Gerold Späth - Stimmgänge

  • Lassen Sie sich ein auf Gerold Späths “Stimmgänge“, begleiten Sie Orgelbauer Jakob Hasslocher auf seinen Reisen. Seien Sie versichert…, die Reise wird so manch Ungemach bringen, knapp sechshundert Seiten, man kommt den “Stücken“, “Knöpfen“, “Bässen“, “Orgeln“ und “Pfeifen“ kaum nach, kann auch mit Beschreibung des “Stücks“ im Gesamten kaum dienen, zu umfangreich die Geschehnisse, Begebenheiten und Fälle des Künstlers der verzweifelt und schließlich erfolgreich seiner ersten Million und seiner perfekten Orgel hinterherläuft. Es wird keine einfache Reise, da wird der Leser gefordert, sogar an den Rand des Wahnsinns getrieben, lässt man sich allerdings hineinfallen, dann ist der Lohn zwar nicht die “perfekte Orgel“, aber das Verständnis für das Streben danach.


    “Es kommt eben nicht nur aufs Material und aufs Können an, wenn so ein Ding gut klingen soll. Da gehören auch ein langes Haar vom Bart des Propheten hinein, ein steiler Schrillpfiff aus der Schreckpfeife des großen Pan, dazu Kindergeplapper und etwas von der Schwärze der Erde bei Regen und Nacht, etwas von der silbernen Stille des Mondlichts und dionysisches Gelächter und ein Höllenfunkgestöber und verliebtes Geraule und Jammertöne, der Anfang vom ersten Schrei eines Neugeborenen und das Ende vom letzten Gestöhn eines Sterbenden und Fegefeuerflammen und Wind, viel vom Wind, (…).“


    Und das alles und vieles mehr in einer Orgel…, und in einem Buch, und in einem Leben, und in jedem großen Kunstwerk, welches den Künstler fordert und diejenigen, die sich auf ein großes Glanzstück einlassen.


    Und der Autor weiß selbst was er vom Leser fordert, rudert oft im letzten Moment zurück: “Bleiben Sie! Ich will Sie nicht schrecken (…) und in irgendwelche andere Bücher hineinscheuchen. Bleiben Sie!“


    Und man bleibt, ich zumindest, die “Stimmgänge“ wieder gelesen und man wird sie wieder lesen wenn es an der Zeit ist und wieder Neues zu Tage fördern. Denn mit “Bedacht planen“ und “ähnlich gründliche Bedachtsamkeit (…) dürfte auch beim Lesen von Vorteil sein; einfach auf Stimmgänge steigen oder sich zurechtfinden sind zweierlei.“


    Ein vorletztes Schlusswort noch und damit schließt sich der Kreis:
    “Es ist natürlich hoffnungslos, weil man ein Leben lang Orgeln stimmen kann, Pfeife um Pfeife, immer weiter und immer wieder Ton nach Tönchen stimmen und stimmen – aber stimmen tut’s nie.“


    Und so bleibt, um eine Rezension nicht ausufern zu lassen die Abwandlung eines Hörers einer Hasslocher-Orgel zu erwähnen, der sagt: “Heilandsack! Ihre Orgel hat wirklich großmächtig getönt!“
    Und ich sage (und damit letztes Schlusswort): “Dreifaches Heilandsack! Das Buch hat seine Wirkung einmal mehr nicht verfehlt.“