Bundestagswahl am 27 September

  • Hallo, licht.


    Nach dem Zusammenschluss von WASG und PDS hat die entstandene Nachfolgepartei zumindest im Bereich Öffentlichkeitsarbeit eine kluge Kehrtwende hingelegt. Aus der pofigen Ostalgiepartei ist eine bundesweite "linke" Bewegung entstanden, und insbesondere die Trennung vom alten Parteinamen hin zu einem diffusen Etikett hat das ganze salonfähig gemacht. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Partei auf Bundesebene und in einigen Ländern nach wie vor unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Suborganisationen wie die "Kommunistische Plattform", das "Marxistische Forum", "Cuba Si" und andere propagieren offen die Abkehr vom demokratischen Rechtsstaat. Verblüffenderweise nimmt das die Öffentlichkeit kaum wahr. Diese Wahrnehmung zeichnet eher das kuschelige Bild von einer Partei, die "Sozialismus light" auf ihre Fahnen geschrieben hat; man beurteilt auf Basis der Äußerungen von Gysi und Lafontaine, obwohl diese keineswegs die gesamte Partei repräsentieren - nach meiner Beobachtung nicht einmal die Mehrheit der Parteimitglieder. Aber sie sind öffentlichkeitswirksame Zugpferde und politische Stars. Dass viele Wähler keine Programme, sondern Personen wählen, wissen auch die "Linken". Dass sie dabei auch offen Linksextreme mitwählen, wissen die Wähler offenbar häufig nicht. Die Partei ist mindestens teilweise verfassungsfeindlich, und sie ist immer noch Nachfolgerin der SED. Einige Protagonisten haben ja vor nicht allzu langer Zeit sogar öffentlich von den Vorteilen der StaSi geschwärmt.


    Wähler im Westen scheinen zu glauben, eine etwas stärker konturierte, irgendwie linkere SPD vor sich zu haben, und immerhin ist einer der Vorsitzenden ehemaliger SPD-Bundesvorsitzender, das legt diesen Trugschluss nahe. Wähler im Osten halten das für "ihre" Partei, weil sie die einzige (nennenswerte) ist, die ihre Wurzeln eben im Osten hat. Sie missverstehen den Laden als Interessenvertretung der vermeintlichen Einheitsopfer. Es wird das Etikett gewählt, nicht das Programm. Oder eigentlich sogar nur das, was man sich unter dieser Partei vorstellt - und nicht, was sie ist.


    Das ist eine unbehagliche Entwicklung, die einigen sehr schlauen Schachzügen zu verdanken ist. Aber es ist zu spät, dem nicht erfolgten SED/PDS-Verbot hinterherzujammern. Viel besser wäre es, intensiv aufzuklären und gerade mit solchen Leuten zu sprechen, die meinen, "Protestwähler" zu sein, obwohl sie eigentlich die Gegner ihres eigenen Staatsgefüges wählen. Nichts gegen Protest, aber wer "nein" sagt, sollte auch zu einer Alternative "ja" sagen, sonst verpufft der Protest. Oder unterstützt, wie in diesem Fall, die falschen Leute.

  • Zitat

    Original von Tom
    Viel besser wäre es, intensiv aufzuklären und gerade mit solchen Leuten zu sprechen, die meinen, "Protestwähler" zu sein, obwohl sie eigentlich die Gegner ihres eigenen Staatsgefüges wählen. Nichts gegen Protest, aber wer "nein" sagt, sollte auch zu einer Alternative "ja" sagen, sonst verpufft der Protest. Oder unterstützt, wie in diesem Fall, die falschen Leute.


    :write


    Stimmt, sehe ich ganz genau so. Und es bestätigt mein Erlebnis innerhalb "meiner" Generation. Ich finde definitiv ein gesellschaftliches Problem. Meine Beobachtungen gehen in die Richtung, dass die Generation vor mir (also die Baujahre ca. 50-60) zwar das Politikwissen und -interesse von Ihren Eltern mitbekommen haben, es aber nicht an die eigenen Kinder weitergegeben haben. Meinen Freundeskreis klammere ich hier nunmal aus, aber wenn ich den erweiterten Bekanntenkreis zur Analyse heranziehe ist es erschreckend, wie viel politisches Desinteresse und Ignoranz da doch herrscht. Es sind die Leute zwischen Erstwähler und Anfang, Mitte 30, welche dieses Protestwahlergebnis so gestärkt haben.


