Die Einsamkeit der Primzahlen - Paolo Giordano

  • Rezension:


    Mit seinem Roman "La solitudine dei numeri primi" (dt. "Die Einsamkeit der Primzahlen") ist dem 26-jährigen Autor Paolo Giordano bereits in Italien ein riesiger Erfolg gelungen. Mehr als eine Millionen verkaufter Exemplare und die Auszeichnung mit dem renommiertesten Literaturpreis Italiens, dem Premio Strega, sprechen für dieses Buch. Tatsächlich ist "Die Einsamkeit der Primzahlen" derart eindrucksvoll geschrieben, dass man sich der Besonderheit des Buches von Anfang an bewusst ist.


    Erzählt wird die Geschichte zweier Kinder, die im Laufe des Buches zu Jugendlichen und Erwachsenen heranwachsen. Es handelt sich um Alice und Mattia. Beide stehen aufgrund traumatischer Ereignisse in ihrer Kindheit ein Stück weit neben sich. Im Alter von sieben Jahren erlitt Alice bei einem Skiunfall schwere Verletzungen. Dabei blieben nicht nur körperliche, sondern auch seelische Narben zurück. Mattia hingegen ließ seine geistig behinderte Zwillingsschwester Michela eines Tages in einem Park zurück, weil er allein zu einer Geburtstagsfeier gehen wollte. Bei seiner Rückkehr war Michela verschwunden - für immer!


    Auf diese Weise geprägt leben beide vor sich hin und wissen nicht recht, wie sie ihr Leben meistern sollen. Mattia neigt dazu, sich selbst zu verletzten und Alice beginnt zu hungern und magert zusehends ab. Sie grenzen sich ab und sind meistens für sich allein. Der Umgang mit anderen Menschen ist oft schwierig für Alice und Mattia. Ähnlich jenen Zahlen, die nur durch eins und sich selbst teilbar sind, den Primzahlen, scheinen sie auf weiter Ebene einsam und allein dazustehen.


    Dem Autor gelingt es hier auf erstaunliche Art und Weise die Psyche der Protagonisten darzustellen. Die nüchterne Präzision, mit der Paolo Giordano die Geschichte von Mattia und Alice erzählt, trifft den Leser und berührt ihn zutiefst. Das Verhalten der beiden mutet schon extrem skurril an und dennoch entwickelt man im Laufe des Buches ein immer tieferes Verständnis für sie.


    Lediglich miteinander scheinen Mattia und Alice eine Art Angelpunkt in dieser komplizierten und einsamen Welt zu finden. Nimmt man Mattias Leidenschaft zur Mathematik, speziell den Primzahlen, als Anlass zu einem Vergleich, so kann man sagen: Alice und Mattia sind wie Primzahlenzwillinge. Hierbei handelt es sich um eine ganz besondere Art der Primzahlen - sie werden nur durch eine einzige gerade Zahl getrennt (z.B. 3 und 5; 17 und 19). Folglich sind sich Alice und Mattia so nahe wie möglich und immer noch ein Stück voneinander entfernt. Dennoch brauchen sie einander und können doch nicht richtig miteinander.


    "Die Einsamkeit der Primzahlen" steckt voller außergewöhnlicher Bilder und Vergleiche; eine beeindruckende Sprache voll Poesie verführt zum gebannten Weiterlesen und nicht zuletzt die Geschichte um Alice und Mattia überzeugt den Leser von diesem Buch, das weit aus der Masse hervorsticht.



    Kurzbeschreibung
    »Zum Teufel noch mal, was für ein großartiger Schriftsteller, schon mit 26 Jahren!« Andrea Camilleri


    Ein einziger Tag in ihrer Kindheit, so scheint es, hat über ihr ganzes Leben entschieden. An einem solchen Tag verlor Alice für immer ihre Unbeschwertheit und das Vertrauen zu ihrem halsstarrigen Vater. Mattia hingegen verlor mit sechs Jahren seine Schwester, deren Hilfsbedürftigkeit er ein einziges Mal, für wenige Stunden, missachtet hatte. Seither quälen ihn Schuldgefühle, die er niemandem offenbart.


