Susanna Clarke - Jonathan Strange & Mr Norrell

  • Zum Buch (frei übersetzt aus dem Umschlag)


    Vor vielen Jahrhunderten, als es in England noch Magie gab, war der größte aller Zauberer der “Rabenkönig”. Als Menschenkind, das von Feen großgezogen wurde, verband der Rabenkönig die Weisheit der Feen und menschlichen Verstand, und begründete die Englische Magie. Jetzt, am Anfang des 19. Jahrhunderts, ist er nur noch eine Legende, und England mit seinem verrückten König und seinen schneidigen Poeten glaubt nicht mehr an angewandte Zauberei. Bis der zurückgezogen lebende Mr Norrell aus Hurtfew Abbey auftaucht und die Statuen der Kathedrale von York sprechen und tanzen lässt. Die Nachricht über dieses Ereignis verbreitet sich und Mr Norrell geht nach London, um der Regierung im Krieg gegen Napoleon zu helfen. Dort trifft er Jonathan Strange, einen brillanten jungen Zauberer, den er als Schüler aufnimmt. Die beiden begründen eine neue Tradition englischer Magie. Ihre Partnerschaft wandelt sich jedoch bald in Rivalität um. Mr Norrell konnte nie seine Neigung zur Heimlichkeit überwinden, während Mr Strange sich immer besonders von der wildesten, gefährlichsten Magie angezogen fühlen wird. Jonathan Strange fasziniert besonders der Rabenkönig, und seine unermüdliche Verfolgung lang vergessener Magie bedroht nicht nur seine Partnerschaft mit Mr Norrell, sondern alles, was ihm am Herzen liegt.


    Zur Autorin


    Susanna Clarke, 1959 in Nottingham geboren, verbrachte als Tochter eines methodistischen Priesters ihre Kindheit in verschiedenen Orten Nordenglands und Schottlands. Nach ihrem Studium in Oxford unterrichtete sie Englisch in Turin und Bilbao. Bis 2003 war Susanna Clarke Kochbuchlektorin im renommierten englischen Kochbuchverlag Simon & Schuster. 1992 begann sie in einem Haus mit Blick auf die Nordsee an ihrem ersten Roman „Jonathan Strange und Mr Norrell“ zu schreiben. Susanna Clarke lebt mit dem Schriftsteller und Kritiker Colin Greenland in Cambridge.


    Meine Meinung


    Ich musste gestern Nacht unbedingt um drei Uhr noch mal aufstehen, um das Buch zu Ende zu lesen. Meine Meinung? Puh – also so etwas hab ich ja noch nie gelesen, das Buch ist einfach völlig anders. :wow Das Buch spielt in einem Zeitraum von 1806 bis 1817 und die Autorin imitiert den Erzählstil der damaligen Zeit und verwendet (in der englischen Ausgabe) sogar zum Teil veraltete Rechtschreibung, z.B. „chuze“ statt „chose“. Erzählstil und die Sprache erinnert mich ein wenig an Jane Austen, auch wenn das Thema ein anderes ist. Es ist eine Mischung aus Gesellschaftskomödie und Magie und Fantasie. Das Buch sprüht vor Ironie, Sarkasmus und trockenem englischen Humor, spart nicht mit Seitenhieben auf die Gesellschaft und dazu schafft die Autorin eine völlig ungewohnte und andere Art von Magie. Tatsächliche historische Ereignisse und Personen und Fantasie werden geschickt miteinander verwoben.


    Das Buch wird auf eine Art erzählt, als würde man es nicht heute lesen, sondern selbst ein Zeitgenosse sein. Man hat fast das Gefühl, dass man dem Erzähler gegenüber sitzt und der Erzähler geht auch hin und wieder davon aus, dass man selbstverständlich weiß, was zu der Zeit (in der Welt, die die Autorin geschaffen hat) los war. Die Autorin geht allerdings nicht davon aus und streut das Wissen das einem fehlt, geschickt ein. ;-) Der Erzähler selbst hat ein Eigenleben, er mischt sich mit seiner Meinung ein, er spricht den Leser direkt an.


