Rezension:
Mit seinem Roman "La solitudine dei numeri primi" (dt. "Die Einsamkeit der Primzahlen") ist dem 26-jährigen Autor Paolo Giordano bereits in Italien ein riesiger Erfolg gelungen. Mehr als eine Millionen verkaufter Exemplare und die Auszeichnung mit dem renommiertesten Literaturpreis Italiens, dem Premio Strega, sprechen für dieses Buch. Tatsächlich ist "Die Einsamkeit der Primzahlen" derart eindrucksvoll geschrieben, dass man sich der Besonderheit des Buches von Anfang an bewusst ist.
Erzählt wird die Geschichte zweier Kinder, die im Laufe des Buches zu Jugendlichen und Erwachsenen heranwachsen. Es handelt sich um Alice und Mattia. Beide stehen aufgrund traumatischer Ereignisse in ihrer Kindheit ein Stück weit neben sich. Im Alter von sieben Jahren erlitt Alice bei einem Skiunfall schwere Verletzungen. Dabei blieben nicht nur körperliche, sondern auch seelische Narben zurück. Mattia hingegen ließ seine geistig behinderte Zwillingsschwester Michela eines Tages in einem Park zurück, weil er allein zu einer Geburtstagsfeier gehen wollte. Bei seiner Rückkehr war Michela verschwunden - für immer!
Auf diese Weise geprägt leben beide vor sich hin und wissen nicht recht, wie sie ihr Leben meistern sollen. Mattia neigt dazu, sich selbst zu verletzten und Alice beginnt zu hungern und magert zusehends ab. Sie grenzen sich ab und sind meistens für sich allein. Der Umgang mit anderen Menschen ist oft schwierig für Alice und Mattia. Ähnlich jenen Zahlen, die nur durch eins und sich selbst teilbar sind, den Primzahlen, scheinen sie auf weiter Ebene einsam und allein dazustehen.
Dem Autor gelingt es hier auf erstaunliche Art und Weise die Psyche der Protagonisten darzustellen. Die nüchterne Präzision, mit der Paolo Giordano die Geschichte von Mattia und Alice erzählt, trifft den Leser und berührt ihn zutiefst. Das Verhalten der beiden mutet schon extrem skurril an und dennoch entwickelt man im Laufe des Buches ein immer tieferes Verständnis für sie.
Lediglich miteinander scheinen Mattia und Alice eine Art Angelpunkt in dieser komplizierten und einsamen Welt zu finden. Nimmt man Mattias Leidenschaft zur Mathematik, speziell den Primzahlen, als Anlass zu einem Vergleich, so kann man sagen: Alice und Mattia sind wie Primzahlenzwillinge. Hierbei handelt es sich um eine ganz besondere Art der Primzahlen - sie werden nur durch eine einzige gerade Zahl getrennt (z.B. 3 und 5; 17 und 19). Folglich sind sich Alice und Mattia so nahe wie möglich und immer noch ein Stück voneinander entfernt. Dennoch brauchen sie einander und können doch nicht richtig miteinander.
"Die Einsamkeit der Primzahlen" steckt voller außergewöhnlicher Bilder und Vergleiche; eine beeindruckende Sprache voll Poesie verführt zum gebannten Weiterlesen und nicht zuletzt die Geschichte um Alice und Mattia überzeugt den Leser von diesem Buch, das weit aus der Masse hervorsticht.
Kurzbeschreibung
»Zum Teufel noch mal, was für ein großartiger Schriftsteller, schon mit 26 Jahren!« Andrea Camilleri
Ein einziger Tag in ihrer Kindheit, so scheint es, hat über ihr ganzes Leben entschieden. An einem solchen Tag verlor Alice für immer ihre Unbeschwertheit und das Vertrauen zu ihrem halsstarrigen Vater. Mattia hingegen verlor mit sechs Jahren seine Schwester, deren Hilfsbedürftigkeit er ein einziges Mal, für wenige Stunden, missachtet hatte. Seither quälen ihn Schuldgefühle, die er niemandem offenbart.
Sieben Jahre später lernen Mattia und Alice sich auf dem Gymnasium kennen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden scheint unwiderstehlich. Jeder erkennt im anderen die eigene Einsamkeit. Alice ist der einzige Mensch, dem Mattia wenigstens einmal seinen Schmerz zu offenbaren wagt. Und umgekehrt würde sie nie einen anderen als ihn bitten, das Tattoo von ihrer Haut zu entfernen, mit dem sie ihre inneren Wunden gleichsam übermalen wollte. Doch mit den Jahren werden die Hindernisse, die die beiden einander unbewusst in den Weg legen, höher und höher. Bis sie sich entscheiden müssen.
In einer ebenso klaren wie poetisch-eindringlichen Sprache erzählt Paolo Giordano die Geschichte von Alice und Mattia, die wie Primzahlzwillinge nahe beieinanderstehen und doch immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben. Komplexe Seelenzustände schildert er so genau, dass sie fassbar werden und uns tief berühren. Paolo Giordano findet unvergessliche Bilder für die verschlungenen Wege, auf denen die Dramen der Kindheit in uns fortwirken. Seine Prosa verwandelt auf magische Weise Schmerz in Trost.
Ausgezeichnet mit Italiens renommiertestem Literaturpreis - dem »Premio Strega«. Mit 26 Jahren ist Paolo Giordano der jüngste Gewinner aller Zeiten.
Über den Autor
Paolo Giordano wurde 1982 in Turin geboren, wo er auch Physik studierte und lehrte. Nach einigen Kurzgeschichten und Auftritten auf Literaturfestivals feierte er mit »Die Einsamkeit der Primzahlen« ein sensationelles Romandebüt. Es war das meistverkaufte Buch Italiens im Jahre 2008. In der über 60-jährigen Geschichte des Premio Strega - des wichtigsten Literaturpreises in Italien - ist er der jüngste Preisträger überhaupt. Sein Roman wurde in 26 Länder verkauft.