    Sieben Jahre später lernen Mattia und Alice sich auf dem Gymnasium kennen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden scheint unwiderstehlich. Jeder erkennt im anderen die eigene Einsamkeit. Alice ist der einzige Mensch, dem Mattia wenigstens einmal seinen Schmerz zu offenbaren wagt. Und umgekehrt würde sie nie einen anderen als ihn bitten, das Tattoo von ihrer Haut zu entfernen, mit dem sie ihre inneren Wunden gleichsam übermalen wollte. Doch mit den Jahren werden die Hindernisse, die die beiden einander unbewusst in den Weg legen, höher und höher. Bis sie sich entscheiden müssen.


    In einer ebenso klaren wie poetisch-eindringlichen Sprache erzählt Paolo Giordano die Geschichte von Alice und Mattia, die wie Primzahlzwillinge nahe beieinanderstehen und doch immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben. Komplexe Seelenzustände schildert er so genau, dass sie fassbar werden und uns tief berühren. Paolo Giordano findet unvergessliche Bilder für die verschlungenen Wege, auf denen die Dramen der Kindheit in uns fortwirken. Seine Prosa verwandelt auf magische Weise Schmerz in Trost.


    Ausgezeichnet mit Italiens renommiertestem Literaturpreis - dem »Premio Strega«. Mit 26 Jahren ist Paolo Giordano der jüngste Gewinner aller Zeiten.


    Über den Autor
    Paolo Giordano wurde 1982 in Turin geboren, wo er auch Physik studierte und lehrte. Nach einigen Kurzgeschichten und Auftritten auf Literaturfestivals feierte er mit »Die Einsamkeit der Primzahlen« ein sensationelles Romandebüt. Es war das meistverkaufte Buch Italiens im Jahre 2008. In der über 60-jährigen Geschichte des Premio Strega - des wichtigsten Literaturpreises in Italien - ist er der jüngste Preisträger überhaupt. Sein Roman wurde in 26 Länder verkauft.

  • Ich fand´ das Buch auch sehr beeindruckend. Wenn auch ein wenig schwermütig, weil es sich Alice und Mattia nicht gerade leicht machen.
    Die Sprache ist wunder schön, finde ich, und reißt einen wirklich mit. Die Verbindung zwischen den Figuren und ihren seelischen Zustand konnte man fast greifen, so nah läßt einen die Sprache an die Charaktere ´ran.
    Mich wird es auf jeden Fall noch eine Weile verfolgen, auch, wenn ich mir wirklich noch einen oder zwei Lichtblicke mehr gewünscht hätte.


  • Die Einsamkeit der Primzahlen – Paolo Giordano


    Originaltitel: La solitude dei numeri primi
    Aus dem Italienischen von Bruno Genzler
    Gebundenes Buch, 368 Seiten, August 2009


    Meine Meinung:
    Alice und Mattia sind wie Primzahlenzwillinge. Als Kinder erlebten sie jeweils ein Trauma, dass sie körperlich oder seelisch verwundet zurückgelassen hat. Alice ist gehbehindert und Mattia bleibt durchgängig zurückhaltend und passiv, aber doch selbstzerstörerisch.


    Kriegsschauplatz ist zunächst die Schule, auf der die beiden innerlich zurückgezogen ein isoliertes Schattendasein führen. Immerhin haben beide jeweils für kurze Zeit eine Person, die fast ein Freund sein könnte. Bei Alice ist es die egozentrische Viola, doch die aufkommende Freundschaft verblasst schon nach kurzen. Mattia wird geliebt von seinem Schulkameraden Denis, doch da er dessen homosexuellen Gefühle nicht erwidert, nicht einmal bemerkt, bleibt die Isolation und Alice und Mattia sind die einzigen Fixpunkte füreinander.


    Der Roman ist meinem Empfinden nach in einem ansprechenden Jugendbuchstil geschrieben, der sich hervorragend lesen lässt. Die Melancholie der Protagonisten überträgt sich zwar beim Lesen, doch der Leser hofft sehr für das Paar, die gute Anlagen haben. Alice will Fotografin werden, Mattia ist ein Mathematikgenie und wird nach erfolgreichem Diplomabschluss eine gute Position als Forschender einnehmen können. Dieses Mathematikmotiv ist gut gewählt und lässt sich in diesen Fall auf die Figuren übertragen. Es kommt erst einmal zur Trennung. Die Handlung umfasst 25 Jahre, die Jahre sind abschnittsweise in Kapiteln aufgeteilt und erlauben eine gute Orientierung.


