Ich habe das Buch gestern beendet und bin mehr als positiv überrascht. Da ich vor einigen Wochen erst eine interessante Doku über Kroatien gesehen habe, hatte ich keinerlei Probleme mir das Land vorzustellen (ok, passt nicht ganz, gebe ich zu, aber nah dran)
Da newmoons Rezi sehr ausführlich ist und auch eine ganze Reihe an Dingen kritisiert, möchte ich ihrer Meinung einfach mal meine eignen gegenübersetzen.
ZitatOriginal von newmoon:
Fast alle männlichen Charaktere sind negativ konnotiert. Auch wenn es historisch korrekt sein mag, dass die Stellung der Frau in Südosteuropa zur damaligen Zeit nicht besonders gut war, häuft sich gerade zu Beginn des Romans das Schlechte.
Jedoch soll dies wohl der Funktion dienen ("Schauerroman").
Also, nach meinem Empfinden trifft das so nicht zu. Keiner wird als „reines Scheusal“ dargestellt- es wird immer auch auf gute Seiten eingegangen oder aber die Motive näher beleuchtet. So handeln alle Figuren nachvollziehbar, wenn auch nicht immer entschuldbar. Aber ich finde es immer schwierig meine eigenen moralischen Grundsätze an das Handeln von Personen anzulegen, die vor so einer langen Zeit gelebt haben.
Was mir zudem auffällt: auch Jasna als Frau ist kein Engel: sie handelt häufig vorschnell, hat viele Vorurteile- letztlich ist auch sie ein Mensch wie alle anderen auch.
Die These, dass die negative Konnotation der männlichen Charaktere (sofern sie überhaupt vorhanden ist) der Funktion des Schauerromans dienen soll, halte ich für gewagt. Ich kenne viele der klassischen Schauerromane und habe dort bewusst nirgends so etwas wahrgenommen.
ZitatOriginal von mewmoon:
Es könnte sein, dass die Schwächen des Romans eventuell etwas mit der deadline zu tun haben, da gerade das letzte Drittel des Romas arg gestrafft daherkommt.
Im Übrigen finde ich diese These ebenfalls gewagt- das ist doch reine Spekulation. Zumal ich persönlich keine Straffung bemerkt habe.
ZitatOriginal von newmoon:
Jasna ist mir persönlich als Figur zu selbstbewusst, fast eine Art feministische Heldin.
Dies ist jedoch kein Phänomen der "Totenbraut" allein. In vielen historisierenden Romanen wird eine toughe Heldin heutiger Prägung einfach ein paar Jahrhunderte zurück "gebeamt" ( ich halte dies für ahistorisch, will jedoch nicht das Heimchen am Herd propagieren).
Auch das kann ich so nicht unterschreiben. Selbstbewusst ja, aber deshalb ahistorisch? Immerhin ist sie sich der gesellschaftlichen Zwänge bewusst und bewegt sich trotz allem innerhalb eines gewissen gesellschaftlichen Rahmens.
Auch erfüllt sie in meinen Augen sehr gut die damalige Rolle der Frau- sie trägt den Schlüssel und kümmert sich um den Haushalt. Hätte sie jetzt den dringenden Wunsch gehabt Holzfällerin zu werden (als Beispiel), DANN wäre sie in das „Frau-in-Hosen“ Klischee gefallen, welches viele historisierende Romane transportieren.
ZitatOriginal von newmoon:
Die im Roman vorkommende Hausgemeinschaft wird von der Autrin zunächst als eine Art Gefängnis dargestellt, die sozioökonomische Funktion wird ein bisschen verkannt. Jedoch ändert sich dies, als die Protagonistin doch noch ihre Anerkennung ausdrückt.
Die „sozioökonomische Funktion“ einer Hausgemeinschaft anzuerkennen ist die eine Sache, sich darin wohl zu fühlen eine ganz andere. Ich unterstelle jetzt einfach mal, dass auch wenn Frauen sich jahrhundertelang den gesellschaftlichen Zwängen wie z.B. Zwangsheirat gebeugt haben, dennoch nicht alle mit diesem Schicksal glücklich und zufrieden gewesen sind.
Was die von newmoon kritisierten Formalia angeht, so habe ich nicht das Fachwissen dazu eine Meinung abzugeben. Ich denke aber wir befinden uns immer noch in einem Unterhaltungsroman (ganz egal welchem Genre man das Buch zurechnet) und nicht in einem Fachbuch, insofern finde ich eine gewisse künstlerische Freiheit der Autorin absolut in Ordnung. Zumal man dem Buch sehr deutlich anmerkt, dass es gut recherchiert ist und sich die Autorin (auch aus ihrer eigenen Fachlichkeit heraus) viele Gedanken gemacht hat. Ich finde deshalb den Begriff „historisierend“ auch als recht abwertend- darunter fallen für mich eher Nackenbeißer oder andere Romane, bei denen ein deutlicher Anachronismus dem nächsten folgt. Und das ist im vorliegenden Fall definitiv nicht so.
Mir hat das Buch gut gefallen. Ob man sich dabei gruselt oder nicht, liegt an einem selbst. Ich muß ehrlich sagen- mir hat es am ehesten vor dem Verhalten von Jasnas Mitmenschen gegruselt, denn das Wissen, dass Menschen manchmal tatsächlich so sind schockt mich viel mehr als irgendwelche Vampire oder Vokudlaks.