Rot ist mein Name - Orhan Pamuk

  • OT: Benim Adim Kirmizi


    Kurzbeschreibung:
    Man schreibt das Jahr 1591, Istanbul ist vom Schnee bedeckt. Ein Toter spricht zu uns aus der Tiefe eines Brunnens. Er kennt seinen Mörder, und er kennt auch die Ursache für den Mord: ein Komplott gegen das gesamte Osmanische Reich, seine Religion, seine Kultur, seine Tradition. Darin verwickelt sind die Miniaturenmaler, die beauftragt sind, für den Sultan zehn Buchblätter zu malen, ein Liebender und der Mörder, der den Leser bis zum Schluß zum Narren hält. Ein spannender Roman, der, als historischer Krimi verkleidet, immer wieder auch auf die gegenwärtige Spannung zwischen Orient und Okzident verweist.



    Über den Autor:
    Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den "Independent Foreign Fiction Award", 1991 den "Prix de la découverte européene", 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. Der in seiner Heimat umstrittene Autor ist der erste türkische Schriftsteller, der die renommierte Auszeichnung erhält. Das Nobelpreiskomittee lobte seine Vermittlerrolle zwischen Orient und Okzident. 2006 erhielt Orhan Pamuk die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin und 2007 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Bosporus Universität in Istanbul ausgezeichnet. Der Schriftsteller lebt in Istanbul.



    Meine Meinung:
    Dieser Roman verlangt dem Leser so einiges ab, neben dem Interesse an historischer Buchmalerei im Osmanischen Reich und in Europa zur Zeit der Renaissance vor allem Geduld und den Sinn für ausschweifende Beschreibungen. Der Mord an einem Buchmaler ist nur der Ausgangspunkt für die Darstellung des Bilderstreits Ende des 16. Jahrhunderts in der Türkei. Diese Auseinandersetzung ist die eigentliche Hauptfigur des Romans, die darin enthaltene Liebesgeschichte ebenso schmückendes Beiwerk wie die "Kriminalhandlung". In einer größtenteils poetischen Sprache wird der Leser in diesen Streit einbezogen, erfährt die verschiedenen Positionen, aber auch sehr viel über das Leben und die Arbeit der Buchmacher selbst. Durch die ständig wechselnden Erzählperspektiven, in denen nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch Gegenstände und abstrakte Formen (z.B. die Farbe Rot oder der Tod) zu Wort kommen, erhält der Leser ein komplexes Bild von den Geschehnissen und den Charakteren. Viele der Sprecher verwenden Fabeln oder erklären mithilfe vergangener Ereignissen, um das Gesagte verständlicher zu machen. Ob dies auch für den heutigen Mitteleuropäer gilt, wage ich zu bezweifeln, ich für meinen Teil hatte des öfter Schwierigkeiten, die zahlreichen Padischahs und Fürsten auseinanderzuhalten und konnte an manchen Stellen dem Erzählten nicht ganz folgen.
    Mein Fazit: Eine durchaus interessante Geschichte, die tiefe Einblicke in eine spannende Epoche gibt und auf ungewöhnliche Weise erzählt wird, dabei aber einige Längen hat, die Lesefluss und -vergnügen etwas hemmen.


    Von mir 7 Punkte! :wave



    Zu dem Buch gab es eine gemeinsame Leserunde, die >HIER< nachgelesen werden kann.

  • Herzlichen Dank für diese sehr informative und ausführliche Rezi - leider führt sie dazu, dass die Schwindsucht in meiner Geldbörse sich weiter ausbreiten wird. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich kann mich eigentlich Milla in allen Punkten anschliessen.


    Ich hatte das Buch mit grosser Begeisterung begonnen, mochte die poetische Sprache (hier in der englischen Uebersetzung), die ungewoehnlichen Perspektiven, und einfach auch die fuer mich unbekannte Kultur. Und begann auch ganz gezielt mir Zitate rauszuschreiben. Hier eines der schoensten fuer mich:


    "Painting is the silence of thought and the music of sight."


    Die unterschiedlichen Charaktere sind sehr gut beschrieben und jede Figur bringt dem Leser einen anderen Teil der Gesellschaft zur Zeit des osmanischen Reiches naeher.


    Die Beschreibung des Streites um den richtigen Malstil ist vor allem ein religioeser Streit - ist Portraitmalerei und Techniken wie perspektivisch zu zeichnen gotteslaesternd? Aus Venedig kommen die Gedanken der Renaissance ins osmanische Reich und sorgen fuer Aufruhr. Ost und West sind hier total im Gegensatz. Doch wie sagt der Koran? Pamuk zietiert ihn gleich zu Beginn seines Buches:


    "To God belongs the East and the West." - Koran, "The Cow" 115


    Ich wuenschte, auch unsere heutige Welt koennte sich oefter an diesen Satz erinnern! Leider muessen da sowohl die Charaktere in Pamuks Buch noch einen Lernprozess durchmachen (und viele sind auch am Ende der Seiten noch nicht soweit) als auch die Menschen unserer Zeit.


