Kurzbeschreibung:
Die Chronik einer musterhaften Familie ist eine aberwitzige, rabenschwarze menschliche Komödie, ein Mosaik aus kleinen und großen Schrecken, Glück und Hoffnung. Über Taunus und Rhön gehen sintflutartige Regenfälle nieder. Sie sind Vorboten eines Orkans, der die Familie Jansen mit aller Zerstörungskraft trifft: Weil Johanna Jansen, die 78-jährige Patriarchin, in ein Wohnstift ziehen will, möchte sie ihre Kinder noch einmal um sich versammeln. Doch der Lebensabend wird für sie zur Sonnenfinsternis: Plötzlich verschwindet ihr Lebensgefährte, und ihr ältester Sohn sieht sich von einer tödlichen Krankheit bedroht, während sein jüngerer Bruder aus der Psychiatrie flieht. Auch Johannas Tochter begibt sich auf eine Reise, die für sie und ihren untreuen Mann zur Tortur gerät, derweil ihr Enkel um die Liebe seines Lebens kämpft. Als die Jansens ein letztes Mal zusammenfinden, ziehen erneut dunkle Wolken auf. Es sind die Schatten des Kleinmuts und der Angst, der Geltungssucht und Lieblosigkeit - die Schatten einer Familie.
Über den Autor:
Peter Henning, geboren 1959 in Hanau, arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist für verschiedene deutsche und Schweizer Zeitungen, Magazine und Rundfunkanstalten. Er hat Romane und Erzählungen publiziert, die verschiedentlich ausgezeichnet worden sind und gleichermaßen von Kritik wie Schriftstellerkollegen Lob ernteten. "Die Ängstlichen" ist sein Hauptwerk, an dem er über fünf Jahre geschrieben hat.
Meine Rezension:
Dies ist die Geschichte einer Familie, oder vielmehr dem, was von einer Familie übrig geblieben ist: Mehrere Einzelkämpfer, die sich nichts zu sagen haben und auch nur leidlich am Leben der anderen interessiert sind. Jede der Hauptfiguren in Peter Hennings neuem Roman hat eigene Probleme, mit denen sie nicht fertig wird, und weder die Kraft noch die Lust dazu, sich mit denen der anderen auseinander zusetzen. Böse formuliert sind sie alle Verlierer, die ein trauriges Leben in einer traurigen Stadt (kann Hanau tatsächlich so trist sein?!?) leben und ihre Situation durch die ihnen vermeintlich verbliebenen Optionen nur noch verschlimmern - sofern das überhaupt möglich ist. Die Bemühungen der Hauptfiguren (Patriarchin Johanna, ihre erwachsenen Kinder Helmut, Ulrike und Konrad sowie Enkel Ben) sind zum Scheitern verurteilt, da es ihnen nicht gelingt, aus dem immer gleichen Trott, den eingefahrenen Gedankengängen und routinierten Handlungen auszubrechen. Behutsamer formuliert haben sie sich alle verloren auf dem Weg ihres Lebens, das von Eintönigkeit, Sehnsucht, Angst und Hilflosigkeit geprägt ist.
Klingt nicht wie eine aberwitzige, rabenschwarze menschliche Kömodie, wie im Klappentext angekündigt? Stimmt. So habe ich die Geschichte auch nicht empfunden. Bei all der Tragik, die sich nicht zuletzt aus dem Normalen, Gewöhnlichen, ergibt, ist natürlich eine gewisse bizarre Komik enthalten, die sich jedoch erst nach dem Lesen herauskristallisiert, wenn alle Handlungsstränge (wenn überhaupt) beendet sind. Der Grundtenor war für mich jedoch durch und durch deprimierend. Durch seine klare und punktgenaue Sprache gelingt es Henning trotzdem das Interesse des Lesers aufrecht zu halten, da sei ihm auch der ein oder andere inhaltliche Holperer verziehen. Dass nicht alle Handlungsstränge aufgeklärt werden, steht in Einklang mit der Geschichte, die als Auszug des Lebens der hier beschriebenen Menschen zu verstehen ist. Ein Auszug, der jedoch durch Rückblicke und Einblicke in das Innenleben ein umfassendes und komplexes Bild der "Ängstlichen" erlaubt. Schade jedoch, dass so manche Zwischensequenz (z.B. bei Konrad) übersprungen wurde, die das Bild der Ereignisse noch hätte vervollständigen können. Was nach dem Lesen bleibt, ist Traurigkeit und Mitleid und das dringende Bedürfnis nach Sonnenschein, einer herzlichen Umarmung von einem lieben Menschen und einem großen Stück Schokolade.
Ich vergebe 7 Punkte.