    Die Autorin macht extensiven Gebrauch von Fußnoten. Wann immer ein Buch über Magie erwähnt wird, wird in einer Fußnote der volle Titel, Autor, Erscheinungsdatum und Herausgeber benannt. Auch zu den erwähnten Personen, ob sie nun fiktiv sind oder tatsächlich gelebt haben (Lord Byron) werden über Fußnoten kurze Anmerkungen gemacht. Dann gibt es Fußnoten, die über mehrere Seiten gehen. Zum Beispiel sagt in der eigentlichen Geschichte jemand: „Erinnern Sie sich an die Geschichte des Farmers von Yorkshire…“ und dann wird in einer Fußnote eben diese Geschichte erzählt.
    Oder der Erzähler korrigiert die Protagonisten. Mr Strange sagt irgendwas und der Erzähler schreibt in der Fußnote „Mr Strange bezieht sich hier auf XYZ, allerdings unterliegt er, wie schon viele vor ihm, einem Irrtum. Eigentlich…“ oder „Mr Lascelles übertreibt hier. Der Rabenkönig hatte nie mehr als drei Königreiche“ :lache
    Dadurch bekommt das Buch einen wissenschaftlichen Anstrich, man hat das Gefühl, der Erzähler hat gut recherchiert und weiß, wovon er redet – und zwar besser, als die Beteiligten.


    Das Buch fasziniert mich einfach. Es ist kein Buch, das man mal eben so runterlesen kann, sondern ich musste mich schon ein wenig konzentrieren und hab zwischendurch auch mal eine Pause gemacht und etwas anderes gelesen. Ich hab bis zum Ende nicht gewusst, wohin die Reise geht, ich hätte noch nicht mal sagen könne, was mich hinter der nächsten Wegbiegung erwartet. Ich hab die Geschichte als völlig unvorhersehbar erlebt. :wow


    Wunderschön sind auch die Illustrationen von Portia Rosenberg, die allerdings, so glaube ich, in der deutschen Ausgabe nicht enthalten sind.


    Das Buch gibt es auf englisch in schwarz und weiß (bzw. elfenbeinfarben) als HC für 29 Euro, sowie als broschierte schwarze Ausgabe für 19 Euro. Auf Deutsch, glaube ich, nur in weiß als HC für 29 Euro. Ich war ja zunächst ein wenig enttäuscht, dass die schwarze Ausgabe nicht mehr lieferbar war, als ich das Buch gekauft habe. Inzwischen bin ich aber ganz zufrieden mit meiner hellen Ausgabe, denn der schwarze Rabe auf hellem Grund ist der Banner des Rabenkönigs. ;-) Der Link, den ich angegeben habe, führt zur deutschen Ausgabe.


    Zitat aus dem Buch für Büchereulen


    „It is the task of the book, to bear the words. It is the task of the reader to know what they say.” (Vinculus)


    Lg Iris

  • Puuuuh - das hört sich an, als würde ich bald um 29 Euro ärmer. Oder ich muss mal ganz lieb mit dem Weihnachtsmann reden. :-]


    Einen weiteren Thread über das Buch gibt es übrigens hier


    Habe mittlerweile endlich die englischen Probeseiten gelesen, die man sich beim englischen Verlag runterladen kann. Von der altertümlichen Sprache und der wissenschaftlichen Art des Romans war ich etwas irritiert, aber ich denke, man braucht da etwas länger, um sich einzulesen. Hoffentlich ist die deutsche Übersetzung gelungen!


    Die paar Seiten, die ich lesen konnte und Delfins Rezi haben mich schon soooo neugierig gemacht! Muss mich echt beherrschen, um nicht gleich online zu bestellen *sich selbst auf die Finger klopft!*

  • Zu Delfins Rezi gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen.


    Ich bin leider (oder auch wunderbarerweise noch nicht durch). Woanders habe ich schon mal gesagt, daß das Buch nicht für das "Schnell-mal-10-Minuten-Lesen" geeignet ist bzw. so der Genuß sicherlich eingeschränkt ist. Ich komme mir jedes mal vor, als säße ich vor einem knisternden Kamin an dem auch ein älterer Herr mit Brille sitzt und mir eine wunderbare Geschichte vorliest. Ich denke, das beschreibt auch in etwa die Atmosphäre, die man erlebt, wenn man sich darauf einläßt.


    Vielleicht ist es noch ein bißchen zu früh dafür, aber ich glaube, das ist mein Buch des Jahres 2004.


    Das Buch gibt es übrigens in deutscher Sprache in schwarz und in weiß, leider aber ohne die schönen Illustrationen. Beim schwarzen muß man die Seiten ganz vorsichtig umschlagen, weil sie aufgrund des Farbschnitts ein wenig zusammenkleben (find ich aber durchaus schön), allerdings sieht man Knicke im Schutzumschlag schneller.


    Übrigens Rosenstolz hat an anderer Stelle erwähnt, daß Susanna Clarke demnächst eine Lesung wohl in Stuttgart macht. (Hallo Rosenstolz, kannst Du uns vielleicht mit Datum, Uhrzeit und Ort weiterhelfen?)


