Maiken Nielsen - Das siebte Werk

  • Titel: Das siebte Werk
    Autorin: Maiken Nielsen
    Verlag: Rowohlt (rororo)
    Erschienen: September 2009
    Seitenzahl: 462
    ISBN-10: 349924943X
    ISBN-13: 978-3499249433
    Preis: 8.95 EUR


    Das sagt der Klappentext zu diesem Buch:
    Hamburg 1892. Im Gängeviertel wird eine Tote gefunden, die auf verblüffende Weise Lili Winterberg, der Tochter des Bestatters, gleicht. Die Polizei verdächtigt Winterberg selbst des Mordes, da die Mordwaffe aus seiner Werkstatt stammt. Die energische Lili macht sich auf, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen – und taucht ein in die dunklen Abgründe ihrer Stadt. Zwei junge Männer – heimliche Konkurrenten um ihre Gunst – unterstützen sie dabei. Und dann ist da auch noch die rätselhafte Magdalena, eine Freundin der Toten, die bald Lilis Vertrauen gewinnt. Doch als Lili endlich das Komplott durchschaut, wartet schon eine neue tödliche Gefahr…….


    Die Autorin:
    Maiken Nielsen wurde 1965 in Hamburg geboren. Einen Teil ihrer Jugend verbrachte sie auf Frachtschiffen. Nach dem Abitur studierte sie in Aix-en-Provence in Frankreich. Heute arbeitet sie als freie Dozentin und als Redakteurin beim NDR.


    Meine Meinung:
    Da staunt man als Leser doch schon etwas und fragt sich verwundert: Wie kann es sein, dass eine 1965 geborene Autorin das Hamburg des Jahres 1892 so anschaulich schildert. Fast möchte man sagen, so authentisch schildert. Steht bei Maiken Nielsen zuhause im Arbeitszimmer eine Zeitmaschine, mithilfe der sie sich mal eben kurz in das Hamburg des Jahres 1892 versetzt hat? Sie schreibt so, als sei sie dabei gewesen. Und was am Ende dabei herausgekommen ist, kann ohne Abstriche als beste Krimiunterhaltung bezeichnet werden. Dieser historische Krimi scheint mit „leichter“ Hand geschrieben worden zu sein, ohne dabei sich jedoch der Oberflächlichkeit hinzugeben. Ganz im Gegenteil. Der Leser erfährt sehr viel über das Hamburg am Ende des 19. Jahrhunderts, die handelnden Personen sind so beschrieben, als hätte sich die Autorin von ihnen persönlichen Anschauungsunterricht über die damalige Zeit geben lassen. Dass bei allem geschichtlichen und topographischen Hintergrund dabei auch noch eine sehr spannende Geschichte herausgekommen ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Dieses Buch ist einfach mehr als nur ein „historischer Kriminalroman“ – es ist auch eine Milieustudie Hamburgs während der Zeit als Hamburg von der Cholera heimgesucht wurde. Besonders gut ist Maiken Nielsen die Beschreibung des Hamburger Gängeviertels gelungen, von dem jetzt leider nur noch einige Reste übrig geblieben sind. Die spannende Geschichte sorgt dafür, dass die Leserin bzw. der Leser Schwierigkeiten hat, das Buch auch nur für kurze Zeit beiseite zu legen. Man will schnell ans Ende der Geschichte gelangen – und ist man dann dort angekommen, bedauert man, dass man schon das Ende erreicht hat. Beste Krimiunterhaltung gepaart mit einigen echten geschichtlichen Hamburgensien, ein Buch auch für den verwöhnten Krimileser. Sehr schön übrigens, die eingestreuten plattdeutschen kurzen Sequenzen in den Unterhaltungen. Dat hebbt mi ne Menge Sposs mogt, mien Deern.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nun ist die Autorin ja eigentlich eine Selbstempfehlung- ich habe dich aber richtig verstanden, dass anders als bei Craig Russell du auch Hamburg so wiedergegeben findest, wie du es kennst und fühlst?

  • Zitat

    Original von beowulf
    Nun ist die Autorin ja eigentlich eine Selbstempfehlung- ich habe dich aber richtig verstanden, dass anders als bei Craig Russell du auch Hamburg so wiedergegeben findest, wie du es kennst und fühlst?


    Natürlich habe ich das Hamburg von 1895 nicht erlebt (in diesem Jahr wurde mein Opa mütterlicherseits geboren) - aber man merkt schon, dass Maiken Nielsen als Hamburgerin über Hamburg schreibt. Sie schreibt so, wie ich dieses Hamburg von "annodunnemals" fühle. Russel schrieb über etwas was er vielleicht kennt, was er aber nicht fühlt. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Auch wenn Hannover meine Stadt ist, so habe ich das Buch wegen deiner Rezi bestellt. :wave Es klingt einfach zu sehr nach meinem Geschmack....


    ....wenn es dir nicht gefällt, dann erstatte ich dir den Kaufpreis - oder ich halte dich in Hannover beim Eulentreffen frei. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Hmmm, sag ich für einen Rotwein, es habe mir nicht gefallen auch wenn das Gegenteil der Fall ist? :grin
    Nein, ich werde ehrlich sein... :wave


    Ich lad dich trotzdem ein..... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


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  • Ich habe gestern abend angefangen, nachdem ich das Buch am Samstag nachträglich zum Geburtstag bekommen habe. Die Seiten fliegen nur so, ich bin schon über die ersten 100 Seiten hinweg. Ich werde berichten, kann mich bisher aber nur positiv äußern.

