Verglühte Schatten – Kamila Shamsie

  • Verlag: Berlin Verlag
    Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
    September 2009
    Aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer


    Kurzbeschreibung:
    August 1945, Nagasaki. Hiroko Tanaka steht auf ihrer Terrasse. Sie trägt einen Kimono mit drei schwarzen Kranichen auf dem Rücken und denkt an ihre bevorstehende Hochzeit mit Konrad Weiss. Dann, im Bruchteil einer Sekunde, verglüht die Welt. Hiroko überlebt verletzt, die drei Vögel haben sich in ihre Haut gebrannt. Einzig das bleibt als Erinnerung an alles, was sie liebte.
    Auf der Suche nach einem Neuanfang reist sie nach Delhi, wo sie bei Konrads Verwandten, den Burtons, ein neues Zuhause findet und sich in den Inder Sajjad Ashraf verliebt. Doch der Schatten der Geschichte senkt sich abermals auf sie: der Verlust der Heimat, alte Wunden und neue Weltkonflikte prägen im Lauf der nächsten Jahrzehnte das Leben beider Familien auf ihrem Weg von Indien über Pakistan bis nach New York.
    Ein großer epischer Roman, der Generationen, Kulturen und Kontinente umspannt und in dem die politischen Ereignisse von Nagasaki bis Guantanamo das Schicksal der Menschen bestimmen.


    Über die Autorin:
    Kamila Shamsie wurde 1973 in Pakistan geboren und lebt heute in London und Karatschi. Auf Deutsch erschienen von ihr Kartographie (Berlin Verlag 2004, BvT 2005), Verbrannte Verse (Bloomsbury Berlin 2005, BvT 2006), Salz und Safran (Bloomsbury Berlin 2006). Für ihr Werk erhielt sie in England zahlreiche Auszeichnungen.


    Meine Meinung:
    Die Autorin arbeitet in ihrem komplexen Roman umfassend das Thema Konfliktpotentiale zwischen Ländern ab. Der Roman orientiert sich also an bestimmte große Ereignisse wie den Atombombenabwurf auf Nagasaki, die Unabhängigkeit und Teilung Indiens, zunehmende Islamisierung, 09/11 u.a.


    Dabei zeigt sie sowohl politische als auch gesellschaftliche Folgen, vor allem am Beispiel einzelner Personen.


    Im Mittelpunkt steht zuerst die Japanerin Hiroki, die in Nagasaki 1945 die Atombombe überlebt. Doch sie wird verletzt und verliert ihren Geliebten, der aus Deutschland stammt. Nach kurzer Zeit sucht sie die englischen Verwandten ihres Verlobten auf, die sich in Indien aufhalten. Aber auch da sind die Engländer nicht mehr gern gesehen und müssen bald nach England zurückkehren. Hiroki hingegen bleibt bei dem indischen Mann, in den sie sich verliebt hat. Sie gehen nach Pakistan, da sie nach der Teilung Indiens nicht mehr reingelassen werden.
    Ab da gibt es einen Break von über 30 Jahren. Hiroki hat inzwischen Kinder. Die Handlung konzentriert sich bald auf die nächsten Generationen mit den Schwerpunkt auf 1981/1982 und 2001/2002. Da ist besonders der Neffe von Hirokis ersten Geliebten und dessen Tochter Kim sowie Hirokis Sohn Raza zu erwähnen.


    Weiterhin sind es politische Umwälzungen und deren Auswirkungen aufgrund einzelner Geschehnisse, wie zum Beispiel der Anschlag auf die Türme des World Trade Center, die das Schicksal der handelnden Figuren in einem großen Maß bestimmen.