    Allein fuer diese Gedanken hat sich fuer mich das Lesen gelohnt. Ich danke der Leserunde, ohne die ich dieses Buch kaum entdeckt und in die Hand genommen haette.


    Doch ganz ohne Schwaechen ist das Buch nicht. Ich bin doch enttaeuscht, dass Pamuks Gedankengaenge oftmals seeeehr ausschweifenden Erzaehlungen und Details untergehen.


    Das Thema 'Bilderstreit' so weit ausgebreitet, dass es mir einfach zu viel wurde. Ich hab grosse Strecken nur noch quer gelesen. Die geschichtlichen Hintergruende wurden ob der vielen Namen diverser Schahs und die haeppchenweise Darbietung ueber alle Kapitel verteilt doch sehr verwirrend. Auch die Fabeln konnte ich nur schwer verstehen. Immer wieder wird hier und da auf unterschiedliche Teilaspekte verwiesen. Aber ich hatte grosse Muehe sie im Zusammenhang zu sehen und dadurch auch die Kultur besser zu verstehen.


    Ich denke mit 100 Seiten weniger und etwas gradliniger erzaehlt, haette mir und vielen anderen Lesern (wie man von anderen Rezensionen sehen kann) sicherlich mehr bringen koennen.


    Fazit: Ein sehr interessantes Buch, das mir sehr viel beigebracht hat, eine Leseerfahrung, die ich nicht missen moechte. Leider geht einiges von der Intention des Autors in der Fuelle der Details verloren und ergibt streckenweise eher Leselangeweile.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Orhan Pamuk erzählt uns in „Rot ist mein Name“ einen Krimi, ein Märchen, eine Liebesgeschichte und ganz viel über Buchmaler, ihre Werkstätten, ihre Vorlieben und Schandtaten. Was anfänglich noch wie ein Märchen verzaubert, lässt den Leser später in Geduld üben.


    Der Autor beherrscht eine herrliche Sprache, ganz ohne Zweifel, versteckt zwischendurch immer wieder interessante Passagen und schaffte es dennoch nicht, mich damit bei Laune zu halten.


    Deshalb auch nur 4 Punkte.

  • Pamuks Schreibstil hat mir sehr gefallen, hinsichtlich des Inhaltes traue ich mir keine wirkliche Bewertung zu.
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    Ich hatte das Gefühl, dass in den Schilderungen des Hundes, des Baumes etc. neben der offenen oft noch eine versteckte Botschaft verborgen war, die man wahrscheinlich nur versteht, wenn man viele der alten arabischen Texte und Dichter oder die geschichtlichen Hintergründe kennt. Als Krimi ist dieses Buch m. M. nach überhaupt nicht anzusehen. Es ist eine eine Hommage an die Buchmalkunst, eine Geschichte des Wandels in der Buchmalkunst, eine Parabel auf das Morgenland und das Abendland. Eine Geschichte in der Geschichte. Das hat mich bis zum letzten Drittel wirklich begeistert, ab da nahmen mir die ausufernden Schilderungen der Buchmalkunst und die seitenlangen Erzählungen und Aufzählungen ein wenig überhand.

  • Hm, ich fand das Buch sehr viel weniger ausschweifend als Das Museum der Unschuld. Für Pamuk braucht man scheinbar immer viel Geduld, aber da das für mich selten ein Problem ist, hat mir Rot ist mein Name sehr gefallen. Die Sprache ist wunderschön. Die Geschichte aus unterschiedlichen und teilweise sehr ungewöhnlichen Perspektiven zu erzählen, hat die Langatmigkeit der Erzählung aufgewogen. Mir hat diese Verzögerungstaktik, in einem spannenden Moment erstmal 20 Seiten religiöse Betrachtungen über die Buchmalerei einzuflechten, sogar sehr gefallen. Pamuk spielt mit dem Leser, auf dieses Spiel muss man natürlich Lust haben sich einzulassen. Und ganz ohne Interesse an der Thematik der Buchmalerei geht es wahrscheinlich. Da ich das Gefühl hatte, das Pamuk nicht nur über Istambul im 16. Jahrhundert schreibt, sondern auch die heutigen Konflikte zwischen Ost und West thematisiert, fand ich das Ganze sehr spannend.
    Wird nicht mein letzter Pamuk sein.