Über das Buch
(bei amazon.de abgekupfert)
Von der ersten Seite an werden Sie niemals wieder einen Espresso trinken, ohne an Mann und Frau, England und Afrika, Liebe und Kaffee zu denken.Woher kommt eigentlich Kaffee? Schmeckt er weltweit gleich? Und: taugt er als Aphrodisiakum? Im Jahr 1895 treiben den Londoner Dandy Robert Wallis andere Fragen um: Ihn bedrücken Schulden, die schlagende Ignoranz seiner Mitwelt gegenüber seinem überwältigenden Genie und ein ganz klein wenig auch das bohrende Gefühl, dass es mit diesem überwältigenden Genie vielleicht doch nicht ganz so weit her sein könnte. Gleichzeitig hat Robert Wallis einen festen Vorsatz: um keinen Preis einen Handschlag zu tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Da erreicht den darbenden Dichter ein kurioser Auftrag: "Erfinde eine universell verständliche Sprache für das Aroma von Kaffee!" Samuel Pinker, schwerreicher Kaffeehändler und einer der ersten Big Player der globalisierten Geschäftswelt Ende des 19. Jahrhunderts, wendet sich mit dieser heiklen Mission ausgerechnet an den Taugenichts Wallis - auf Vorschlag seiner Tochter. Der Beginn einer furiosen Liebesgeschichte, die nach Afrika, Südamerika und in den Tod führen wird - und darüber hinaus.
Über den Autor
(dito)
Anthony Capella wurde 1962 in Uganda geboren und besuchte in England das St Peter’s College der University of Oxford. Er ist ein literarischer Genussmensch, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Lesern seiner Bücher Sinnesfreuden zu bescheren. Anthony Capella hat bereits zwei Romane veröffentlicht, die in 22 Sprachen übersetzt wurden. Er lebt in Oxfordshire.
Meine Meinung
London, 1895. Der Möchtegern-Dichter und unter Geldnöten leidende Dandy Robert Wallis nimmt den Auftrag des Kaffeehändlers Samuel Pinker an, die verschiedenen Aromen des Kaffees in einem Kompendium zu beschreiben und zu klassifizieren - und begegnet dabei Pinkers drei freigeistigen Töchtern Emily, Ada und Philomena. Eine Romanze bahnt sich zwischen Robert und Emily an, sehr zum Unwillen ihres Vaters. Robert soll Emilys Hand nur dann erhalten, wenn er sich beim Aufbau einer Kaffeeplantage in einer unzugänglichen, unerschlossenen Gegend Afrikas bewährt.
Auf seiner Reise ins Innere des Kontinentes gerät Robert in den Bann der überirdisch schönen schwarzen Sklavin Fikre - und beschließt, sie ihrem Besitzer abzukaufen und ihr die Freiheit zu schenken. Eine Entscheidung, die nicht nur für ihn schwerwiegende Folgen haben wird...
So in etwa lautete die englische Kurzbeschreibung, als ich zufällig über dieses Buch stolperte - und zusammen mit dem kitschig-orientalistischen Cover der englischen Ausgabe (s.u.) ließ dieses Buch eine triefende Schmonzette erwarten. Gekauft hab ich's trotzdem - hey, im Urlaub kann man sowas schon mal lesen, dachte ich, und nach Afrika und 19. Jahrhundert war's mir grad eh.
Ich wurde eines besseren belehrt.
Capella ahmt in diesem Buch Schreibstil und Aufbau eines Romans der viktorianischen Ära unglaublich gekonnt nach, bis hin zu Passagen, die ganz aus Roberts Briefen während der Reise bestehen. Er zaubert Farben, Gerüche und Geschmäcker herbei, beschwört die Atmosphäre jener Epoche herauf, in einem Roman, der sowohl Reise- als auch Bildungsroman ist und darüber hinaus ein historischer Roman im besten Sinne: die Blüte des Kapitalismus im ausgehenden 19. Jahrhundert, die Frauenbewegung und der Kolonialismus werden lebendig und anschaulich geschildert, ohne dabei in Klischeefallen zu tappen oder langatmig zu werden. Besonders begeistert haben mich die Stellen, an denen Samuel Pinkers Geschäftspläne (ein künstlich herbeigeführter Börsencrash zum eigenen Vorteil, die absichtliche Vernichtung von Ernten zur Preisstabilisierung) eine faszinierende Brücke zwischen Damals und Heute schlagen.
Das Buch mag zwar manchmal saftig in seinen Schilderungen sein - kitschig ist es jedoch niemals, schon gar nicht schmonzettig; dafür sorgen allein die unerwarteten Wendungen - und die charakterliche Entwicklung der Protagonisten. Robert Wallis, der einem mit seinem Schnösel-Getue und seinem gezierten Gequatsche auf den ersten Seiten gehörig auf den Wecker geht, reift im Laufe des Buches zu einem richtig feinen Kerl mit Herz und Charakter, den man einfach mögen muss.
Weshalb ich ihm das nur ein klein wenig zu rosarot geratene Ende der Geschichte von Herzen gönne - das hat er sich wirklich verdient, und man selbst als Leser gleich mit.
Wer mal wieder ganz in die viktorianische Epoche abtauchen möchte, Bücher voller Sinneseindrücke und Abenteuer ebenso liebt wie einen detailreichen Schreibstil - der ist mit diesem Buch bestens bedient.
Aber Achtung: ich zumindest hatte große Mühe, es zwischendurch mal aus der Hand zu legen!