    Hat irgendwer am Samstag außer mir seine Zeit verschwendet und TV-Total geschaut? Hätte sich gelohnt, denn da wurde die erschreckende Wahrheit schon einen Tag vorher klar.
    Diese, meine Generation läßt sich von Polemik blenden, so traurig das ist.


    Die Frage ist also, WIE wecke ich überhaupt wieder das Interesse und WER klärt auf? Ich mußte mir heute einen Tag Urlaub nehmen um einige Dinge zu regeln, nebenher zappte ich durch das Asi-TV des Mittagsprogramms. Grund gütiger, da muß man doch echt froh sein, daß ich normalerweise im diese Uhrzeit im Büro sitze oder bei irgendwelchen Kunden unterwegs bin, die das auch nicht schauen (können). Wenn das tatsächlich die aktuelle Gesellschaft spiegelt...oh Herr im Himmel :yikes


    Politik muß meiner Meinung nach nicht transparenter werden, sondern die Zielgruppe wieder intelligenter.

  • Hallo, Inso.


    Möglicherweise geht das Wahlverhalten tatsächlich mit der medialen Verblödung, die grenzenlos zu sein scheint, einher. Wenn Deutschland schon pausenlos Superstars sucht, die keine waren, sind oder je sein werden, warum dann nicht gleich Barbara Salesch zur Kanzlerin wählen - Partei egal? Das ist eine rhetorische Frage. Man versteckt sich hinter "Politikverdrossenheit", ohne sich je wirklich für Politik interessiert zu haben, wählt "Protest", ohne sicher sein zu können, diese Form von Protest auch zu wollen (Protestobjekte sind längst nicht mehr nötig, Protest ist zum Selbstzweck geworden), oder wählt die Pappnasen mit den schicksten Frisuren oder lustigsten Brillen. Genau so, wie man fernsieht. Hirn aus, Knöpfchen drücken. Analog: Hirn aus, Kreuzchen machen. "Linksextreme", das ist doch ein Gespenst aus der Vergangenheit. Und ganz so schlimm wie damals werden die neuen Nazis wohl auch nicht sein, schließlich sind sie kinderfreundlich (siehe Aktion "Todesstrafe für Kinderschänder"). Und was schert mich, wer mich regiert, solange ich mein Deppen-TV, Doppelwhopper und genug Gasolin für den 3er habe? Eben. Wähle ich eben irgendwas und nenne mich anschließend stolz "Protestwähler". Als Gewissensberuhigung wird bestenfalls vorher noch der Wahlomat angeklickt, zwanzig Slogans müssen schließlich genügen, um achtzig Millionen Leute regieren zu können.


    Aber die Parteien forcieren diese Entwicklung auch. Mediale Omnipräsenz steht längst weit vor programmatischer Kompetenz. Dass die Wahlen zum politischen DSDS zu verkommen scheinen, passt vielen Politikern gut in den Kram, weil markige Sprüche leichter über die Lippen gehen als visionäre Konzepte. Die öffentliche Aufweichung des politischen Spektrums tut das ihrige. Der vergangene Wahlkampf mit seinen ganzen drei Themen (Atomausstieg, Wirtschaftskrise, Mindestlohn) war Show-Wrestling. Dass der Wähler zurückhaltend reagiert, weil ja sowieso niemand wirklich auf die Nase kriegt, ist aus dieser Perspektive sogar verständlich.

  • Hallo Tom,


    möglicherweise habe ich dich nun falsch verstanden, aber die Verantwortung für dieses Desaster wollte ich ausnahmsweise mal nicht auf die Medien schieben :grin
    Das Fernsehen ist eine Hure, sie liefern doch einfach nur das, was die Zielgruppe will.


    Den schwarzen Peter würde ich also lieber der Zielgruppe direkt zuschieben, denn deren Einstellung ist es, an der gearbeitet werden muss - hier ist die Aufklärungsarbeit dringend notwendig ?(

  • Zitat

    Original von Insomnia
    [quote]Original von Tom
    Politik muß meiner Meinung nach nicht transparenter werden, sondern die Zielgruppe wieder intelligenter.


    :grin Wie willst Du das denn anstellen?