    Paolo Giordano, und mit ihm der Leser, ist dicht dran an seinen sensiblen Figuren. Der Roman ist gut lesbar, ich empfehle ihn!

  • Ich hab das Buch verschlungen :anbet


    Schwer zu sagen, was mir daran am besten gefällt. Die Charaktere, der Schreibstil, die Gedanken & Einfälle,... Und irgendwie... ich konnte mich so gut identifizieren :wow


    Bin immer noch ganz beeindruckt :rolleyes

  • Ich bin gestern mit dem Buch fertig geworden,nachdem ich es regelrecht verschlungen habe und bin sehr beeindruckt.
    Der Roman ist wunderbar geschrieben und melancholisch -mit den Protagonisten konnte man mitfühlen.


    Ich kann mich nur den tollen obigen Rezensionen anschließen. ;-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Habe das Buch letzte Woche beendet.
    3/4 des Buches habe ich aufgewühlt gelesen, musste es oft nach kurzen Kapiteln zur Seite legen und das Gelesene erst mal verdauen. Zu Beginn dachte ich mal, diese Intensität - in jedem Kapitel aufs Neue - diese bestürzenden Erlebnisse der beiden Jugendlichen - in den ersten Jahren eine Aneinanderreihung von Unglück, Einsamkeit und Missverständnissen - kann doch nicht immer auf so hohem Niveau bleiben.
    Und tatsächlich hatte ich dem Schluss zu das Gefühl, dass die Spannungskurve unmerklich etwas abflachte - auch wenn man natürlich bis zum Schluss wissen will, ob sie sich kriegen -


    Dennoch möchte ich diesen Erstling empfehlen, da er auf hohem Niveau in das Innenleben der seelisch verletzten Kinder eintaucht, ihre Ängste und Zwanghaftigkeiten aufblättert, das komplizierte Wechselspiel zwischen Eltern und Kindern durchleuchtet.
    Für mich kein Jugendbuch - eher ein Buch übers Erwachsenwerden und "Unglücke des Lebens" verarbeiten.
    Sehr ergreifend und traurig mit einem zarten Hoffnungsschimmer über Allem.
    9 von 10 Punkten

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • In diesem Buch begleitet der Leser Alice und Mattia von Ihrer Kindheit über ihre Jugendzeit bis zum jungen Erwachsenenalter.
    Alice und Mattia haben in ihrer Kindheit beide ein schweres Trauma erlitten. Alice ist, von ihrem ehrgeizigen Vater gezwungen, bei einem Ski-Kurs so gestürzt, dass sie lebenslang gehbehindert ist, Mattias geistig behinderte Zwillingsschwester Michela verschwand spurlos, als er sie einmal allein in einem Park zurück ließ.


    Paolo Giordano schildert sehr behutsam und intensiv, wie diese Geschehnisse das ganze weitere Leben von Alice und Mattia bestimmen.
    Beide Außenseiter, lernen sich die Jugendlichen auf dem Gymnasium kennen. Sie sind verbunden und gleichzeitig getrennt durch ihre Einsamkeit.
    Schuld- und Versagensgefühle haben bei Alice zu einer Magersucht geführt, Mattia verletzt sich selbst, zeigt zwanghaftes Verhalten und verschanzt sich hinter Schulbüchern.


    Der Leser verfolgt, wie sich die Beiden annähern, als junge Erwachsenen getrennte Wege gehen, um sich dann wieder zutreffen. Niemals jedoch geht das Verbindende verloren, verbunden durch „einen Faden, wie er nur Menschen wie sie beide verbinden konnte: zwei Menschen, die im jeweils anderen die eigene Einsamkeit wiedererkannt hatten.“


    Paolo Giordanos Erzählstil ist sehr beeindruckend. In klarer, schnörkelloser Sprache gelingt es ihm, den Leser am Innenleben der Protagonisten teilhaben und mitleiden zu lassen. Auch wenn man zutiefst von den Worten berührt wird, bleibt Giordanos Sprache nüchtern, er be- und verurteilt nicht.


