Zugegeben, ein wenig habe ich mir dieses Buch meiner voyeuristischen Neigung wegen gekauft: Ich guck mir zu gerne fremde Wohnungen an.
In diesem Bildband werden 50 Familien porträtiert, mit Fotos der Wohnung und der Bewohner sowie kurzen Statements zum Leben im Reihenhaus.
Von blendend weißen Wohnzimmern, die einem OP-Saal alle Ehre machen würden über rustikale Gelsenkirchner-Barock-Einrichtungen bis hin zu mit Kinderspielzeug gefüllten Echtholzmöbeln findet sich offensichtlich alles in deutschen Reihenhäusern, die doch von außen alle gleich aussehen. Und auch die Bewohnerschaft ist buntgemischt, wenn auch wahrscheinlich nicht unbedingt repräsentativ: angolanische Großfamilien und pensionierte Postbeamte, alleinstehende junge Männer und Vater-Mutter-Kind-Familien, Karrieremenschen und einfache Arbeiter.
Und dennoch wirken all diese verschiedenen Wohnungen seltsam monoton. Da der Herausgeber des Buches auch Reihenhausbauunternehmer ist, wird dieses irritierende Detail schnell geklärt: Die Wohnungen sehen trotz aller Unterschiede irgendwie alle gleich aus, weil es eben alles Wohnungen eben jenes Reihenhausbauunternehmers sind.
Und das ist auch das große Manko dieses Buch: streckenweise liest es sich wie eine Werbebroschüre der "Wohnbau Oberriexingen". Alle loben das Leben im Reihenhaus über den grünen Klee. Einträchtig werden trennende Zäune abgerissen (wegen der Kinder) oder errichtet (wegen der Privatsphäre). Alle helfen sich, wenn in den Minigärten noch riesige Gartenhäuschen installiert werden (klar, ohne Keller braucht's so was) oder Rollrasen verlegt wird. Und trotzdem haben nun alle endlich „was Eigenes“. Die Kommentare der Bewohner erinnerten mich teilweise an die Bildunterschriften in kostenlosen Lokalzeitungen:
Ursula, 51; Rüdiger, 40:
„Früher waren wir leidenschaftliche Camper. Inzwischen haben wir das abgelegt, genießen lieber unseren Garten und reisen ohne Bus. Zum Beispiel nach Texel oder Teneriffa. Unser Traumziel ist Bali“, erzählt Ursula, „aber da fahren wir auch noch hin.“ Sorgen über ein allein stehendes Haus macht sie sich nicht. „Wenn wir unterwegs sind, haben die Nachbarn den Schlüssel“, ergänzt ihr Mann Rüdiger. „Gute Nachbarschaft ist wichtig, jeder achtet hier auf jeden. Wenn der Nachbar vier Wochen nicht da ist, mähe ich selbstverständlich seinen Rasen mit.“
Aha, heimelig ist's in der Siedlung, aber andererseits:
Patricia, 46:
Mit ihren Nachbarn wohnt Patricia dicht an dicht. „Ich bin auf dem Dorf groß geworden – da wusste jeder alles über jeden. Hier ist die Privatheit doch viel größer“, findet sie. [...]
Also doch alles sehr privat....
Das sehr interessante Vorwort dagegen geht auf die Entstehung der Reihenhauskultur in Deutschland ein, zeigt das politische Umfeld, in denen bestimmte „Wohnideologien“, von gründerzeitlichen Mietskasernen bis hin zur Idee der Gartenstadt entstanden und umgesetzt wurden und zieht Vergleiche zu den bevorzugten Wohnformen anderer Industriestaaten.
Fazit: auch wenn mich manches streckenweise doch etwas gestört hat, ist dieser Bildband im Großen und Ganzen ein gefälliges Coffee Table Book, in dem ich wohl immer mal wieder blättern werde.