Mathilda Savitch - Victor Lodato

  • Gebundene Ausgabe: 299 Seiten
    Verlag: C. H. Beck (Juli 2009)
    Sprache: Deutsch
    Originaltitel: Mathilda Savitch



    Kurzbeschreibung
    Mathilda Savitch ist nicht gerade ängstlich. Sie zieht es vor, sich direkt den Dingen zu stellen, die andere nicht einmal zur Sprache bringen können. Etwa der Tatsache, dass ihre geliebte ältere Schwester tot ist, vor einen Zug gestoßen wurde von einem Mann, der nie gefasst wurde. Dennoch ist sie trotz aller Bemühungen auch ein Jahr später keinen Schritt weiter gekommen, kennt die Wahrheit über den Tod Helenes noch immer nicht. Dann aber gelingt es ihr, das E-Mail-Passwort der Schwester zu knacken, und vor ihr öffnet sich deren geheimes Leben.



    Zum Autor
    Victor Lodato, in Hoboken, New Jersey geboren, studierte an der Rutgers University und ist Mitglied der Dramatist Guild of America. Für seine erfolgreichen Theaterstücke hat er u. a. Fellowships der Guggenheim Foundation und des National Endowment of Arts erhalten sowie zahlreiche Preise, u. a. vom Kennedy Center Fund for New American Plays. „Mathilda Savitch“ ist sein erster Roman. Victor Lodato lebt in Tuscon, Arizona und in New York.



    Meine Meinung
    Im Mittelpunkt des Romans steht Mathilda, ein 13-jähriges Mädchen, am Rande der Pubertät. Aber auch ohne die körperlichen Veränderungen wäre ihr Leben mehr als turbulent. Der Todestag ihrer Schwester Helene jährt sich zu Beginn des Buches zum ersten Mal und es ist erschreckend zu lesen, wie die Familie mit dem Verlust des ältesten Kindes umgeht. Helene ist im Alter von 16 Jahren gestorben, ein Unbekannter – so erfährt man zu Beginn des Romans – hat sie vor einen Zug gestoßen. Mathilda setzt sich intensiv mit ihrer Schwester auseinander und wird allein durch Victor Lodatos Worte zu einer lebendigen Figur, deren Schicksal berührt.


    Die Eltern wissen nicht mehr, wie sie mit ihrer einzigen verbliebenen Tochter umgehen sollen. Denn irgendwas müssen sich doch bei Helene falsch gemacht haben, nicht wahr? Für die Mutter ist Mathilda gar Luft, eine Berührung von ihr – und sei es nur eine Sekunde lang – eine wahre Seltenheit. Mit treffenden, einfühlsamen Worten zeichnet Lodato hier ein Psychogramm der Familie Savitch, alles aus Mathildas Perspektive. Und das Mädchen hat ein Auge für die wirklich wichtigen Dinge und das, was hinter der Fassade steckt.


    Auch spielt dieser Roman mit der Frage nach Wirklichkeiten, was mit jeder gelesenen Seite in Bezug auf Helenes Tod immer deutlicher wird. Was ist wirklich an HSSH, wie Mathilda den Todestag ihrer Schwester nennt, passiert? Das Mädchen begibt sich auf eine Reise, sie will sehen, was Helene gesehen hat, erleben, was Helene erlebt hat. Dieser Weg führt sie zum Emailpostfach und schließlich zu Louis, Helenes letztem Freund. Man kann zwischen den Zeilen lesen, muss man sogar! Besonders bemerkenswert an diesem Buch finde ich, dass der Leser am Ende selbst entscheiden kann, was für ihn ‚wirklich’ ist.


    Eine ganz feine Protagonistin ist dem Autor da gelungen, die mir auf den nur knapp 300 Seiten ungemein ans Herz gewachsen ist. Mit diesem Mädchen kann man etwas anfangen. Sie ist teils ihrem Alter weit voraus, dann wieder reagiert sie wie eine Jugendliche am Rande der Pubertät reagieren würde. Das Leben ist für Mathilda diese große Unbekannte am Ende der Gleichung. Ihre Gedanken und die damit im Buch verbundenen Sätze haben oft eine gewisse Tiefe, das ganze Buch ist scheinbar voll von tollen Zitaten. Besonders eine Stelle am Ende des ersten Teils ist mir in Erinnerung geblieben, als Mathilda sich selbst als Geist wahrnimmt, der das Leben ihrer Eltern überschattet.


