The Selected Works of T.S. Spivet/Die Karte meiner Träume - Reif Larsen

  • Ich habe das Buch auf Englisch gelesen, es wird im September auf Deutsch erscheinen unter dem - für mich merkwürdigen - Titel "Die Karte meiner Träume". Warum man das Buch nicht einfach "Ausgewählte Werke von T.S. Spivet" genannt hat, weiß wohl alleine der Verlag.



    Kurzbeschreibung von Amazon
    T. S. Spivet ist zwölf Jahre alt und ein genialer Kartograph. Denn er weiß genau, dass nichts von Dauer ist. Der Whiskykonsum seines Vaters wird ebenso in Diagrammen festgehalten wie die Anatomie von Glühwürmchen. Inmitten seiner merkwürdigen Familie lebt er auf einer Ranch in einem flachen Tal in Montana. Und eines Nachts begibt sich T.S. auf die Reise nach Washington und damit in ein unglaubliches Abenteuer.
    Reif Larsens Debüt ist ein Juwel: Ein mit vielen Karten und wundervollen Zeichnungen versehener Roman über Freundschaft, Kindheit, Schuld und über Zuhausesein. Ergreifend, geheimnisvoll und verspielt, ein wahres Feuerwerk von Gefühlen und Ideen.
    "Die Karte meiner Träume" besitzt den Schimmer eines alten Hollywood-Films und ist gleichzeitig aufeinzigartige Weise neu.


    Zusammenfassung
    Das Buch erzählt aus der Sicht von T.S. Spivet, der alles in seinem Leben in Karten und Skizzen festhält. Er lebt auf einer Ranch in Montana zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester. Sein Vater ist ein schmallippiger Cowboy, seine Mutter eine Wissenschaftlerin mit dem Ziel die Existenz eines nicht existierenden Käfers zu beweisen. Seine große Schwester Gracie träumt von Hollywood und findet ihr Leben auf der Ranch unerträglich. Sein kleiner Bruder Layton starb bei einem Unfall.
    T.S. Karten sind so gut, daß sie in wissenschaftlichen Magazinen erscheinen und im berühmten Smithsonian ausgestellt sind. So gut sogar, daß T.S. den renommierten Baird Award erhalten soll - ohne daß das Smithsonian weiß, daß T.S. erst zwölf Jahre alt ist.
    T.S. beschließt also, sich auf die große Reise von Montana nach Washington zu machen, um den Preis anzunehmen, allerdings ohne seinen Eltern davon zu erzählen.
    Wir reisen also mit T.S. "hobo style" Richtung Osten, mit dem Zug, im Wohnmobil und im LKW, um dort auf eine Welt zu stoßen, die so gar nicht den großen Wünschen von T.S. entspricht.


    Meine Meinung
    Hm. Das ist ein bißchen schwierig. Vorab: Ich habe das Buch in der Buchhandlung spontan gekauft, weil ich die Aufmachung einfach wunderschön fand. Ein außergewöhnliches Format (quadratisch) und ganz viele Illustrationen, Diagramme, Zeichnungen und Randnotizen. Ich wußte nicht wirklich, um was es ging, nahm das Buch einfach mit. Ich wurde nicht enttäuscht.
    T.S. Stimme ist wunderschön (auch wenn man an vielen Stellen nicht glaubt, daß hier ein 12jähriger zu uns spricht). Er beobachtet seine Familie auf eine warme Art und Weise, so daß einem selbst sein rauhbeiniger Vater sofort ans Herz wächst. Die kleinen Episoden, die er seinem Bruder Layton widmet, haben mich sehr gerührt, ohne daß sie jemals kitschig gewesen wären. Die einzige, die etwas ungreifbar bleibt, ist seine Mutter. Bei ihr wußte ich ehrlich gesagt nie, warum sie so lebt, wie sie lebt.


    Die große Schwäche des Buchs ist aber leider, daß die Story allein sehr dünn ist. Es passiert im Grunde genommen nichts anderes, als die Reise von T.S. von seiner Ranch nach Washington. Auch die Geschichte in der Geschichte (über seine Ur-ur-Großmutter) im Mittelteil des Buches schwächt es sehr.
    Dafür ist der Anfang des Buches, in dem T.S. die Ranch und seine Familie beschreibt, wirklich gut und auch zum Ende hin, wenn T.S. in Washington angekommen ist, nimmt das Buch wieder Fahrt auf. Und schon allein all die verschrobenen Zeichnungen ("The five Types of Boredom", "Nervous Itsy Bitsy" oder "Selected Stages of Male Pattern Baldness") entschädigen für so manche Länge im Mittelteil.


    Und eins muß ich noch erwähnen: Ich lache selten lauthals, wenn ich ein Buch lese. Aber bei diesem mußte ich doch. Wer das Buch selbst liest, möge auf Seite 84 an mich denken, wenn T.S. beschreibt, wie Layton und er das Computerspiel besiegt haben... Wirklich... Ich mußte fünf Minuten lang einfach nur lachen.


    Ich denke also, daß man nicht zu viel von diesem Buch erwarten sollte. Es ist keine Literatur sondern außergewöhnliche und ausgefallene Unterhaltung mit Stärken und Schwächen. Ich mochte es aber wirklich und gebe ihm 7 von 10 Punkten.

  • Habe auch die englische Ausgabe gekauft, weil mir die Gestaltung so gut gefällt. Bin allerdings noch nicht ganz fertig damit. Die Zeichnungen, Randbemerkungen usw. sind genial. Kein Roman im üblichen Sinne, das ist wohl wahr. :-)

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Herzlichen Dank für die Rezension - ich warte schon viel zu sehr, meine Erwartungen kann man kaum mehr runterschrauben. Danke auf jeden Fall für die ausführliche Meinung!