    Erschüttert erkennt man, was die Hilf- und Sprachlosigkeit der Eltern, das Wegschauen in der Schule aus zwei jungen Menschen macht – lebenslang.


    Zerrissen zwischen Einsamkeit und der Suche nach Liebe stehen Alice und Mattia wie Primzahlzwillinge nebeneinander – wie zwei Primzahlen, die stets durch eine gerade Zahl getrennt sind und sich niemals berühren können.


    10/10 Punkten

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • "Mattia hatte gelernt, dass es Paare von Primzahlen gab, zwischen denen immer eine gerade Zahl stand, die verhinderte, dass sie sich berührten. In Mattias Augen waren sie beide, Alice und er, genau dies: Primzahlen, allein und verloren, sich nahe, aber doch nicht nahe genug, um einander wirklich berühren zu können."


    Giordano erzählt die Geschichte von Alice und Mattia in Zeitsprüngen -anfangs noch Kinder, werden sie zu Jugendlichen und dann zu Erwachsenen.
    Während Alice einen schweren Skiunfall hat, verliert Mattia durch seine Fehlentscheidung seine geistig behinderte Zwillingsschwester Michela.
    Beide stehen seitdem "neben sich", Alice wird magersüchtig und Mattia hat die Neigung zur Selbstverletzung. Außerdem haben beide Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen: Alice ist kurzfristig in der Clique von Viola, welche aber nur ein "falsches" Spiel mit ihr treibt. Mattia ist befreundet mit Denis, welcher in Mattia verliebt ist.
    Bei einer Party lernen sich Mattia und Alice kennen - beide fühlen eine große Anziehungskraft, befreunden sich auch -und dennoch stehen sie allein.
    Mattia hat eine große Leidenschaft: die Mathematik, wo er auch sehr begabt ist. Alice will Fotografin werden.


    Die melancholische Stimmung des Romans überträgt sich auch auf den Leser - was habe ich mitgefühlt und manches Mal hätte ich die beiden auch schütteln können.
    Die Sprache des Romans ist ansprechend und ergreifend - Giordano gelingt es, den Leser zu fesseln.
    Der Roman beschäftigte mich auch im Nachhinein.


    Der Titel des Buches ist vollkommen zutreffend.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich schliesse mich den positiven Meinungen an.
    So ein trauriges, schönes, stellenweise sogar schmerzhaftes Buch.
    Giordano beschriebt ohne Schnörkel Stationen in einer Freundschaft, die von den Geistern der Vergangenheit geprägt ist, so wie es auch die Protagonisten selbst sind.
    Ich habe das Buch gestern beendet und mich immer wieder dabei ertappt, wie ich heute daran dachte - und das werde ich bestimmt noch eine Weile tun, gerade hingesichts des Endes (über das ich sonst nichts verrate).


    10/10 von einer beeindruckten Cookie.

  • Mich wundert ehrlich, daß ein so aussergewöhnliches Buch, von einem noch so jungen, bemerkenswerten Autor, hier so wenig Anklang findet. Ich habe mir den Trailor von Paolo Giordano angesehen, ein sehr symphatischer junger Autor, von dem ich mir noch weitere gute Büche erhoffe.


    Es ist nicht schwer zu lesen, könnte von daher sogar ein Jugendbuch sein, ist dafür aber wohl zu tiefsinnig. Ich kann mir vorstellen, mein 18 jähriger Sohn würde Alice und Matthia als sogenannte "Opfer" bezeichnen (eine Bezeichnung für Schüler, die in der Schule Außenseiter sind) und somit ablehnen, sich mit solch einem Thema zu befassen. Was keinesfalls heißen soll, daß sich kein Jugendlicher mit diesem Thema beschäftigen mag.
    Ich finde es sicher erschütternd, wie die beiden von ihrer Kindheit gezeichnet sind, kann aber deren Gedankengänge und Empfindungen teilweise nachvollziehen, auch wenn mir in meiner Schulzeit die "Opferrolle" zum Glück erspart geblieben ist.
    Ich darf Euch allerdings gestehen, ich bin erst auf Seite 60 und geniesse jeden Satz, lese extra langsam, damit ich bloß alles aufnehmen kann.
    Es gehört mit "Mord im Gurkenbeet" zu den Favoriten des Jahres 2010.
    Deshalb möchte ich Euch das Buch ans herz legen.
    Ich würde mich über weitere Meinungen freuen.


