Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - Hans Fallada

  • Zum Autor:
    Rudolf Ditzen alias Hans Fallada (*1893 in Greifswalde +1947 in Berlin) zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittersgütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit "Der junge Goedeschall". Der vielfach übersetzte Roman "Kleiner Mann - was nun?" machte Fallada weltberühmt.
    Fallada wählte seinen Künstlernamen u. a. nach einem Märchen von den Gebrüdern Grimm, das zufälligerweise zu meinen Lieblingsmärchen gehört: Die Gänsemagd.


    Zum Inhalt:
    "Nicht aus Freude am Abenteuerlichen, nicht als echte Milleuschilderung wirklicher "Unterwelt" wird der Roman geschrieben, sondern um zu zeigen, wie der heutige Strafvollzug und die heutige Gesellschaft den einmal Gestrauchelten zu immer neuen Verbrechen zwingt.........



    Meine Meinung:
    Ich lese zur Zeit sehr viele gesellschaftskritische Romane ala Fallada und erkenne mich immer ansatzweise wieder. Hier beschreibt er sehr glaubwürdig die Auf- und Abwärtstäler eines Straffälligen, ohne Aussicht auf Wiedereingliederung in diese Gesellschaft.
    Ich habe mit dem Protagonisten gefühlt und gelitten, obwohl ich selbst noch nie eine Straftat begangen habe.
    Aber dieses "abgestempelt-sein" habe ich sehr wohl nachvollziehen können. Wie gesagt, war ich nie straffällig, aber ich habe mir die Freiheit genommen und eine Auszeit für die Erziehung meiner Kinder genommen. Und das kommt mir heute teuer zu stehlen. Sowohl beruflich als auch gesellschaftlich. Und das kommt den Erfahrungen eines Strafgefangenen sehr Nahe - wie ich mit Bedauern feststellen mußte.


    Zum Buch: Sehr lesenswert. Flüßig geschrieben und sehr nachvollziehbar.

  • Eigentlich sehr schade das Hans Fallada heutzutage kaum noch gelesen wird, wenigstens ist das mein Eindruck. Er hätte dabei viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Herzlichen Dank für diese Rezi, für dieses an ihn Erinnern. Es scheint wohl an der Zeit zu sein, mal wieder ein Buch von Hans Fallada zur Hand zu nehmen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Charlotte


    Fallada wählte seinen Künstlernamen u. a. nach einem Märchen von den Gebrüdern Grimm, das zufälligerweise zu meinen Lieblingsmärchen gehört: Die Gänsemarkt.


    es heißt: die gänseMAGD! :-) :wave


    gut gefallen hat mir von diesem autor auch:
    ein mann will nach oben.

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Ich habe sowohl Wer einmal aus dem Blechnapf frisst, als auch Ein Mann will nach oben gelesen. Beides in der Schule. Ist aber schon ziemlich lange her. Das zweite wurde doch mal verfilmt, allerdings kenne ich den Film allerdings nicht.

  • vielleicht magst du dann zu dem buch auch eine rezi schreiben.
    hab eben mal geschaut, aber keine gefunden.
    bei mir ist es etwas her, dass ich es gelesen habe...

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • @ idgie:
    als ich mein letztes posting schrieb, war deines noch nicht sichtbar.
    die anfrage nach der mann-rezi war also an charlotte gerichtet, die ja oben angekündigt hatte, das buch evtl. demnächst lesen zu wollen :-)
    schönen sonntag! :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • sorry, drehbuch, ich hatte es auch so verstanden, als wenn du mit deiner Frage Idgie gemeint hattest.


    Sicher werde ich dann auch eine Rezi über "Ein Mann will nach oben" schreiben. Und ich hoffe, die wird dann nicht so ein Schnellschuß wie diese hier ;-). Allerdings mache ich immer sehr große Pausen zwischen Büchern von gleichen Autoren und so werde ich Fallada wahrscheinlich erst wieder in einem halben oder später Lesezeit widmen.