  • Ich hab das Buch mehr oder weniger gekauft, ohne den Klappentext genau zu lesen. Mir reichte, dass es ein Buch von Maiken Nielsen ist und in Hamburg am Ende des 19. Jahrhunderts spielt. :grin


    Als ich es ausgelesen hatte, und zwar habe ich ziemlich schnell nur mit den nötigsten Unterbrechungen gelesen, war ich zwiegespalten.


    Der historische Hintergrund ist großartig: Hamburg, Ende des 19. Jahrhunderts, dazu die Cholera, die in der Stadt wütet.
    Doch die Personen, hm... Irgendwas hat mich da gestört.


    Es geht um die Familie Winterberg, eine alteingesessene Bestatterfamilie. Diese Berufsart in einem historischen Roman als Hauptfiguren auszuwählen, fand ich ungewöhnlich, aber gut. Mal etwas anderes, und gerade, wenn es viele Tote gibt als Auswirkungen einer schrecklichen Seuche, sollte dieses eine Menge zum Erzählen bieten. Die Einblicke in den Bestatter-Beruf haben mir gut gefallen, so beispielsweise wie jemand mit dem Tod umgeht, der damit sein Geld verdient, aber auch, wenn jemand betroffen ist, den man kennt. Den Gegensatz dazu bildet die Konkurrenz. Thorolf Behnecke und seine "Lieben" machen einfach nur schnelles Geld mit dem Tod.


    Gleich zu Beginn wird der Leser verwirrt: Vor der Haustür der Winterbergs liegt eine Tote, die der Tochter Lili, die gerade in London bei ihrem Bruder weilt, aber täglich zurückerwartet wird, aufs Haar gleicht. Und so ist die Trauer groß. Zugleich begleiten die Leser Lili aber auf ihrer Rückreise. Da war ich erst aus dem Takt gebracht, da auch kein Hinweis auf zeitliche Verschiebungen gegeben war. Doch dann erfahren wir Leser, dass Lili lebt und die Tote eine Unbekannte ist.


    Lili war mir als Hauptfigur nicht wirklich sympathisch. Ihr Handeln erschien mir so manches mal unüberlegt und vielleicht etwas zu naiv. So ging sie nachts durch die Stadt und nicht gerade die belebtesten Wege, und wird prompt überfallen. Doch sie hat ihr Herz am rechten Fleck und ihre Familie geht ihr über alles. Als der Vater als Mörder der unbekannten Toten verhaftet wird, wächst sie über sich hinaus.


    Ganz besonders am Herz lagen mir die beiden Zwillinge Caroline und Carl. In ihrer Freizeit bestatten sie Tiere, die keine Beerdigung bekommen können. Carl ist zudem auch noch krank, aufgrund einer Hirnhautentzündung kann er nicht richtig sprechen, lesen oder schreiben. Caroline beschützt ihn, so gut sie es kann. Doch Lehrer können hart sein...


    Vielleicht lag es an der Hauptfigur Lili, dass ich nicht so ganz zufrieden mit diesem Buch bin. Die Schilderung der Stadt und der Vorgänge rund um den Kriminalfall und die Cholera haben mir jedoch sehr gut gefallen.


    Von mir gibt es 7 Punkte.

  • Ihr Lieben,
    ihr werdet es nicht glauben, aber Maiken Nielsen kennt man auch in NRW. Und uns stört es gar nicht, dass ihre Bücher immer im hohen Norden spielen. Denn obwohl wir auch gern mal was von ihr über die Schlacht von Worringen oder die Schwanenburg in Kleve lesen würden, halten wir ihre Geschichten für so tiefgründig, dass hinter der lokalpatriotischen Seite auch immer eine abstrakte, fast schon globale Seite steckt. Ihr Buch -das siebte Werk- ist nun wirklich kein historischer Roman über Hamburg, finde ich. Es ist ein Werk, dass sich literarisch mit dem wichtigsten Thema des Lebens beschäftigt, nämlich dem Tod und dass zufällig seinen Spielort in Hamburg hat. Übrigens gebe ich zu, dass ich inzwischen in Hamburg lebe und durch Maiken Nielsen meine neue Stadt viel besser verstehe.

  • Einen historischen Roman über die Vorgeschichte des Hamburger Krematoriums zu schreiben ist eine zummindest ungewöhnliche Idee. Maiken Nielsen hat ein historischen Roman geschrieben, auch wenn es um Mord und einiege andere unschöne Verbrechen geht, ist das sicher weniger ein echtes Highlight für Krimileser, mehr eines für Fans des historischen. Auch die Medizinhistorie spielt eine wesentliche Rolle, eine unaufdringliche Liebesgeschichte, eine Familientragödie die Auswandererproblematil zu Enede des 19. Jahrhunderts werden angesprochen, aber auch und gerade die sozialen Verhältnisse der Stadt Hamburg und ihre Auswirkungen auf die Krise. Mir als Nichthamburger ist dabei natürlich die Bemerkung eines Hamburgers, das Flair der Stadt sei authentisch eingefangen sehr wertvoll.


    Ein wunderschönes, sehr empfehlenswertes Buch. Der Name Maiken Nielsen hält mal wieder, was er verspricht.