Kurzbeschreibung
An den Ufern der Unstrut wird das Jahr 531 zum Schicksalsjahr für die thüringische Königstochter Radegunde. Mit dem Einfall des Frankenkönigs Chlothar verliert sie ihre Freiheit, ihre Heimat und ihre Jugendliebe. Während die Thüringer Herrscherfamilie den Königsschatz und sich selbst in Sicherheit bringt, fällt Radegunde in die Hände der siegreichen Franken. Chlothar erkennt bald den unschätzbaren Wert seiner Beute… Radegundes Schicksal ist ein Spiegel der Zeitenwende zwischen Antike und Mittelalter. Ihr Grab befindet sich im Kloster Sainte-Croix in Poitiers, besonders in Frankreich wird sie noch heute als Heilige verehrt.
Über die Autorin:
Simone Knodel wurde 1962 in Bleicherode im Südharz geboren und studierte Mathematik, Physik und Pädagogik in Erfurt. Mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt sie am Fuße der Burg Lohra und arbeitet als Studienrätin für Mathematik und Physik.
Meine Meinung:
Die von Simone Knodel erzählte Lebensgeschichte von Radegunde, der Tochter des thüringischen Königs Bertachar, erstreckt sich über einen Zeitraum von fast 60 Jahren, beginnend mit dem Jahr 531, in dem Radegunde nach dem Tod ihres Vaters zum politischen Spielball der Kriege zwischen Franken und Thüringen wird, bis hin zu ihrem Lebensabend als Nonne im Kloser Sainte-Croix in Poitiers. Es ist ein bewegendes Leben, auf das die alte Frau am Ende ihrer Tage zurückblickt, eng verbunden mit dem Schwinden der alten Religion und dem sich ausbreitenden Christentum. Im Glauben an die alten Götter geboren und die ersten Jahre ihres Lebens aufgewachsen, kommt sie am Hofe ihres Onkels Herminafried mit dem Christentum in Berührung und wird getauft, lebt diesen Glauben aber zunächst nur mit halben Herzen. Erst als sie Menschen verliert, die ihr nahe stehen und durch die aufgezwungene Ehe mit dem Frankenkönig Chlothar, festigt sich der christliche Glauben und sorgt schließlich dafür, dass sie aus ihrer Ehe ausbricht und als Nonne in ein Kloster geht. Ausgestattet mit königlichen Würden und mit der finanziellen Unterstützung durch ihren Ehegatten Chlothar ist es ihr möglich, Klöster, Armenhäuser und Krankenunterkünfte zu errichten und ihr Leben ganz dem christlichen Gott zu weihen.
Simone Knodel zeichnet ein sehr dichtes und gute recherchiertes Bild der Radegunde von Thüringen, das ein ganzes Leben umfasst, sich dabei auf die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben konzentriert, ein Leben voller Höhen und Tiefen, Sehnsucht nach der Heimat und verlorenen Freunden, später auch Sehnsucht nach einem ganz Gott gewidmeten Leben und dem Wunsch, anderen Menschen zu helfen. Erfreulich ist, dass dabei kein "Frau in Hosen"-Roman entstanden ist, sondern die Geschichte einer Frau mit starkem Willen, der es gelingt, mit Würde und natürlicher Autorität die Dinge anzufassen, die ihr wichtig sind und deren Engagement für die Armen ihr die Herzen der Menschen geöffnet hat. Aufgeteilt ist dieses Buch in drei Teile. Der erste trägt den Titel " Die Prinzessin und erzählt von der Jugend der Radegunde in Thüringen und der Verschleppung nach Franken, der zweite ist übertitelt mit "Die Königin" und berichtet von den Jahren als Königin der Franken an der Seite von Chlothar und der dritte schließlich trägt den Titel "Die Nonne". An den drei Teilen ist sehr schön der Wandel und die Reifung von Radegunde zu erkennen - von der thüringischen Prinzessin mit dem Glauben an die alten Götter, der Königin mit der Erziehung zum christlichen Glauben bis hin zur Nonne mit dem tiefen Glauben an Gott. Die ersten beiden Teile lesen sich wie ein historischer Roman, beim letzten Teil wird deutlich, warum Radegunde später als Heilige verehrt wurde. Es ist der Wandel von der weltlichen zur geistlichen Frau, die sich zunächst bis aufs Blut geißelt, später aber von dieser extremen Art der Gottfindung wieder abkommt. Simone Knodel gelingt es, diesen letzten Teil völlig wertfrei zu erzählen. Sie zwingt Radegundes Glauben dem Leser nicht auf, lässt ihm die Möglichkeit, sich selber ein Bild über diese Frau und ihren Weg zu machen. Das Christentum wird nicht verherrlicht. Radegundes Glauben bleibt bescheiden wie sie selbst.
Es ist viel Stoff für die 300 Seiten, die dieses Buch umfasst. Die Seitenzahl sollte aber nicht abschrecken, denn das Buch ist etwas großformatiger (Als reguläre Taschenbuchausgabe dürften das knapp 100 Seiten mehr sein). Platz genug jedenfalls, um ein interessantes und intensives Leben zu erzählen, ohne dass der Leser das Gefühl hat, es würden Teile auf der Strecke bleiben. Ein Buch ohne Längen und so interessant, dass es sich nur schwer aus der Hand legen lässt. Sämtliche Protagonisten sind liebevoll und facettenreich gezeichnet. Es fällt schwer, jeden einzelnen davon wieder gehen zu lassen. Selbst dem jähzornigen Chlothar kann man noch etwas abgewinnen. Simone Knodels Schreibstil ist flüssig und sehr bildhaft. Er lässt das 6. Jahrhundert mit all seinem Schmutz, Blut, Kämpfen, Krankheiten, Farben und Gerüchen vor dem inneren Auge wieder auferstehen.
Für Leser, die sich für das Leben von historischen Figuren interessieren, für die Christianisierung und die Feldzüge zwischen Thüringen und Franken ist dieses Buch wirklich empfehlenswert. Ich bin froh, dass ich diese Perle hier bei den Büchereulen entdeckt habe. Manchmal lohnt es sich eben doch, über den Tellerrand der großen Verlage hinauszuschauen. Ich wünsche diesem Buch, das mit einem Glossar, einem Namensverzeichnis, einem Ortsverzeichnis und einer Karte ausgestattet und mit Illustrationen von Horst Wolniak versehen ist, viele viele Leser.
Das Buch wandert derzeit:
WB: Radegunde von Thüringen
EDIT: Rezi um Autoren-Vita ergänzt