    Übrigens noch eine Anmerkung zu meiner doch recht unvollständigen Rezi weiter oben.
    Ich glaube, daß Falladas Bücher sehr wirklichkeitsnah sind, da der Autor anscheinend aus reichlicher Lebenserfahrung schöpfen kann.


    In dem Roman "Wer einmal aus dem Blechnapf frißt" ist die Titelfigur Kufalt Strafgefangener und übt u. a. nach der Haft den Beruf des Adressenschreibers aus.
    Ebenso wie Fallada, der ebenfalls als Adressenschreiber gearbeitet hat und 1924 zu einer fünfmonatigen Haftstrafe wegen Unterschlagung verurteilt wurde.


    Edit: viele, viele Flüchtigkeitsfehler verbessert

  • Mittlerweile mein drittes Buch von Hans Fallada das ich gelesen habe und es wird ganz gewiss nicht mein letztes von ihm gewesen sein. Erneut hat mich dieses authentische Erzählen eines Zeugen seiner Zeit ans Buch gefesselt und überzeugt. Diesmal ist die Hauptfigur der (Ex-) Gefängnisinsasse Willi Kufalt der sich nach mehreren Jahren im Knast nach der Entlassung in der neugewonnen Freiheit zurechtfinden muss. Wobei "neugewonnen" der falsche Ausdruck ist. Es fühlt sich nicht wie ein Gewinn an wenn er nun versucht ein selbstbestimmtes Leben zu führen und durchs Leben strauchelt. Mit seiner Vorgeschichte bzw. Vorstrafen ist es gar nicht so einfach ein redliches Leben zu führen. Es werden ihm aber auch allerhand Stolpersteine in den Weg gelegt die seinen Freiraum und Entwicklungsmöglichkeiten arg einengen. Ausserdem ist die schwere Zeit zwischen den beiden Weltkriegen im Deutschland der 1930er Jahre und der wirtschaftlichen Krise alles andere als optimal um in der bürgerlichen Gesellschaft dauerhaft Fuss zu fassen.


    Hans Fallada hat in der Zeit gelebt von der er schreibt. Es ist kein angelesenes oder recherchiertes Wissen sondern echtes durch Lebenserfahrung erworbenes Wissen und dies unterscheidet ihn von der grossen Mehrheit der Autoren Historischer Romane. Wie er im Anhang erklärt, musste er sogar fünf Monate im Gefängnis ein Haftstrafe verbüssen und hat da Beobachtungen gemacht, die er in diesen Roman mit einfliessen liess. Die Wahrnehmung eines jeden Lesers ist anders, aber für mich ist diese Geschichte authentisch und die Figuren sind derart waschecht gezeichnet, dass man sie leicht als Originale ihrer Epoche wahrnimmt.


    Hans Fallada hatte die Freiheit, Szenen genau so lange zu schreiben bis er sie für ausreichend auserzählt hielt. Keine konditionierten literarischen Vorgaben seitens des Verlags sondern echtes Erzählen alter Schule ganz auf den Bedarf des Verfassers ausgerichtet. In diesem Fall sind es rund 580 Seiten geworden. Ein paar Längen sind deutlich zu erkennen und ein paar Passagen die es nicht unbedingt gebraucht hätte und ich tue das, was mir innerlich widerstrebt. Ich ziehe dafür Eulenpunkte in der Gesamtwertung ab. Das ist aber ehrlich gemeint und nur ein kleiner Schatten über einer ansonsten tollen Geschichte.


    Keine Ahnung, ob es den Begriff "Volksliteratur" gibt. Falls ja, gehört dieses Buch definitiv dazu. Falls nein, sollte man das Genre für die Werke Falladas erfinden. Keine abgehobene, hochgeistige Ergüsse sondern eher einfach lesbare literarische Kost für die Frau und den Mann aus dem Volke mit Geschichten von den kleinen Leuten aus dem Volke. Lesenswert! Wertung: 8 Eulenpunkte