Herr Tod ... im Waldorfkindergarten

  • Zu nächtlicher Stunde ein Text, der bei geistlicher Umnächtigung geschrieben wurde. Es ist eine Art Drehbuch, das keinerlei Anspruch auf Anspruch hat.
    Wer schwarzen Humor nicht mag, sollte lieber die Finger von lassen - und wer politisch unkorrekte Texte verschmäht, die einzig auf Klischees und Vorurteilen aufbauen.
    Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt ;-)
    PS: Und wer's trotzdem lesen und kritisieren und mit Tomaten bewerfen will, ist immer willkommen.




    Herr Tod … im Waldorfkindergarten


    Setting: Dunkle Hügellandschaft. Blitz erhellt die Umgebung und beleuchtet ein Haus am Waldrand. Über der Türe prangen die Buchstaben: WALDORF-KINDERGARTEN. Ein Mann in dunklem Umhang und mit Sense in der Hand öffnet die Türe und schlüpft in den Gang dahinter. Kindergeschrei und Trommellaute sind zu hören. Die Stille wird von einem Handyklingelton durchbrochen, die elektronische Stimme singt „Time of my life“. Der Tod holt sein Handy heraus.


    STIMME IM HANDY
    Schatz, gerade eben wollte ich Getränke aus dem Keller holen, da bin über eine Leiche gestolpert. Herr Klotzmann, wenn ich’s richtig erkannt hab. Was hab ich dir immer gesagt, was bete ich dir jeden Tag rauf und runter?
    (kurze Pause)
    Das Private sollte sich mit dem Geschäftlichen nicht vermischen. Seit Wochen sage ich dir schon, du sollst Frau Friesenfeld aus dem Duschvorhang entknoten und was ist? Frau Friesenfeld liegt immer noch in unserer Badewanne, sie fängt schon an zu riechen.


    TOD (in mystischer Tonlage)
    Das Leben geht manchmal absonderliche Wege.


    STIMME IM HANDY
    Aber du bist nicht das Leben, Schatz. Ich brauche dich. Jetzt.


    TOD
    Tante Erlenfried aus der Seeanemonengruppe wird in den nächsten Minuten an einem Herzfehler sterben. Danach komme ich nachhause und kümmere mich um die Leiche im Keller.


    STIMME IM HANDY
    Frau Erlenfried lässt du aber bitte liegen. Für diesen Monat hast du schon genug gesammelt.


    TOD (schmollend)
    Frau Erlenfried hat aber so schöne Baumwollflanell-Hemden an.


    STIMME IM HANDY
    Die Pumps von Herrn Klotzmann zieht zuhause auch niemand an. (Kamera schwenkt nach unten und offenbart Pumps an den Füßen des Tods) Du erledigst noch Frau Erlenfried und kommst dann her. Wenn du nicht gehorchst, wird es bald ein Ende mit uns haben.
    (legt auf)


    TOD
    Och Menno … (steckt Handy zurück in den Mantel und stolpert beinahe über ein Mädchen, das im Gang entlang tanzt)


    MÄDCHEN (mit Holzhund an der Leine)
    Ich bin Olivia-Apple-Shayenne und ich tanze meinen Namen. Aber sag, wer bist du und warum trägst du so einen traurigen Umhang?


    TOD
    Ich bin der gemeine Lord Finsternis und ich komme, um deiner Tante das Licht am Ende des Tunnels zu zeigen. Geh mir aus dem Weg, denn das alles ist hier seeehr gefährlich und suuuper spannend. Ich sehe, wie du am ganzen Leib zitterst, ho ho!


    OLIVIA-APPLE-SHAYENNE
    Oh nein!


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS
    Oh doch!


    OLIVIA-APPLE-SHAYENNE
    Sag, willst du deinen Namen tanzen? Ich kann dich auf der Flöte begleiten, wenn du willst.


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS
    Ho ho!


    OLIVIA-APPLE-SHAYENNE
    Das beantwortet nicht meine Frage. Sag, willst du mit Fingerfarbe deine Träume malen?


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS
    Willst du mir nicht deine Tante Erlenfried vorstellen? Dann will ich dir sehr gern meinen Namen vortanzen.


    OAS (holt ein Tamburin hervor und klopft begeistert darauf herum):
    Sag, hast du Depp-Räsionen, weil du so einen langen Namen hast? Jonas-Clemens-Balthasar und Marie-Merle-Melanie leiden sehr stark unter ihren langen Namen, ich versuche sie zu trösten, wann immer es geht. Vom langen Namens-Tanzen wird ihnen sehr oft sehr übel.


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS (grollend)
    Sag mir, wo Frau Erlenfried ihr Bett schläft, oder ich zertrete dich zu Staub!!


    OAS (schüttelt heftig den Kopf)
    Ich gehöre nicht zu den Seeanemonen, meine Gruppe ist die Clownfischfarm. Die Clowenfischfarm macht einen Ausflug aufs Schuldach, weil Thorsten-Thure-Diether nicht weiß, wie ein Blitzableiter aussieht. Ich wollte hier bleiben, mir ist der Thorsten-Thure-Diether nämlich viel zu blöd. Jetzt leistest aber du mir ja Gewerkschaft!


