'Der Orchideenpalast' - Seiten 137 - 298


  • :write


    Alan gefällt mir immer weniger (er kämpft weder für seine Geliebte, noch für seine Tochter), wobei die Frauencharaktere an Schärfe zu nehmen. Lyavinia gefällt mir sehr gut, wobei auch Melissa weiß, was sie möchte - sehr zum Ärger ihres Vaters! Ihre Mutter hingegen bleibt mir fremd - sie ist mir einfach zu uninteressiert ihrer Tochter gegenüber.


    Schön fand ich die wechselnden Perspektiven. So kann ich die Gefühle der einzelnen Personen besser einschätzen. :wave

  • Würdet Ihr Edward ohne Prolog genauso hart verurteilen?


    Ich finde ihn ein Produkt seiner Zeit, sehr glaubwürdig geschildert, ein Typ der kein englischer Gentleman ist, aber versucht einer zu sein und wie einer zu handeln und zu Leben. Ein Typ, dem das Leben hart zugesetzt hat und der gelernt hat hart zurückzuschlagen. Einer der weiß was er will und es sich einfach nimmt. Wir wissen von ihm aber, dass er dabei auch in seiner Zeit gezogene Grenzen überschreitet- jenen geheimnissvollen Geschäfte sind sicher nicht nur seinerzeit illegal und rufschädigend- wir wissen also, dass er buchstäblich über Leichen geht. Prägt das nicht das Bild? Seine Handlungen und Motive 1847 sind mir jedenfalls nachvollziehbar und sind sozialadäquat, inklusive seines nach unseren heutigen Massstäben unvertretbaren Sexualverhaltens oder seiner Gewalt gegenüber Kindern.

  • @Beo, ich denke auch, Edward sieht sich als Patriarch der Familie, egal was vorher war oder sein wird.


    Des Weiteren versucht er mit aller Macht sämtliche Fäden in der Hand zu behalten und dazu sind ihm sämtliche Mittel recht oder wie man so schön sagt, er ist mit allen Wassern gewaschen. :schlaeger

    Wenn du ein Gärtchen hast und eine Bibliothek, so wird dir nichts fehlen. "
    Marcus Tullius Cicero

  • Was mir hier positiv aufgefallen ist - und was ich sonst in der Form noch nicht wirklich in anderen Büchern entdeckt habe ist die Erzählstruktur der Autorin. Der Leser ist mit jeder Figur in deren Vergangenheit gereist und hat somit die Geschehnisse aus deren Sicht erlebt, und ihre Gedanken und Gefühle dabei erfahren. :fingerhoch

  • Zitat

    Original von WaterPixie
    Was mir hier positiv aufgefallen ist - und was ich sonst in der Form noch nicht wirklich in anderen Büchern entdeckt habe ist die Erzählstruktur der Autorin. Der Leser ist mit jeder Figur in deren Vergangenheit gereist und hat somit die Geschehnisse aus deren Sicht erlebt, und ihre Gedanken und Gefühle dabei erfahren. :fingerhoch


    Das kann ich nur bestätigen. Es ist wirklich sehr selten in Büchern, daß der Leser jede Figur zu kennen glaubt - und auch ihre Gedanken teilt. :wave

  • Zitat

    Original von beowulf
    Würdet Ihr Edward ohne Prolog genauso hart verurteilen?


    Ich finde ihn ein Produkt seiner Zeit, sehr glaubwürdig geschildert, ein Typ der kein englischer Gentleman ist, aber versucht einer zu sein und wie einer zu handeln und zu Leben. Ein Typ, dem das Leben hart zugesetzt hat und der gelernt hat hart zurückzuschlagen. Einer der weiß was er will und es sich einfach nimmt. Wir wissen von ihm aber, dass er dabei auch in seiner Zeit gezogene Grenzen überschreitet- jenen geheimnissvollen Geschäfte sind sicher nicht nur seinerzeit illegal und rufschädigend- wir wissen also, dass er buchstäblich über Leichen geht. Prägt das nicht das Bild? Seine Handlungen und Motive 1847 sind mir jedenfalls nachvollziehbar und sind sozialadäquat, inklusive seines nach unseren heutigen Massstäben unvertretbaren Sexualverhaltens oder seiner Gewalt gegenüber Kindern.