    Vermehren werden sich - ungebremst - hauptsächlich diejenigen, die sich keine Gedanken über irgendetwas machen.


    Junge Leute, die heute eine Familie gründen wollen, zögern und zögern und zögern, wegen Zeitverträgen und sehr schlechter Bezahlung.


    In Deutschland kann man ab dem 7. Kind beantragen, das der Bundespräsident die Patenschaft übernimmt. Wird bei uns auch immer groß in der Zeitung publik gemacht. Tee beim Bürgermeister, 500 Euro (ein Schelm,wer denkt das dies der Beweggrund sei!) und die Patenurkunde. Derselbe Bürgermeister kennt diese Eltern häufig bereits sehr genau über sein Sozialamt, wer die Artikel genauer liest, kann dies dem Text entnehmen.


    Minus x Minus = nicht immer Plus :-(



    :schnellweg bin ich heute wieder kritisch unterwegs :pille

  • Zitat

    Original von dyke


    Warum wird diese Chance jetzt den anderen nicht gewährt ??


    Denen, die 1990 aus der SED ausgetreten sind, gönne ich die gleiche Chance wie denjenigen, die 1945 aus der NSDAP ausgetreten sind.


    Denen, die heute noch immer in der mehrfach umbenannten SED Mitglied sind, traue ich nicht weiter als denen, die sich in der NPD zusammengeschlossen haben.

  • Solange die StasiLeute ihr damaliges Unrecht nicht als solches begreifen, halte ich es für absolut verfehlt, da einfach zur Tagesordnung übergehen zu wollen. Zur Vergebung gehört immer auch die Einsicht in die Schuld.


    edit:
    Tom, aufklären nicht klagen, ganz Deiner Meinung!! Immer wieder deutlich machen, wer die Linken (jedenfalls in unseren Breiten) wirklich sind. Hier in Thüringen ist es Tatsache, dass ehemalige Mitarbeiter des MfS (=Stasi) von der Linken auf die Liste für die Wahl zum Landtag gehievt haben, und zwar auf Plätze, wo man sicher reinkommt. Die SPD steht hier vor der riesigen Problemlage, mit denen koalieren zu sollen, gegen die sie 1989 gekämpft hat.

  • Schaue gerade "Maischberger".


    Wenn man fair urteilt, dann ist es Frau Wagenknecht (leider!) die wirklich versucht zu argumentiereren. Biedenkopf und Vogel wirken alterssenil. Kinkel labert Unsinn wie früher auch schon....


    .... ganz schlimm: Müller-Vogg. Welch ein Sülz-Otto!


    Respekt Sarah Wagenknecht..... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Heute kommen die ersten Verlautbarungen aus der SPD-Ecke, in denen die Rede davon ist, sich auf eine Zusammenarbeit mit der Partei "Die Linke" auf Bundesebene einzustellen. Damit läutet die SPD m.E. ihr endgültiges Ende ein; ich prognostiziere einen mittelfristigen Absturz auf unter zwanzig Prozent. Statt zu sagen: "Wir sind die Linken! Und zwar die guten Linken!" wird die Abgrenzung vollzogen, die Demütigung akzeptiert und das Feld geräumt. Gleichzeitig wird den Marxisten der Ritterschlag erteilt. Lafontaines Rechnung geht auf.

  • Zitat

    Original von Tom
    Heute kommen die ersten Verlautbarungen aus der SPD-Ecke, in denen die Rede davon ist, sich auf eine Zusammenarbeit mit der Partei "Die Linke" auf Bundesebene einzustellen. Damit läutet die SPD m.E. ihr endgültiges Ende ein; ich prognostiziere einen mittelfristigen Absturz auf unter zwanzig Prozent. Statt zu sagen: "Wir sind die Linken! Und zwar die guten Linken!" wird die Abgrenzung vollzogen, die Demütigung akzeptiert und das Feld geräumt. Gleichzeitig wird den Marxisten der Ritterschlag erteilt. Lafontaines Rechnung geht auf.


    Tragisch, ja. Dabei sah alles so gut aus, als Lafo 1999 den Finanzministerposten hinschmiß...


    Aber was soll ich mich beklagen, ist letztlich fast egal, welchen der beiden Hochseedampfer Union oder SPD der kleine Schlepper FDP durch die Untiefen der deutschen Gewässer lotst. :-]