    Türe nebenan springt auf und alte Frau im Leopardenkostüm rennt durch den Gang. Kinderschar in Elefanten-, Löwen-, Zebra- und Kuhkostümen folgen ihr kreischend.


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS (zornig)
    Sag mir, wo der Frau Erlenfried ihre Badewanne sich duscht und nur deine Großmutter wird sterben!


    OAS (kichert triumphierend, Szenerie verdunkelt sich, Kichern mutiert zur Hexenlache)
    Die ist schon lange tot, muahaha!


    Szenerie hellt sich wieder auf


    DER GEMEINE LORD FINSTERNIS (stampft auf den Boden und verschränkt die Arme)
    Och Menno!


    Frau im Leopardenkostüm kommt heran und wiehert geräuschvoll


    FRAU IM LEOPARDENKOSTÜM (kneift den Tod an der Backe)
    Ja hallo, wer bist denn duuu, du kleiner Schlawiner!


    Olivia-Apple-Shayenne
    Das, das ist der gemeine Lord Finsternis, aber seine wahre Identi-Diät ist der Tod.


    FRAU IM LEOPRADENKOSTÜM
    Das ist ja herzig! Ich bin die Frau Erlenfried, suchen Sie jemand bestimmtes?


    TOD (geheimnisvoll)
    Ich suche Sie. Ich bin gekommen, um Sie zu holen, um Sie heute daran zu erinnern, dass sie an einem Herzfehler sterben! Sie laufen gerade die Treppe herunter, als Ihr Herz stehen bleibt, Sie sich überschlagen und sich das Genick brechen. So steht’s bei mir auf dem Zettel. Darf ich Sie bitten?


    FRAU ERLENFRIED
    Ach, Sie haben ja schon gestern angerufen, nicht? Steht da auch die genaue Uhrzeit, wann es passieren soll?


    TOD (verdreht die Augen)
    Immer diese Beamten!


    FRAU ERLENFRIED
    Ich bin keine Beamtin.


    TOD (holt Organizer hervor)
    Nichts, Nada, Niente! Ihr Herz bleibt stehen, Sie stolpern und brechen sich das Genick. Witzig, was? Ho ho! Ansonsten hätte ich Sie noch einmal wiederbeleben können. Aber so was sieht man Vorgesetzter nicht gern, deswegen hat er mich wieder vom Rot-Kreuz-Kurs abgemeldet. Drehen Sie am besten den Hals, während Sie fallen, dann klappt’s garantiert.


    FRAU ERLENFRIED (nachdenklich)
    Ja, wenn das so ist! Aber momentan siehts’s ganz schlecht aus, muss ich sagen. Vielleicht hat gerade mein getrennter siamesischer Zwilling Zeit, Sie wissen schon, die Frau im Kuhkostüm, die mir zum Verwechseln ähnlich sieht. Die heißt auch Frau Erlenfried.


    Im Hintergrund poltert es, ein Schrei ertönt. Auf der Treppe hinter dem Tod liegt eine Frau im Kuhkostüm, die Frau Erlenfried zum Verwechseln ähnlich sieht.


    FRAU IM KUHKOSTÜM, DIE FRAU ERLENFRIED ZUM VERWECHSELN ÄHNLICH SIEHT UND DEN GLEICHEN NAMEN WIE SIE TRÄGT
    Röchel.


    TOD
    Ja, wenn das so ist. Das geht sicher auch durch.
    (bückt sich und hebt Frau Erlenfrieds getrennten siamesischen Zwilling auf, als das Handy klingelt und der Song „Don’t worry, be happy“ ertönt. Der Tod klappt das Handy auf.)


    STIMME IM HANDY (zischend)
    Lass-sie-liegen!


    TOD
    Och Menno! (stampft erneut auf den Boden und schaltet Handy aus)


    FRAU ERLENFRIED
    Nana, Sie zerstören noch meinen positiven Eindrucken, den Sie bisher bei mir hinterlassen haben. In meiner Schule stampft niemand, außer Leoparden, Elefanten, Löwen, Zebras und Kühe! Sie sollten sich was schämen – ab auf die stille Treppe mit Ihnen!


    Es macht einen lauten Schlag, alle Lichter im Gang gehen aus. Kindergeschrei und Schritte verstummen. Tamburin wird geschlagen


    OLIVIA-APPLE-SHAYENNE (freudig erregt)
    Thorsten-Thure-Diether hat den Blitzableiter gefunden!


    STILLE
    -

  • Meine Tomaten esse ich lieber als sie auf Kuhkostüme oder Leopardenkostüme zu werden- die Flecken gehen bei so einen Kostüm auch so schwer wieder raus, Aber wenn ich ehrlich bin- der Text erfordert weniger Tomaten als vielleicht Kichererbsen- schwarz schon, aber Humor? Gut- Kinder in Walldorfschulen haben seltsame Namen- auch nichts ganz neues- dort wwird getanzt- aha- Eurythmie mit Namen- und der Tod klaut Leichen und hat eine Frau die im den Spaß verhageln will und dazu ist der Tod noch gagga weil er Pumps trägt- ich glaube einfach nicht das es an der Tageszeit liegt, dass mir zum Gähnen zumute ist.
    Meine Empfehlung: Lies drei Kerstin Gier und versuchs dann nochmal.

