Kurzbeschreibung bei Amazon:
So ist das nun mal: Bei allen großen Romanen ist die Sprache der eigentliche Hauptdarsteller. Wäre dem nicht so, ließe sich in diesem Fall berichten, daß sich alles um den Privatgelehrten Peter Kien dreht, einen exzentrischen Kopf- und Büchermenschen, der sich "bedeutendster Sinologe seiner Zeit" und Besitzer der umfangreichsten Privatbibliothek Wiens nennen darf.
Er forscht in allergrößter Ruhe vor sich hin, bis ihm ein entscheidender Fehler unterläuft: In einem Anfall von Rührseligkeit heiratet er seine Haushälterin Therese, weil diese jahrelang seine Bücherschätze so gewissenhaft abgestaubt hat. Kaum ist sie aber Frau Kien, möchte sie noch viel mehr abstauben -- es entbrennt ein irrsinniger, erbarmungsloser Kampf um die Vorherrschaft in der heimischen Bücherfestung. In diesen Kampf greifen außerdem ein: Benedikt Pfaff, der sadistische Hausmeister, und Fischerle, ein buckliger Zwerg und Zuhälter, der sich nebenbei für den größten Schachspieler aller Zeiten hält. Und alle sind einzig beseelt von Habgier und betreiben mit Eifer Kiens Untergang.
Die Blendung ist von entwaffnender Trostlosigkeit, eine positive Identifikationsfigur wird der Leser vergebens suchen. Mehr als entschädigt wird er aber durch den ins Groteske gesteigerten Humor, mit dem das absurde Treiben der Figuren und deren Denkwelten geschildert werden. Der sprachliche Zauber dieses Romans beruht vor allem auf Canettis Fähigkeit, diese bizarren Kreaturen völlig innerhalb ihrer Wahnlogik und konsequent im jeweils eigenen Tonfall sprechen zu lassen. Auch wenn nach der ersten Veröffentlichung mehr als drei Jahrzehnte verstreichen mußten, bis die literarische Öffentlichkeit von Canettis einzigem Roman Notiz nahm, zählt er mittlerweile zweifellos zu den Klassikern der Moderne. --Christian Stahl
Über den Autor:
Elias Canetti, der 1981 den Nobelpreis für Literatur erhielt, wurde 1905 geboren. Er verbrachte seine Kindheit und Jugend in England, Wien, Zürich, Frankfurt. Er studierte Naturwissenschaften in Wien, promovierte und arbeitete danach als freier Schriftsteller. 1938 verließ er Wien und emigrierte über Zürich nach London - in beiden Städten lebte er bis zu seinem Tod 1994.
Meine Meinung:
Die diversen Gedankenwelten der handelnden Personen und die Beschreibung jeder einzelner dieser Welten in einer ganz eigenen Sprache war für mich das eigentlich Highlight dieses Romans. Canetti vermittelt dem Leser die eigentliche Handlung, die offensichtlich keine der handelnden Personen kennt. Denn die schaffen - jeder für sich - aus Wortfetzen, Missverständnissen und mit Hilfe mehr oder weniger ausgeprägter Neurosen oder Psychosen, eine eigene Wahrheit, wobei erstaunlich ist, wie unterschiedlich die jeweiligen Wahrheiten sich voneinander und von der Wirklichkeit unterscheiden.
Für mich überwog die Absurdität der ganzen Geschichte, mit teilweise wirklich tollen Einfällen und Ideen, weniger die Trostlosigkeit. Dass Kafka einer der Vorbilder oder Ideengeber für Canettis Roman war, ist gerade in der zweiten Hälfte deutlich zu merken.
Wer also Lust hat, in die absurden Gedankenwelten mehr oder weniger Verrückter einzusteigen und sich an Canettis Spiel mit Sprache zu erfreuen, wird Freude an diesem Buch haben, selbst wenn es hin und wieder mal kleine Längen gibt.