    Grüße
    Anja

  • Bei mir steht es schon ewig auf der WL und wenn ich ein Buch kaufe, ist das hier sicher das nächste, aber ich muss erst abbauen, so hart bin ich zu mir :rolleyes

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • "Die Einsamkeit der Primzahlen" liest sich sehr gut. Obwohl im Grunde nicht viel passiert, versteht es der Autor, ein Höchstmaß an Spannung zu erzeugen. Weitesgehend gelingt es ihm, auf Klischees und Plattitüden zu verzichten. Auch sein wunderbar lockerer, authentischer Erzählstil fesselt, wirkt stimmig und schnörkellos.


    Die beiden Hauptcharaktere - Alice und Mattia - sind nicht gerade 'einfache' Charaktere, denen die Sympathien des Lesers zufliegen, aber Giordano schafft es, sie einem mit viel Einfühlungsvermögen und ohne Affekthascherei näherzubringen.


    Als besonders traurig empfand ich die Lektüre nicht; der Ton ist melancholisch, die Figuren eben so zerrissen und brüchig wie das Leben selbst (also glaubwürdig), und das Ende ist, wenn auch nicht unbedingt befriedigend, so doch als Schlusspunkt gelungen. Ein beeindruckender Roman, den man sich nicht entgehen lassen sollte.


    9/10 Punkte!

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

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  • Rezension


    Nach dem Motto »Es waren zwei Königskinder…« erzählt Paolo Giordano in seinem Debütroman, der 2oo8 mit Italiens renommiertestem Literaturpreis Premio Strega ausgezeichnet wurde, die Geschichte von Alice und Mattia, Königskinder oder eben Primzahlen, die eigentlich zueinander gehören, aber sich einfach nicht finden können.


    Beide Charaktere sind Außenseiter. So sehr Alice auch versucht, dazu zu gehören, es gelingt ihr einfach nicht. Ein Unfall in ihrer Kindheit, für den sie ihrem Vater die Schuld gibt, hat sie nicht nur die Beweglichkeit eines ihrer Beine einbüßen lassen, sondern auch einen tiefen Riss in ihrer Seele verursacht. Ihr Bestreben nach Normalität gipfelt in Magersucht, Ärger mit den Eltern und immer weiteren Demütigungen.
    Mattia hingegen grenzt sich selbst von vornherein aus. Nachdem seine behinderte Zwillingsschwester mit sechs Jahren aus seiner Obhut verschwand, kapselt er sich immer mehr ab und verleiht seinem Schmerz heimlich Ausdruck, indem er anfängt, sich selbst zu verletzten.
    Einzig Alice schafft es, nach und nach zu ihm durchzudringen, auch wenn sie lange nur an der Oberfläche kratzt und nicht ganz klar ist, welche Absichten sie dabei hegt.


    Von 1983 bis 2007 begleitet der Leser Mattia und Alice auf ihrem Lebensweg, den letztlich jeder für sich bestreiten soll, ohne dass der Kontakt zum anderen aber völlig abbricht.
    Hierbei rückt der Autor nicht nur seine Figuren in die Rolle der unglückseligen Primzahlen, sondern gibt auch dem Leser das Gefühl, Mattia und Alice über all die Jahre und Seiten hinweg nur sehr bedingt nahe kommen zu können, obwohl er ihn doch erstaunlich tief in ihre traumatisierte Psyche blicken lässt.
    Giordanos Sprache ist schnörkellos und klar, hält den Leser kühl auf Distanz, ist aber gleichzeitig eindringlich und ruft intensive Bilder hervor, wenngleich diese – bestärkt durch die teilweise großen Zeitsprünge – vielmehr Momentaufnahmen darstellen. Augenblicke, in denen Alice aufdringlich und Mattia zu passiv ist, um sympathisch zu sein – und doch fühlt man mit ihnen und verfolgt ohnmächtig, wie die beiden Helden sich in ihr Unglück manövrieren.