  • Sollte ich jetzt an meinem Humor zweifeln... also ich fands eigentlich zumindest stellenweise ziemlich witzig :gruebel
    Was mir vorallem gut gefallen hat, war der Namenswechsel. Tot - Der geheime Lord der Finsternis und Die Frau im Kuhkostüm, die wie Frau Erlenfeld aussieht und den gleichen Namen trägt wie sie.
    Und die "Depp-Räsionen" und sie "Identi-Diät" waren zum schießen :rofl

  • Ich finde den Text ganz lustig und relativ originell. Okay, einen TOD mit Allüren und Identi-Diäts-Problemen hat Terry Pratchett längst zum literarischen Weltstar gemacht, und Anekdoten aus Waldorfkindergärten gibt's auch wie Sand im Getriebe, aber es kommt auf das Wie an, nicht so sehr auf das Was. Und das Wie ist, wie ich finde, sehr ordentlich.

  • Oh, damit hatte ich gar nicht mehr gerechnet. Danke für das Lob, das muntert mich wieder auf :wave Dass der Text nicht peferkt ist, war/ist mir klar, aber ein paar Lacher hatte ich mir schon erhofft ;-)


    Zitat

    Okay, einen TOD mit Allüren und Identi-Diäts-Problemen hat Terry Pratchett längst zum literarischen Weltstar gemacht, und Anekdoten aus Waldorfkindergärten gibt's auch wie Sand im Getriebe


    Danke für den Tipp, das kannte ich noch nicht. Einziges Werk von Pratchett, dass ich mir zur Gemüte geführt habe: "Ein gutes Omen", das er zusammen mit Neil Gaiman verfasst hat. Ich fand's damals sehr lustig.
    Die Sache mit dem Waldorfkindergarten an sich ist natürlich schon nah dran, ausgelutscht zu sein, weswegen die Grundidee an sich kaum originell ist.
    In diesem Sinne: nochmals Danke für die netten Worte!

  • Da ich meine Kollegin auch schon mal aufgefordert habe, ihren Namen zu tanzen, habe ich mich hierbei prima amüsiert.


    Klar waren ein paar unrunde Stellen dabei, aber in der Summe: witzisch. :chen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Mein Cousin war auch auf der Waldorfschule, aber irgendwie hat er sich immer geweigert, seinen Namen zu tanzen :grin
    ... in der 8.Klasse ist er er dann auf ein normales Gymnasium gewechselt ...


    Ich selbst wurde von meinen Eltern für die Waldorfschule beworben. Ich wurde nicht genommen. Ich sei so ruhig und es gäbe bereits so viele andere ruhige Schüler bei ihnen.
    Das ist hier quasi die Abrechnung ;-)

  • Mir gefällt Thorsten-Thure-Dieter am Blitzableiter am besten. :grin


    Ich mag solche schrägen Geschichten. Der Text wäre nach entsprechender Überarbeitung vielleicht zu einer Kurzgeschichte ausbaufähig, zumindest ist die Grundidee originell, ob sie nun schon einmal da war oder nicht.


    ... alles war schon einmal da.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Also ich hab auch geschmunzelt, scho witzig. Sehr interessanter Schreibstiel, sowas hab ich noch nicht gelesen. Aber mehr als eine Kurzgeschichte wär mir dann zu viel und zu anstrengend, aber ich lese eh nie lustige Dinge.


    ps: Der Traum meiner Schwester ist ihre Kids zu veganen Waldorfschülerinnen zu machen, aber ich glaub dat wird nix...

  • Oh, sehe erst jetzt, dass noch ein paar Reaktionen dazu kamen. Danke dafür! :-]


    Eine Kurzgeschichte kann ich mir nicht ganz so gut vorstellen, das Ganze wird nach 2 Seiten sicherlich etwas strapazierend für den Leser. :grin Bin ansonsten aber auch nicht allzu sehr im lustigen Genre beheimatet ...

  • Also ich muss sagen, mir hat das auch echt gefallen- ist mal ganz anders als das, was ich sonst so lese. Muss mich aber einer vorherigen Meinung anschließen, dass mir das Ende nicht so gefallen hat, denn es war ein bisschen wirr. Zu Beginn stand das Absurde noch viel mehr im Mittelpunkt, weshalb mir dein kurzes Werk auch wirklich gut gefällt.
    Vielleicht solltest du dich doch öfter mal dieses Genres bedienen *g*

  • Ich fand es auch ganz witzig und schön schräg. Eine ganz konkrete Anmerkung: Am Anfang hört man lautes Kindergeschrei und in die Stille klingelt das Handy. Das passt für mich nicht.
    Ansonsten habe ich es mit Vergnügen gelesen.


    Gertrud