    Eine sehr gute Frage Beo.


    Ich finde, durch das Voranstellens des Prologs wird der Roman ein Stück weit zur Charakterstudie Edwards und ermöglicht erst, daß man seine Rolle von Beginn an unter einem anderen Licht betrachtet.

  • Illusionen heißt dieser Abschnitt, ich bin gespannt, was sich dahinter verbirgt. Einen besonders starken Eindruck auf den ersten Seiten hat bei mir dieses Leben im Müßiggang hinterlassen, das Melissa lebt. Ich kann so gut nachvollziehen, dass sie anderes erleben möchte. Gleichzeitig habe ich das Gefühl einer permanenten Anspannung, einer Unbeweglichkeit, die sich irgendwann entladen muss. Auch in diesem Abschnitt wiederholt sich dieses Bild des Düsteren, das im Schönen steckt. So heißt es über Hayden: „Er hatte eine Schwäche für den Dschungel, der von außen betrachtet die Illusion von immenser Schönheit gab, von innen jedoch düster war, beinahe furchteinflößend.“
    Im Prinzip könnte man das auch über Zhilan Palace und die Tamasins sagen: Von außen schön, von innen furchteinflößend.
    Interessant im weiteren, dass sowohl Melissa als auch Alan Hayden gegenüber ihre Wünsche äußern. Interessant überhaupt, dass Wünsche geäußert werden. Melissa sehnt sich danach, die Welt jenseits der ausgetretenen Pfade kennen zu lernen und das wird sicherlich noch Folgen haben.
    Grinsen musste ich an folgender Stelle: „Ich meine, sogar ihre Kleider gehen in den Besitz meines Bruders über. Kannst du dir vorstellen, dass er dafür Verwendung hat?“
    Alan in Lavinias Kleidung, nun ja. :lache


    Zitat

    Original von Pelican


    Eine sehr gute Frage Beo.


    Ich finde, durch das Voranstellens des Prologs wird der Roman ein Stück weit zur Charakterstudie Edwards und ermöglicht erst, daß man seine Rolle von Beginn an unter einem anderen Licht betrachtet.


    Dem kann ich nur zustimmen. Ich finde diese Vorgehensweise wirklich gelungen, u.a. auch, weil sie anders ist als man erwarten könnte.


    Liebe Grüße


    Kirsten

  • Ich habe gestern noch diesen Abschnitt verschlungen, und freue mich schon, es mir gleich mit dem nächsten Abschnitt auf dem Sofa gemütlich machen zu können.


    Lavinia gefällt mir immer besser. Es beeindruckt mich, wie sie es geschafft hat, sich einen Verlobten zu suchen, der ihr das Leben bringen wird, dass sie sich vorstellt. Dass sie sich Alan so frei von irgendwelchen Gefühlen ausgesucht hat, ließ sie auf den ersten Blick recht gefühlskalt erscheinen. Dass dies nicht so ist, zeigt sich, als sie sich für Alans Kind einsetzt und auch als sie Melissa ermöglichen will, sich mit Hayden zu treffen.


    Auch Melissas Mutter ist zu Gefühlen fähig, schade, dass sich diese nur auf Alan beschränken. Beeindruckt war ich lediglich kurz, als sie für die kleine Justine Partei ergriffen hat. Schade, dass sie sich nicht mehr durchsetzt und dem Kind dauerhaft ermöglicht, im Haus zu leben. Aber wäre es für die kleine dort tatsächlich schöner? In der Hütte wächst sie mit Sicherheit liebevoller auf.


    Zitat

    Original von Solas



    Dem kann ich nur zustimmen. Ich finde diese Vorgehensweise wirklich gelungen, u.a. auch, weil sie anders ist als man erwarten könnte.


    Dem kann ich mich nur anschließen. Anfags dachte ich, es würde dem Buch die Spannung nehmen, dass dieses Geheimnis bereits so früh gelüftet wurde. Mittlerweile finde ich es so noch spannender, weil ich mich ständig frage, was passieren wird, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.