    Auch wenn am Ende ein leichter Hoffnungsschimmer aufglimmt, ist »Die Einsamkeit der Primzahlen« definitiv keine Lektüre für schwermütige Zeiten, denn das ungute Gefühl, dass da etwas völlig falsch läuft, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und lässt den Leser aufgewühlt und vor allem traurig zurück.


    FAZIT: Eine tragische (Liebes)Geschichte, die schon nach den ersten beiden Kapiteln schwer im Magen liegt und trotzdem (oder gerade deshalb) schön zu lesen ist.


    Wertung: 4/5

  • Dieses Buch lässt mich doch einigermassen zerrissen und unsicher zurück. Was soll ich bloss von dieser Geschichte halten? In der einen Minute möchte ich dieses Buch loben in der nächsten kritisieren. Ist es gut weil es mich zum Nachdenken gebracht hat oder sind die vielen fehlenden und übersprungen Jahre und die teilweise plötzlich endenden Episoden der Lebensgeschichte von Alice und Mattia schlecht? Wohl beides, ich denke je nachdem in welcher Gefühlslage sich der Leser dieses Romans befindet wird auch die Wahrnehmung dieser Geschichte ganz unterschiedlich ausfallen. Wir Leser haben es gerne wenn Personen in Romanen ambivalent gezeichnet sind, hier würde ich sogar das ganze Buch als ambivalent beschreiben.


    Es gibt Kinder die als Babys „fremdeln“, manche legen dieses Verhalten ab, andere behalten es ein Leben lang bei. Hier begegnen wir zwei Menschen die gegenüber unbekannten Personen und Situationen stets eine unüberwindbare Scheu zeigen. Durch dieses Verhalten begeben sie sich in eine Einsamkeit in der sie nur mit sich selbst zurecht kommen. Im Verlauf der Erzählung kreuzen sich die Lebenswege der beiden Hauptdarsteller und der Leser merkt das diese beiden menschenscheuen und nach innen gewandten Personen eigentlich zueinander gehören. So wie Primzahlen nur mit sich selbst und durch eins teilbar sind, so sind Alice und Mattia nur mit sich selbst und der einen Personen teilbar die unwiderruflich zu ihnen gehört. Leider liegt zwischen Primzahlen immer mindestens eine Zahl die verhindert das sie sich berühren. Auch hier fügt das Schicksal immer ein Ereignis oder eine Person zwischen die beiden bemitleidenswerten Hauptdarsteller und verhindert das sie zueinander finden.


    Die Erzählung beginnt mit zwei einschneiden Kindheitserlebnissen der beiden Hauptprotagonisten Alice und Mattia die sie für ihr ganzes Leben prägt. Danach überspringt der Autor immer wieder mehrere Jahre und pickt weitere Erlebnisse aus dem Leben der beiden heraus und beschreibt sie durchaus detailgetreu, gefühlvoll und auf sensible Art und Weise. Mit den Zeitsprüngen schafft es der Autor so 25 Jahre der Lebensgeschichte von Alice und Mattia auf 363 Seiten zu erzählen, allerdings bleiben so leider auch immer grosse Lücken zurück.


    Das Buch hat was das mich durchaus fasziniert nämlich die Sprache. Leise, emotional, empfindsam aber manchmal ins rührselige abgleitend. Die einzelnen Episoden aus dem Leben von Alice und Mattia enden immer gleich: tragisch, voller Selbstmitleid und dem Schicksal ergeben. Am liebsten hätte ich den beiden einen Schlag auf den Hinterkopf gegeben und ihnen Feuer unter dem Hintern gemacht und eingetrichtert das Leben mal in die Hand zu nehmen und etwas zu erleben. Himmelherrgottnochmal diese Passivität der beiden ging mir mit der Zeit auf den Keks.


    Fazit: Wie Anfangs schon erwähnt ein leises und gefühlvolles Buch mit offenem Ende das mir einerseits gefallen hat aber andererseits fehlt mir etwas der Wille zur Veränderung der Hauptpersonen. Ausserdem bin ich mir nicht im klaren was die Hauptaussage des Buches sein soll. Ich bin etwas ratlos und unschlüssig wie ich das Buch Werten soll.