Die Königin der Quelle - Heide Solveig Göttner

  • Die Welt von einst läßt sich nicht neu beleben. Nichts läßt sich zurückholen. (Nach Seite 18)


    446 Seiten, 1 Landkarte, Glossar, kartoniert
    Verlag: Piper Verlag GmbH, München 2009
    ISBN-10: 3-492-26696-7
    ISBN-13: 978-3-492-26696-3



    Trilogie "Die Insel der Stürme"
    - Die Priesterin der Türme (>Rezithread< - >Leserunde<)
    - Der Herr der Dunkelheit (>Rezithread<)
    - Die Königin der Quelle (>Leserunde<)



    Kurzinhalt (Quelle: Klappentext / eigene Angabe)


    Das letzte Abenteuer auf der „Insel der Stürme“: Krieg droht zwischen dem Süden und dem Norden der Insel. Die Gefährten Jemren und Gorun, Beschützer der magischen Lillia, wollen die Schlacht um jeden Preis verhindern. Denn die Prophezeiung vom Verlorenen Kind besagt, daß der Krieg das Ende der Menschenwelt herbeiführen wird. Die Verbündeten brechen in die Berge auf, doch der Feind ist ihnen auf der Spur. Es erweist sich, daß Lillias Geheimnis der Schlüssel zur Rettung sein wird - wenn die verfeindeten Völker nicht zuvor die Insel mit blindem Haß in den Untergang treiben.


    Doch Prophezeiungen haben es so an sich, daß sie nicht immer eindeutig sind und verschieden interpretiert werden können. Von Menschen, Nraurn und Feenvolk gleichermaßen. Lillia und ihre Begleiter Amra, Jemren und Gorun haben einen weiten Weg vor sich, der die Grenzen dessen, was sie sich zu Beginn vorstellten, weit hinter sich lassen wird.




    Über die Autorin


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    Meine Meinung


    Auch wenn die Eindrücke noch frisch sind, da ich heute Abend ausgelesen habe, fällt es mir schwer, eine dem Buch angemessene Rezi zustande zu bringen. Denn die Trilogie „Die Insel der Stürme“, von der dieses der Abschlußband ist, umfaßt wesentlich mehr als nur eine Fantasy-Geschichte; ist mehr als ein Roman, den man liest, um ihn an Ende zuzuklappen, ins Regal zurück zustellen und zum nächsten Buch überzugehen. Das funktioniert für mich nicht; zu viel ist in diesem Buch passiert.


    Erinnern wir uns: die Ausgangslage ist alles andere als rosig. Jemren verletzt, Anrynan kann ihm nicht helfen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit; wenn sich die Prophezeiung erfüllt, geht die Welt unter. So müssen sich unsere Helden also wieder auf die Reise begeben, denn noch ist Lillia nicht zuhause. Doch was wird sie dort erwarten, wo ist dieses zuhause? Was passiert, wenn sich eine Prophezeiung erfüllt, was passiert mit den Handlungsträgern dieser Prophezeiung, wenn wir plötzlich Sätze wie diese erfahren:

    Wie interpretiert man so eine Stelle? Ist sie eindeutig - oder nicht?


    Immer wieder müssen die Protagonisten - und wir mit ihnen - die Erfahrung machen, daß vieles nicht so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Daß es selten nur einen richtigen Standpunkt, eine richtige Sichtweise gibt. Daß ein Ereignis von zwei verschiedenen Seiten aus betrachtet völlig verschiedene Deutungen erfährt.


    Zwischen dem dem „Herrn der Dunkelheit“ und diesem Buch habe ich einen Bruch empfunden, einen Bruch in der Behandlung des Feenvolkes. Das mag aber daran liegen, daß sie in der „Königin der Quelle“ nicht nur ein Mythos, sondern teilweise selbst Handelnde sind. Der Mythos wird real, Teil der realen Welt. Ob einem das paßt oder nicht, ob man daran glaubt oder nicht.


    Die Gegensätze zwischen dem „Ungläubigen“ Norden und dem „Gläubigen“ Süden kommen hier nochmals voll zur Geltung. Nur um bisweilen zu erkennen, daß man zwar das gleiche meint, aber unterschiedliche Begriffe benutzt. Oder bestimmte Dinge einfach als „nicht existent“ wegdiskutiert.