    Bye
    Pelican :wave

  • Zitat

    Original von Pelican
    He, das wäre aber ne prima Idee. Ich schreibe dann einfach alle Geschichten, die Du mir dann erzählst auf, dann suchen wir einen Agenten und dann ... :grin


    Bye
    Pelican :wave


    und dann ...


    haben wir 2 Autoren mehr im Forum !! :lache :grin

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Ich hab grad mal in meine Ausgabe von Jane Austens "Emma" geschaut und da ist das Titelblatt der 1. Ausgabe von 1816 abgedruckt, auf dem unten steht: "London: Printed for John Murray. 1816"


    Ob das der gleiche John Murray ist, der 1816 auch "The History and Practice of English Magic" by Jonathan Strange herausgebracht hat?


    :lache


    lg Iris

  • Hallo Zusammen,


    Das klingt gut ! Warum hab ich das erst jetzt entdeckt ?
    Leider ist mein Buchbudged für dieses Monat schon erschöpft. Aber Weihnachten kommt ja noch...

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Ich hab noch nichts von Lord Byron gelesen, aber ich hab ein bisschen im Netz herumgesucht und rat mal, wer sein Buch "Childe Harold’s Pilgrimage" verlegt hat - John Murray. :lache


    Und weisst Du noch als Jonathan Strange für Lord Wellington gearbeitet hat und den Soldaten gefragt hat, was er für die Armee tun könnte und der Soldat meinte, neue Stiefel wären klasse? Ich frag mich ob das eine Anpielung auf Lord Wellington ist, nach dem sind nämlich die Gummistiefel benannt, die in England "Wellington's" heissen.


    lg Iris :wave

  • Nachdem ich das Buch gelesen habe, möchte ich doch noch etwas ergänzen.


    Obwohl in diesem Roman viel passiert, kann man ihn nicht als Reißer bezeichnen. Die Spannung wird sehr subtil aufgebaut und auf einem gleichbleibendem Niveau gehalten, was m. E. aber auch gut zum britischen Understatement und Humor paßt. Spannung im Sinne eines Thrillers entsteht erst auf den letzten ca. 300 Seiten, die man dann gerne in einem Rutsch lesen würde.


    Obwohl ich diesen Roman für sehr gelungen halte, glaube ich nicht, daß er außerhalb Großbritannien den großen Erfolg haben wird, da auch die Zauberwelt, die Susanna Clarke aufbaut zutiefst englisch ist.


    Beeindruckend ist m. E. auch, daß der Roman, obwohl er über eine Zeit von 10 Jahren entstanden ist, sprachlich wie aus einem Guß wirkt und keine Stiländerung im Verlauf zu bemerken ist.


    Wem würde ich den Roman empfehlen?
    Allen, die Autoren wie Charles Dickens und Jane Austen mögen.
    Allen, die britischen Humor mögen.
    Allen, die sich gerne Märchen erzählen lassen.
    Allen, die es zwar noch nie mit Dickens oder Austen probiert haben, aber anglophil sind.


    @ Delfin
    Hast Du noch Ergänzungsvorschläge?


    Viele Grüße
    Pelican :wave

  • [quote]Original von Delfin
    Meine Meinung? Puh – also so etwas hab ich ja noch nie gelesen, das Buch ist einfach völlig anders. :wow [quote]


    Ja, das ist es und außerdem wirklich wunderbar
    und bezaubernd.


    Ich bin mit dem Buch fast durch und immer noch sehr begeistert.
    Vermutlich ist es eines jener Bücher, die ich noch einige Male in
    meinem Leben lesen werde, denn es ist wirklich faszinierend.


    Da ich aber nicht so recht weiß, wie ich das Buch eigentlich
    beschreiben soll, greife ich dazu einfach auf die Aussage von
    Neil Gaiman zurück, denn er bringt es auf den Punkt:


    „Jonathan Strange & Mr. Norrell ist fraglos der beste englische
    phantastische Roman der letzen 70 Jahre. Er ist witzig, anrührend,
    gruselig, unterweltlich, sachlich und voller Zauberei, eine Reise durch
    Licht und Schatten...
    Es ist ein großartiges Buch, angefüllt mit Figuren, denen man mit
    Vergnügen begegnet, und mit Ereignissen und Schauplätzen, die
    man nicht vergisst:
    Von Anfang bis Ende ein großes Lesevergnügen!“


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Oh wie schön, das Buch klingt total schön und ist nun auf meiner Lister der Bücher die ich dieses Jahr lesen will :write ( das muß aber ein langes Jahr sein, denn die Liste wächst:lache )


    Vielen Dank für den Tip:anbet



    LG Gunda:wave