toms Verriss Kritiken gelesen, dass der Zuschauer von diesem Film nicht allzuviel erwarten könnte, der Schwerpunkt liegt außerdem auf der Vorgeschichte, bevor Gabrielle Chanel zu "Coco Chanel" wurde.


    Ich bin ein Fan von Coco Chanel, aber keinewegs von Audrey Tautou (die ist mir zu rehäugig) und ich wollte mir deswegen diese filmische Enttäuschung ersparen.


    Angeblich soll aber mindestens noch ein weiterer Film über Coco Chanel in der Mache sein, habe ich irgendwo gelesen. :gruebel


    .

  • Ich traue mich ja fast gar nicht zu sagen, dass mir der Film sehr gut gefallen hat. Er hat mich so neugierig gemacht auf Coco Chanel, dass ich unbedingt eine Biographie von ihr lesen möchte. Weiss nur noch nicht welche, da es ja mehrere im Angebot gibt.


    Vielleicht denke ich nach dem Buch anders über den Film, aber im Moment gefällt er mir noch sehr gut :grin

  • Ich habe neulich in einer Buchhandlung Die Kunst Chanel zu sein - Coco Chanel erzählt ihr Leben angelesen - mit dem Endergebnis, dass ich es auch gekauft habe. :-)


    Ich werde eine Rezension dazu schreiben, wenn ich es gelesen habe und mir niemand zuvor gekommen ist. Wobei, ich werde so oder so eine Rezension schreiben, egal an wievielter Stelle mein Beitrag dann steht. ;-)

  • Zitat

    Original von Luthien
    Ich traue mich ja fast gar nicht zu sagen, dass mir der Film sehr gut gefallen hat. Er hat mich so neugierig gemacht auf Coco Chanel, dass ich unbedingt eine Biographie von ihr lesen möchte. Weiss nur noch nicht welche, da es ja mehrere im Angebot gibt.


    Vielleicht denke ich nach dem Buch anders über den Film, aber im Moment gefällt er mir noch sehr gut :grin


    Du bist nicht ganz alleine, mir hat er auch sehr gut gefallen. :-)

  • Die Chanel sah ich früher - das muss so um die 40 Jahre her sein - hie und da im TV, bei Interviews und dergleichen. Sie hatte eine faszinierende Physiognomie, schien jedoch immer leicht gereizt zu sein und gab bissige Antworten.


    Vor einigen Jahren las ich eine Biografie über sie. Woran ich mich noch erinnern kann, sie langweilte mich sehr. Sowohl die Biografie, wie auch die Chanel als Person.


    Ich müsste nochmals nachlesen, woran das genau lag, denn das Leben der Chanel war ja eigentlich ein sehr bewegtes. Lag es am Biografen selber oder lag es an der Chanel, dass sie als Persönlichkeit einfach nicht viel hergab?
    Mir kam sie jedenfalls als eine nicht wirklich vielschichtige, eher als eine ziemlich kalte, wenn nicht gar seelenlose Frau rüber, und sowas könnte sich auch auf einen Film auswirken.


    Manchmal begegnet sie mir in anderen Biografien, sie taucht dann auf, wird kurz besprochen, und geht wieder unter, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es scheint mir niemand wirklich an sie herangekommen zu sein von ihren Zeitgenossen. Möglicherweise liessen sie die Menschen, mit denen sie zu tun hatte, kalt, und umgekehrt halt eben auch....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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