    Was noch zu erwähnen bleibt, ist die wunderschöne Ausstattung des Buches. Das Cover erinnert an einen Scherenschnitt und auch im Innenteil wird es je am Anfang und am Ende fortgeführt. Eine hübsche Sache!



    Fazit
    Eindringlich geschrieben – dieses Buch geht nahe und lädt gleichfalls zum Schmunzeln ein. Und es lässt dem Leser Platz zur Interpretation – das, wie ich finde, schönste am Buch!



    Bewertung
    9/10 Punkten

  • Danke für die tolle Rezi, Steena - auf meine Wunschliste hast Du es nicht bekommen, da ist es schon drauf :grin ... Deine Rezi hat dies bestätigt :-)

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.
    (Hermann Hesse)

  • Vielen Dank steena für die liebevolle und ausführliche Rezension. Gut dass ich das Buch schon hier liegen habe und bestimmt nicht mehr lange warten lasse. :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Es ist schade, dass ich die Genialität des ganzen im Buch beschriebenen Vorfalls hier kaum rüberbringen kann. Das wäre ein so massiver Spoiler, dass ihr alle das Buch gar nicht mehr lesen bräuchtet. Es lohnt sich wirklich, da ist noch viel mehr als die Rezension zu verraten vermag!

  • Das Buch habe ich schon ein bisschen länger auf meiner Wunschliste und kann da nach deiner tollen Rezi auch bleiben! :-)


    Mal schaun, wann ich es endlich schaffe meine Wunschliste etwas zu verkleiner ;-)

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    Liebe Grüße von Sunnyle :wave


    Ich :lesend gerade: Forgotten

  • Na, ich bin gespannt, welche Eulenrezis hier in der nächsten Zeit auftauchen und wie euch das Buch gefällt :-).



    Zitat

    Original von Tanzmaus
    ab auf die WL :write


    Ich dachte, du wärst schon fest für meins eingeplant :knuddel1

  • Zitat

    Original von Steena
    Na, ich bin gespannt, welche Eulenrezis hier in der nächsten Zeit auftauchen und wie euch das Buch gefällt :-).




    Ich dachte, du wärst schon fest für meins eingeplant :knuddel1


    Wirklich ?? :freude


    *von der WL kick und auf das Päckle freu*

  • "Ich habe Geheimnisse, und es werden mehr. Einmal habe ich eine Geschichte über ein Mädchen gelesen, das plötzlich starb, und als man es aufmachte, fand man in seinem Magen ein goldenes Medaillon, dazu die Federn eines Vogels. Niemand konnte sich das erklären. Also dieses Mädchen, das bin ich."


    "Mathilda Savitch" ist ein sehr gut geschriebener und absolut lesenswerter Debütroman von Victor Lodato und ich kann mich im Großen und Ganzen eigentlich Steenas Rezension nur noch anschließen. Mathilda ist eine wirklich tolle Hauptfigur, die anrührend, aber auch immer wieder sehr witzig und unterhaltsam geschildert wird.
    Gestört hat mich lediglich, dass ich mich hin und wieder nicht ganz mit ihr und dem was sie getan hat identifizieren konnte - vielleicht spielt da auch das Alter eine gewisse Rolle. Der Schilderung der Nacht, die sie mit Anna und Kevin im Keller verbringt, konnte ich persönlich nicht viel abgewinnen. Das empfand ich einfach als zu übertrieben.


    Ansonsten aber ein schönes und lesenswertes Buch. 8 Punkte! :-)

  • Meine Meinung:
    In seinem ersten Roman erzählt Victor Lodato die Geschichte der Mathilda Savitch, wobei man die ganze Geschichte aus Mathildas Sicht erfährt.
    Mathilda, mit ihren 13 Jahren mitten in der Pubertät, hat einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Knapp ein Jahr zuvor wurde ihre 16-jährige Schwester Helene vor einen Zug gestoßen.
    Seitdem ist in der Familie Savitch nichts mehr so, wie es war. Während Mathildas Eltern sprachlos geworden sind, Helene nicht mehr erwähnen, ja sich das Trauern verbieten, begehrt Mathilda gegen das Schicksal auf. Sie will den Täter finden, der nie geschnappt wurde.
    Aber erst nachdem sie endlich das Passwort zum E-Mail-Fach ihrer Schwester knackt, kommt sie auf eine Spur. Zahlreiche Freunde hatte ihre Schwester und Mathilda setzt sich mit Helenes letztem Freund Louis in Verbindung, immer dem Leben ihrer Schwester nachspürend.


