Der Autor, Tim Parks, geboren 1954 in Manchester, lebend in Verona, ist Lesern ob seiner Romane bekannt (Stille, Schicksal, Weisses Wasser, Doppelleben, Mimi’s Vermächtnis, Italienische Verhältnisse, sowie der Autobiographie: Mein Leben im Veneto). Im Zivilberuf Lehrender an der Mailänder Universität hat er dieses ‚populärwissenschaftliche‘ Buch verfasst.
Der Autor selbst sagt, dass für eine ‚ernsthafte‘ Beschäftigung mit dem Thema andere, dickere und auch langweiligere Bücher besser sind. Damit hat er sich auch schon selbst die beste Rezension geschrieben.
Somit ist dies Buch ein einführend-kurzweilig Lesen von den Medici, ihrem Geld, ihrem Politikverständnis und etwas von ihrem Religionsverständnis.
Der Erzählbogen reicht vom Bankgründer Giovanni di Bicci bis zum unglücklichen Piero di Lorenzo, beide anhand der besser belegten Hauptpersonen untergehend.
Hauptperson des Buches ist – wie könnt’s anders sein: Cosimo, einer der brilliantesten und auch hinterfotzigsten Politiker und Geschäftsmänner der Renaissance, dessen Genialität man auch im Nachhinein noch ganz zurecht Rosen streut, und der - obwohl schon in der Mitte des Buchs verstorben - als Lehrmeister seiner Söhne und Enkel nachwirkt, und bei der Beleuchtung von Einzelaspekten seiner Bankgebahrung und politischen Einflussnahme immer wieder aufersteht.
Piero, dem nur ein kurzes, gichtgeplagtes Gastspiel auf Erden beschieden war, und die Leitung der diversen Bankfilialen den nicht unbedingt treusorgenden Händen von Freunden und Verwandten übergab, wurde zwischen Vater und Sohn fast weggekürzt, und hat ein halbes, müdes Kapitel - aber zwischen zwei Monolithen verkommt man leicht zur Wurstscheibe im Sandwich.
Der Anfang vom Ende der Medici-Bank verkörpert sich in der Gestalt des schillernden, großartigen Lorenzo, der lieber dichtet als rechnet und offen zugibt, keine Ahnung vom Bankgeschäft zu haben, von Verwandten und Filialleitern übervorteilt, und zuletzt selbst sein größter Schuldner ohne Möglichkeit und sogar Absicht der Rückzahlung wird...
MagMa denkt: Ich hab's mir mal gekauft, weil ich mir damals detaillierte Informationen über die Medici-Bank erhofft habe... - Dem Aufstieg und Ende ihrer von 1397-1494 bestehenden Bank ist angesichts des englischen Originaltitels ‚Medici Money, Banking, Metaphysics, and Art in Fifteenth-Century Florence‘ überraschend wenig Raum gewidmet. Es geht zu dieses Lesers Erstaunen mehr um Politk und Kunst.
Böse Zungen könnten gar sagen: Gliederung inexistent; historisch sprunghaft; zu vereinfachend und plakativ angesichts der komplexen Situation; trivialer, nicht immer zu Ende geführter Frage-Antwortdialog mit dem Leser, der diesen letztendlich nicht immer wirklich erleuchtet zurücklässt.
Aber andererseits: was wollen wir als Leser, der keine gelehrige Abhandlung und ein hand und fußfestes Referat drüber schreiben muss, wirklich haben? Das Buch erfüllt Anforderungen der Leserunterhaltung: nicht zu komplizierte Sätze; flockiger Stil; zeitgenössisches Polit-bashing durch die Renaissane-Blume; markige Bonmots der behandelten Personen, die sich zur Aufnahme in den eigenen Zitatenschatz eignen; und es macht obendrein auch etwas klüger als zuvor, sofern man nicht schon zuvor Medici-Spezialist war; für den wirtschaftlich interessierten Reisenden die ideale Ergänzung zu Cleugh und diversen Florentiner Geschichts- und Kunstführern.
Kleinere Beanstandungen gibt es an dem Buch genug – so etwa wird eingangs nicht wirklich erwähnt, dass das mengenmäßig größere Geschäft der Wechselstuben an den Territoriumsgrenzen, Stadttoren und auf den Märkten nicht etwa mit dem Gold in Silbertausch gemacht wurde, sondern damit, fremde Silbermünzen mittels einem theoretischen Gold-tageskurs oder Reinsilberpfund in lokale Silbermünzen umzuwechseln (vor allem Zwangsumtausche in Territorien mit Münzrechten kommen in dem Buch gar nicht vor), denn Gold war unter normalsterblichen Reisenden und Alltagswaren-händlern wenig herum, während jeder einen mehr oder weniger vollen Beutel Silbermünzen diverser Güte zu bieten hatte. Bevor man Gold kriegt, braucht man eine Menge Silber... - als Giovanni di Bicci als Bankgründer auftaucht, hat er zwar die Silber-zeiten bereits hinter sich, aber sein Mist wurde auch ursprünglich von Kleinvieh gemacht, und das geht irgendwie unter.
Auch in puncto Rechenschlüssel und Umrechnungsschlüssel der existenten Währungen (die, um zusätzlich zu verwirren auch noch einigenorts die Namen der Umrechnungsschlüssel haben) gilt, dass man nicht gerade klug wird. Wenn schon eine Bank die Hauptrolle spielt, sollte zumindest ein etwas weiter ausholendes Kapitel über das Geld- und Rechenwesen dabei sein. Eine Tabelle mit dem Gold/Silber-Wechselkurs in dem der Silberpreisverfall im Bestehungszeitraum der Bank gezeigt worden wär, und eine kurze Liste der für für die diversen Filialen wichtigen Silbermünz/entwertungs/reformen, die sich in der Veränderung der Rechenschlüssel wiederfinden (obwohl die eigentlich wie behauptet als reine Recheneinheiten ohne realer Währungsbasis davon relativ unabhängig sein sollten) hätte mehr ausgesagt, als vier Seiten Text.
Aber es ist ein Sachbuch, kein Fachbuch. Wer wirklich mehr wissen will, muss sich wohl an das vom Autor zur Abschreckung beschriebene seitenmächtige Werk von Raymond Roovers, The Rise and Decline of the Medici-Bank, 1397-1494, wagen... das all die Bankrechenkunstdetails bringt, die meinereiner hier gröblich vermisste...
Edit: Uuups, ISBN-ziffernsturz