    Kamila Shamsie hat sich viel vorgenommen und erreicht in dem trotz der Komplexität gut lesbaren Roman auch viel. Abstriche zu machen gilt es bei den zeitlichen Brüchen des Romans. Obwohl die Ereignisse dazwischen gut verdeutlicht werden, sind individuelle Veränderungen in so großen Zeiträumen nur noch beschreibend anzudeuten, nicht mehr erzählerisch ausführbar. Trotzdem ist das Ergebnis dieses für den Orange Prize for Fiction nominierten Roman überwältigend und beeindruckend. Selten wurde die Ohnmacht des Einzelnen durch große Ereignisse so gut gezeigt.

  • Uff, mit diesem Buch habe ich ganz unerwartet ein paar Tage gekämpft. Von Kamila Shansie hatte ich Love & Landscape erwartet. Die drei Teile des Buches aus verschiedenen Jahrzehnten standen für mich stark isoliert nebeneinander, von den Auswirkungen der Atombombe auf Hiroshima bis zum Einsatz bezahlter (Blackwater-) Söldner im Afghanistan-Krieg. Dass sich im ersten Teil nicht wie sonst oft Ost und West gegenübertreten, sondern mit Japan und Indien/Pakistan auch Menschen aus unterschiedlichen asiatischen Kulturen, finde ich sehr reizvoll. Leider ist Hiroko so still und zurückhaltend, dass ich mir ihre japanische Sozialisation dazu denken musste und mich der erste Teil weniger angesprochen hat. Die beiden anderen Teile fand ich temperamentvoller.

  • Das Buch subt ja schon eine ganze Weile bei mir. Und dem Umschlag nach habe ich mir in der Tat auch etwas "Fluffigeres" erwartet. Deine Einschätzung, Buchdoktor, lässt es im Stapel weiter nach unten rutschen.

  • Eure Einschätzungen haben mich neugierig gemacht. Ich habe deshalb gerade in eine Leseprobe geschaut und muss sagen, dass mich bereits diese 29 Seiten fasziniert haben. Da es Zeit wird, dass ich auch einmal wieder etwas Zeitgenössisches lese, werde ich mir dieses Buch wohl bald besorgen.

  • Meine Meinung:


    Mir hat „Verglühte Schatten“ von der pakistanischen Autorin Kamila Shamsie wirklich gut gefallen.


    Das Buch ist in vier Zeitabschnitte aufgeteilt und umfasst einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten. Die Autorin spannt dabei einen Bogen vom Abwurf der Atombombe in Nagasaki am 09. August 1945, über die blutige Teilung Indiens in Pakistan und Indien, den Afghanistan-Krieg bis zu den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001.


    An Hand der Familiengeschichte der japanisch-indisch-pakistanischen Familie Ashraf, die verknüpft wird mit der Familiengeschichte der deutsch-englisch-amerikanischen Familie Burton, wird erzählt, wie sich große weltpolitische Ereignisse auf Einzelschicksale auswirken.


    In diesem Roman geht es um Liebe und Freundschaft, um Trauer und Verlust und es geht um religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West. Die Autorin schreibt über diese Themen auf gleichzeitig einfühlsame und spannende Art und Weise. Das hat mich sehr beeindruckt.


    Kamila Shamsie ist ein bewegendes Buch gelungen, dessen Grundton leicht melancholisch ist, denn gerade das Gefühl des Verlusts, ob durch den Tod geliebter Menschen, ob durch den Verlust der Heimat, begleitet die Romanfiguren von der ersten bis zur letzten Seite.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Abstriche zu machen gilt es bei den zeitlichen Brüchen des Romans. Obwohl die Ereignisse dazwischen gut verdeutlicht werden, sind individuelle Veränderungen in so großen Zeiträumen nur noch beschreibend anzudeuten, nicht mehr erzählerisch ausführbar.


    Das habe ich auch so empfunden und mir haben besonders die Jahre zwischen den Zeitabschnitten Pakistan 1982/83 und New York, Afghanistan 2001/02 gefehlt. Es fiel mir dadurch schwer, Raza Ashrafs berufliche Veränderung während dieser Zeit nachvollziehen. Dadurch wirkte der letzte Teil auf mich sehr konstruiert.


    8 von 10 Eulenpunkten!