Der Klappentext von „Das Herz ihrer Tochter“ hört sich viel versprechend an: Eine Frau verliert durch ein Verbrechen ihre Familie, muss lernen damit umzugehen und zugleich entscheiden, ob sie das Herz des Mörders für ihre zweite Tochter annimmt oder sie aufgrund ihrer Herzkrankheit sterben lässt. Der Plot verspricht emotionale Konflikte, ein gutes Thrillerpotential und eine spannende Auseinandersetzung mit Moralfragen.
Während des Lesens merkt man jedoch schnell, dass Junes Geschichte nur den Rahmen für eine ganz andere Thematik bildet, denn eigentlich geht es um Religion, wie man diese definiert und wie sehr sie Menschen beeinflussen kann. Ausschlaggebend dafür ist Shay Bourne, der zur Hinrichtung verurteilte Mörder, der im Gefängnis scheinbar Wunder vollbringen kann: Kranke Menschen werden geheilt, tote Tiere zum Leben erweckt und in den Augen des zuständigen Priesters scheint Shay der wiedergeborene Messias zu sein. Das erinnert uns an irgendwas? Gab’s da nicht mal ein ähnliches Buch oder einen Film? Richtig! Ich wurde während des Lesens den Gedanken nicht los, dass ich bestimmte Eckpunkte der Handlung in ähnlicher Form schon einmal gesehen hatte und zwar in dem Film „The Green Mile“. Auch wenn Picoult nicht eins zu eins kopiert, so gibt es doch einige Parallelen: Im Film wird eine krebskranke Frau durch einen Gefängnisinsassen geheilt. Er erweckt eine tote Maus wieder zum Leben und vollbringt allerhand unerklärliche Wunder – eben so wie es auch Shay Bourne tut.
Diese Abkupferung (ob nun bewusst oder unbewusst) hat mich gestört, vor allen Dingen auch, nachdem ich schon durch die Verschiebung der Thematik etwas enttäuscht war.
Der Schreibstil liest sich zwar flüssig, konnte mich jedoch nicht richtig fesseln. Ich habe verhältnismäßig lange an dem Buch gelesen, obwohl ich mich vorher eigentlich darauf gefreut hatte. Trotz der Perspektivenwechsel zwischen zahlreichen Protagonisten kamen mir nur wenige nahe und June, die Figur mit dem größten emotionalen Potential, wirkt im Vergleich zu den anderen Charakteren eher blass.
Allerdings kann ich nicht abstreiten, dass ich nach ungefähr der Hälfte des Buches doch noch den Drang verspürte, weiter lesen zu wollen. Die Ereignisse werden zum Ende hin ein wenig dramatischer, wodurch zumindest leichte Spannung aufkommt und man schließlich wissen möchte, wie es ausgeht.
Die Wendung am Schluss könnte auch tatsächlich überraschend sein, wenn da nicht so viele Parallelen zu „The Green Mile“ wären. Dadurch konnte ich ahnen, was hinter allem steckt und der Überraschungseffekt blieb weitestgehend aus.
Zusammenfassend bin ich von Picoults neuem Werk also eher enttäuscht, da der Klappentext nicht das hält, was er verspricht, und die Ereignisse und Wendungen für mich beim Lesen nicht neu waren. Wer „The Green Mile“ von Stephen King nicht kennt, könnte jedoch seine Freude an dem Buch finden. Für mich ist es bloß ein mittelmäßiges Lesevergnügen gewesen.