    An manchen Stellen hätte ich mir eine episch ausladendere Erzählweise gewünscht. Das mag aber an mir liegen: warum etwas in einem Satz sagen, wenn es auch in dreien geht? Hier wurde im Zweifel eine Aussage in einen Satz gepackt. Das ergibt (für mich) eine teilweise kompakte Geschichte, die ob des Tempos konzentriertes Lesen erfordert. Andererseits hat mich das Buch gefesselt, wie schon lange keines mehr. Ich habe innerhalb von neun Tagen die gesamte Trilogie gelesen und konnte die Bücher kaum aus der Hand legen.


    Was mir ausnehmend gut gefallen hat, ist die von der ersten bis zur letzten Seite durchdachte Welt mit ihrer Geschichte, die sich stückweise offenbart; mit ihrer Mythologie und den daraus entstehenden Konflikten; von den Gegensätzen zwischen den Völkern, den Mißverständnissen und Machtgelüsten mit den teilweise furchtbaren Ergebnissen, welche diese zeitigen, die mich immer wieder an unsere eigene Welt denken ließen. Ständig aufs Neue hatte ich das Gefühl, eine Parabel über unsere eigene Welt, unsere eigene Zeit zu lesen. In dem Buch sind mehr Anregungen zum Nachdenken enthalten, als sich in einer Rezi unterbringen und mehr, als sich bei einem einmaligen Lesen verarbeiten lassen.


    Am Ende, am Ende ist nichts mehr, wie es am Anfang war. Mit voller Wucht prallen im Verlaufe des Buches die verschiedenen Standpunkte und Interessen aufeinander, mehr als ein Mal bedeutet das ganz konkret Kampf und Krieg. Immer wieder fragt man sich nach der Motivation, den eigentlichen Zielen des Handelns, wird überrascht von Unerwartetem. Bis sich am Ende alles folgerichtig fügt, das Zerrissene wieder zusammengefügt, die Prophezeiung erfüllt ist.


    Dann heißt es endgültig Abschied nehmen; Abschied von Amra, Jemren und Gorun. Und Abschied von dem Einen Kind, von Lillia. Ein Abschied von liebgewordenen Menschen, der mir unsäglich schwer fällt, doch es hilft ja nichts.


    Jetzt habe ich alles gesehen, was ich sehen wollte, und alles getan, was mir wichtig erschien. Letztlich kommt es nur darauf an. (Nach Seite 377)




    Kurzfassung:


    Der Schlußband der „Insel der Stürme“. Noch einmal müssen sich das Eine Kind und seine Begleiter auf den gefahrvollen Weg über die Insel machen. Das grandiose Finale der Trilogie. Mit einem beeindruckenden, nachdenklichen Epilog. Die beste Fantasy, welche ich seit langem gelesen habe.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Damit ich nicht alles kennzeichnen muß, schreibe ich in ein neues Post anstatt zu editieren.


    Vielleicht sollte ich nach Abschluß eines Buches doch erst mal drüber schlafen, ehe ich eine Rezi schreibe. Ergänzen möchte ich noch, daß es am Schluß teilweise recht schnell ging. Wie soll ich mich ausdrücken. Ich habe in der Rezi erwähnt, daß ich mir das Buch etwas länger, manche Szenen ausführlicher gewünscht hätte. Das gilt auch für den Teil nach dem „Showdown“. Der hätte gut und gern noch zehn oder zwanzig Seiten mehr vertragen. Um einen Vergleich zu bringen (ich spoilere, weil damit teilweise das Ende verraten wird):


    Was mich, nachdem ich ein Mal drüber geschlafen habe, zunehmend beeindruckt, ist die Verbindung von Fantasy und Mythologie, sowie Konfliktlagen aus unserer hiesigen Welt, die es in den drei Büchern gibt. Das läßt sich mit einem Mal lesen gar nicht alles erfassen, was alles drin steckt. Aus dem Stegreif fällt mir nichts vergleichbares ein.


    Die Protagonisten wurden für mich auf eine Weise lebendig, wie ich es nicht zu oft erlebt habe. So auf die Schnelle fallen mir da nur die Bücher von Iris Kammerer, nämlich die Cinna-Trilogie sowie „Varus“ (mit Titus Annius und Thiudgif) ein.


    Punktemäßig tue ich mich sehr schwer. Inhaltlich absolut top fehlen mir halt ein paar Seiten zum „rundum zufrieden sein“. Ich schwanke darum noch zwischen 9 und 10.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich tu mir auch schwer mit einer ausladenderen Rezi. Ich mecker so gern, und es gibt auf die schnelle nichts, was ich zu beanstanden hätte.