  • Dieses von Müßiggang geprägte Leben macht mich schon beim Lesen ganz unruhig. Melissas Sehnsucht wirkt deshalb wohl um so stärker. Es gefällt mir gut, nun auch mehr über Audrey zu erfahren, auch wenn sich ihr Leben – natürlich – ähnlich bedrückend darstellt.
    „Wieder ein Tag vorbei, und es lag nur eine Nacht vor dem nächsten, der ebenso trist sein würde wie der vorhergehende.“
    Dass Audreys Gefühlskälte ihrer Tochter gegenüber ist eindrücklich geschildert, auch der Grund dafür ist nachvollziehbar, auch wenn ich's mir anders gewünscht hätte: „Was also sollte man mit einer Tochter anfangen, außer die für einen geeigneten Mann heiratsfähig zu machen?“
    Im Zusammenhang mit Audrey wird auch eine andere Wahrheit ausgesprochen: „Das Leben auf Zhilan Palace hielt nichts von dem, was die prachtvolle Fassade versprach.“
    Sehr gut gefallen hat mir die Stelle, an der Exotik quasi „umgedreht“ wird. Für uns mag der Dschungel geheimnisvoll sein, für Melissa sind es englische Städte: „Das Bild nebelverhangener Städte tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, düster geheimnisvoll.“
    Alan mag zwar ein Blässling sein, aber auch er erhält in der Liebe zu seiner Tochter etwas Farbe, auch wenn er es sich leider nicht zutraut, sie gegen den Willen seines Vaters ins Haus zu bringen. Hier muss Lavinia handeln und tut es. Ich kann nicht sagen, dass ich Lavinia lieber mag als Melissa. Als Frauen leiden beide unter ihrer Umgebung und beide haben unterschiedliche Arten sich dagegen zu wehren.


    LG


    Kirsten

  • Da ich die Weltbild-Ausgabe lese, die offenbar anders umbrochen ist, hoffe ich, dass ich nicht gänzlich verkehrt hier bin:


    Was für ein schreckliches Elternhaus für Melissa! Ein despotischer, brutaler Vater, der losprügelt, wenn ihm was nicht passt. Dass er meint, das zum Besten der Tochter zu tun, nehme ich ihm 1. nicht ab und 2. ist "giltet" das nicht als Rechtfertigung. Edward tut nix zum Besten anderer Leute, Edward tut nur, was ihm selber nutzt.


    Und Audrey, die Mutter? Die schafft es nicht mal, so zu tun, als läge ihr was an der Tochter. Melissa ist ihr nicht nur gleichgültig, sie ist ihr lästig bis zuwider. Ach ja, auch egal - für Audrey. Sie hat ja Alan, was schert sie da das Schicksal der Tochter?


    Ein krasser Haufen von Egoisten.


    Für Alans uneheliche Tochter Justine konnte Audrey eintreten. "Sie hat sonst niemanden". Dass Melissa auch nie jemanden hatte, der sie unterstützt, von Louis vielleicht abgesehen, dämmert ihr vielleicht am Rand. Aber auch das ist ihr Wurscht.


    Das Schlimme daran: Hat man heut ein Elternhaus, das zwischen Gleichgültigkeit und Misshandlung schwankt, kann man sich bei Volljährigkeit auf Nimmerwiedersehen verpieseln. Die Mädels damals hatten die Chance nicht. Sogar der Ehemann wurde ihnen noch ausgesucht.


    Wobei ... meine Großeltern lebten auch noch in arrangierten Ehen. Meine Großmutter väterlichereists fand das gar nicht so verkehrt. Wenn man sich die Partner selber aussucht, meinte sie, sei das auch keine Gewähr, dass man miteinander auskommt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zitat

    Original von Vandam
    Da ich die Weltbild-Ausgabe lese, die offenbar anders umbrochen ist, hoffe ich, dass ich nicht gänzlich verkehrt hier bin


    Ich hoffe, dass die Antwort jetzt nicht zu spät kommt. Die Einteilung folgt den Bucheinteilungen in vier Teile. Also wäre das hier bei der Weltbild-Ausgabe Teil 2 ab S. 107.


    Liebe Grüße,
    Laila