    Victor Lodato hat einen hervorragenden Roman geschrieben. Durch seinen Schreibstil schlüpft man quasi in Mathilda. Mathilda ist eine aufgeweckte, eigenwillige, neugierige und kluge 13-Jährige, die, neben dem traurigen Tod ihrer Schwester und der Teilnahmslosigkeit ihrer Eltern, auch die typischen Probleme junger Mädchen hat: Aussehen, Freunde, Sex. Nur zieht Mathilda bisweilen ungewöhnliche Schlüsse aus ihren Fragen und Problemen.


    Ein lesenswerter, zuweilen rührend komischer Roman, das sensible Psychogramm einer aufsässigen und lebhaften Jugendlichen, auf der Suche nach der Wahrheit, aber auch auf der Suche nach sich selbst – auch und gerade für Erwachsenen empfehlenswert.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Meine Meinung:


    Ich schließe mich den vorangegangenen Rezensenten an. Ein absolut lesenswerter Roman.
    Und ich danke dem Autor, dass er aus Mathilda kein klugscheißerisches Mädchen gemacht hat, sondern sie so zeigt wie Jugendliche in diesem Alter nun einfach mal sind. Einerseits sehr erwachsen und dann aber wieder einfach nur Kind.
    Was mir auch sehr gut gefallen hat, war der von Mathilda geführte innere Monolog, der uns ganz viel von ihrer handlungsunfähigen Familie aufgezeigt hat.
    Beeindruckend fand ich auch die immer wiederkehrende Erwähnung des Terrors und wie Jugendliche in Amerika wohl damit umgehen.


    Mathilda hat mich streckenweise an Harriet Cleve aus Donna Tartts "Der kleine Freund" erinnert.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Ich schließe mich den vorangegangenen Rezensenten an. Ein absolut lesenswerter Roman.


    Schön! :-]


    Zitat

    Original von FrauWilli
    Beeindruckend fand ich auch die immer wiederkehrende Erwähnung des Terrors und wie Jugendliche in Amerika wohl damit umgehen.


    Das schien mir - das klingt ja bei buzzaldrin schon ein bisschen an - übertrieben viel und war der Aspekt des Romans, für den es von meiner Seite Abzüge gibt. Das hätte niemand vermisst, wenn es nicht auch noch drin gewesen wäre, finde ich.


    Zitat

    Original von FrauWilli
    Mathilda hat mich streckenweise an Harriet Cleve aus Donna Tartts "Der kleine Freund" erinnert.


    Ich war ständig bei der kleinen Flavia de Luce :chen das lag aber weniger an ihrer Ähnlichkeit, die nur sehr bedingt da ist, denn Flavia ist schon eher der Typ "Klugscheißer", sondern mehr daran, dass das meine letzte Erfahrung mit junger Protagonistin für erwachsene Leser war.

  • Steena


    Da gebe ich dir z. T. Recht, einerseits hätte es niemand vermisst, es hat auch nicht unbedingt die Handlung beeinflußt, aber interessant fand ich es allemal dass der Autor seine Protagonisten sich immer wieder hat damit auseinander setzen lassen.
    Z.B. die Szene im Zug mit der Mutter eines Klassenkameraden. Die Ereignisse im Keller fand ich auch leicht überzogen. :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Hm... Ich hab das Buch heute morgen fertiggelesen und bin ein bißchen verwirrt, was mein Urteil angeht.


    Mir fehlte ein bißchen konkrete Handlung, ehrlich gesagt. Denn im Grunde genommen erfahren wir nicht wirklich etwas über Helene und was wirklich mit ihr los war.
    Wir bekommen das, was Mathilda glaubt zu wissen. Aber stimmt das alles? Oder lügt sie uns an, weil sie gemein sein will?


    Das ist ein durchaus faszinierender Aspekt an dem Buch, daß man auch nach Beendigung nicht recht weiß, was los ist.



    Das alles läßt mich ein bißchen ratlos zurück. Ich habe irgendwie das Gefühl, daß das ein dickeres Buch hätte werden sollen. Irgendwie. :gruebel

  • Zitat

    Original von Thordis



    Ja, das habe ich mich beim Lesen auch gefragt und mich ein wenig darüber gewundert. Manche Aspekte die in dem Buch nur angerissen werden, hätten wirklich ruhig etwas detaillierter beschrieben werden können.