    Eine interessante Fantasy-welt. Ein wunderbares buch, eine wunderbare, durchgehend spannende trilogie mit einem versöhnlichen, ruhigen ausklang.


    Kurz vor dem schluss des letzten bandes, im vorletzten abschnitt war ich unter all den kleinen grüppchen, die miteinander und gegeneinander zogen etwas verwirrt, wusste nicht, wie es sich noch entwickeln könnte, aber das gehörte zum gesamtbild der zerrissenen, zersplitterten insel, und das nicht mehr ganz wissen, wie weiter, gehört zum buch.


    Das auseinandersetzen mit konträren ansichten und meinungen ist der kern des buches. Als leser wird man in einen kulturkampf gezogen, der zum facit kommt: alle seiten haben sowohl unrecht, wie auch in teilbereichen recht, keiner hat die ganze wahrheit.
    - Nicht einmal die 'götter', die eigentlich nur 'feen' sind, ein altes volk, aber nur eines von vielen, und nicht einmal das älteste, da die elementargeister älter sind... Neugierige leser landen in einem mythologischen fragment, die herkunft der 'götter' und auch der Nraurn sowie der menschen selbst bleibt im dunkel.


    Ich hätte tatsächlich auch gerne noch etwas bei den figuren auf der insel verweilt. Nicht unbedingt ein ganzes kapitel, sondern zumindest einen informativen absatz lang.


    Aber das ende, indem die hauptfiguren der geschichte selbst zu mythischen figuren einer entfernten vergangenheit werden, macht als schlusskapitel wirklich sinn. Wunderbar gelöst.
    Es passt als teil eines matriarchat-leseclusters irgendwie zum kunstmythos der Nebel von Avalon von MZB, nur wissen wir dort bereits, dass die hauptpersonen mythische figuren sind, die uns näher vorgestellt und vertrauter gemacht werden.
    Hier werden die uns davor unbekannten akteure zuerst zu vertrauten und dann zu mythischen figuren, was ebenfalls zum nachdenken über die eigene mythologie anregt...



    Ich habe letzterzeit genug anderes gelesen, das bei mir mehr innere reibepunkte und frust/schmollecken hinterlassen hat, einmal muss man als leser auch mal nach seiner lektüre zufrieden sein, sonst kann man das lesen ja gleich aufgeben.
    Hier war ich im vergleich zu den Darkover-büchern wirklich zufrieden, ich glaube, ich geb ihm eine 10 - einen punkt vorschußlorbeere - in der vagen hoffnung, dass die Autorin irgendwann in der zukunft wieder auf ihre insel zurück-kehrt und die kleineren lücken in der geschichte des feenvolks füllt.


    Obwohl... ich bin mir, je mehr ich darüber nachdenke, gar nicht mehr so sicher, ob es das braucht:


    So gesehen ein sehr weises buch... kann sein, dass ich zuviel neopagane und taoistische philosophie hinein interpretiere, und interpretation ist laut buch abhängig vom blickwinkel, ein anderer sieht ganz anderes. Ich glaub, es war Marcel Proust, der einmal sagte, ein leser sei immer ein leser seiner selbst. Hier in diesem buch wird man erneut darauf aufmerksam gemacht, dass, was man selbst in einen sachverhalt hineingeheimst und was tatsächlich sache ist, ganz verschiedene paar schuhe sein können.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Danke für Deine ausführliche Rezi. :anbet Du hast das in Worte gefaßt, was mir nicht gelungen ist; dadurch habe ich (zumindest ansatzweise) verstanden, weshalb mir die Trilogie so gut gefallen hat (und ich geistig immer noch damit zugange bin).


    Dein Vorschlag mit den Punkten ist genial. :licht Für die 10 Punkte fehlen mir, wie gesagt, einfach ein paar Seiten. Andererseits war das so hervorragend gut, daß ich Gewissensbisse habe, deswegen einen Punkt abzuziehen. Ich habe jetzt 10 Punkte vergeben. 9 für das Buch und 1 als Bonus in der Hoffnung, künftig weitere so gute Bücher dieser Autorin lesen zu können. Egal ob auf der Insel oder anderswo (Hauptsache kein Mittelalter :rolleyes ). :-]

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")