  • Die Zeichnungen faszinieren mich besonders, und bei mancher erkennt man sogar das darin versteckte "Laymon", wie T.S. es auch beschreibt. Ich habe es gerade bei "Das Eisenbahnsignal" ganz klein entdeckt :-). Von der Handlung her muss ich momentan meinen Vorrednern beipflichten, das könnte mehr sein!

  • @ Steena: warum brauchtest du solange für jeder Seite? So interessant, so klein gedruckt, oder wie verstehe ich das richtig?


    Interessieren würde mich das Buch schon sehr, aber ich habe Bedenken, dass ich letztlich eher enttäuscht bin.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zitat

    Original von twin
    @ Steena: warum brauchtest du solange für jeder Seite? So interessant, so klein gedruckt, oder wie verstehe ich das richtig?


    Beides :-). Die Anmerkungen sind schon sehr klein geschrieben und in den Zeichnungen sind immer interessante Details versteckt, so dass ich an einer Seite locker doppelt so lang lese wie an einer normalen. Ich werde es wohl heute beenden, bin schon im letzten Teil und habe da nicht mehr allzu viele Seiten.


    Leider wiegt das Buch über ein Kilo, sonst hätte ich dir angeboten, es dir mal probeweise auszuleihen, aber als Büchersendung geht das nicht mehr.

  • Ich mochte "die Karte meiner Träume" :-]


    Ich finde 7 Punkte auch ein wenig knauserig, ich hätte 8 gegeben. :grin
    Die Aufmachung des Buchs ist großartig, da beißt die Maus keinen Faden ab, genauso wie das ungewöhnlich übergroße Format.


    Larsen spielt in der eigentlichen Story mit Extremen, so setzt er seine Familie in die Weiten des staubigen Ranchlandes mit nichts wirklich Wichtigem drum herum, deren extremen Charaktere sich eigentlich aufreiben müssten und es auch tun, denn Layton, das Verbindungsglied zwischen den Fronten der Kinder und dem wortkargen John Wayne Vater ist verschwunden, verunfallt und diesen Unfall arbeitet der Hauptprotagonist im Laufe der Handlung auf und verrät so dem Leser, was denn eigentlich passiert ist.


    Das Familienleben ist eine Katastrophe, die Mutter ist eine völlig in ihrer Aufgaben gefangene Wissenschaftlerin, von der man sich die ganze Zeit über fragt, wie sie diesen Mann kennen und lieben gelernt hat und vor allem wie zur Hölle es die beiden wohl geschafft haben können, gleich drei Kinder in die Welt zu setzen.


    Die älteste Tochter ist ein typischer Teenie, der sich für Mode, Schmuck und das eigene Aussehen interessiert, beseelt vom Wunsch endlich der elterlichen Farm und der Tristesse der Alltags den Rücken zu kehren. Doch hält sie die Familie im wahrsten Sinne des Wortes am Leben, indem sie kocht und der Farm einen Dunst von Normalität einzuhauchen vermag.


    Dann Layton, die Ausgeburt der Normalität, des normalen, fröhlichen Farmsohns, der reiten, schießen und arbeiten kann wie ein großer. Quasi der mini John in den Fußspuren des großen Vater Waynes.
    Der seinen Vater durch sich selbst an die Zukunft der Farm und damit des gesamten Lebens bindet.


    Und T.S, der meines Erachtens als wissenschaftliches Genie mit einer Form von Asperger geschlagen ist, und seine Ticks in schwierigen Situationen, die mit der Familie eigentlich vorprogrammiert sind, nur schwer unter Kontrolle zu bringen mag.
    Ein Kind, das nur schwer zugänglich ist, in seiner eigenen genialen Welt lebt und der nach dem Tod Laytons die Wurzeln zum "normalen" fehlen.


    Die eigentliche Reise fand ich interessant, obwohl ich mich nach einiger Zeit dabei ertappt habe mich umzusehen, ob sich wohl etwas ungewöhnliches am Horizont abzeichnet :-)


    Alles in allem hat mir das Buch wirklich gut gefallen, es gibt gerechtfertigte kleine Abzüge wegen des Verlaufs der Geschichte, aber auf jeden Fall auch ein lesenswertes Buch, für den Fall, dass sich T.S entschieden hätte zu Hause zu bleiben :-]



    angetane Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • In der aktuellen "mobil"-Zeitschrift der Bahn gibt es - neben einer Leseprobe - auch ein Interview mit dem Autor. Ganz nett, zu lesen, was er zu dem Hineinversetzen in seine 9-jährige (:gruebel) Figur zu sagen hat und was es vom eigentlichen Schreibprozess zu berichten gibt.

  • Zitat

    Original von Steena
    In der aktuellen "mobil"-Zeitschrift der Bahn gibt es - neben einer Leseprobe - auch ein Interview mit dem Autor. Ganz nett, zu lesen, was er zu dem Hineinversetzen in seine 9-jährige (:gruebel) Figur zu sagen hat und was es vom eigentlichen Schreibprozess zu berichten gibt.


    Danke für den Hinweis, Steena - das habe ich auf der Zugfahrt gestern auch mit großem Interesse gelesen und freue mich nun noch mehr auf das Buch. :-]

  • Oh, ich hatte es gestern in den Händen, habe es durchgeblättert, es bestaunt, es gestreichelt, dran gerochen... und meiner Mama gesagt, "Das muss ich zu Weihnachten haben!" :angel


    Ich kaufe mir selbst nur äußerst selten Bücher, die mehr als 20€ kosten. Von daher muss das wohl bis Weihnachten warten. :rolleyes Aber meine Mama kann meinen Wunsch gut verstehen. :grin

  • Vorhin entdeckte ich dieses Buch auf Amazon und vermutete schon in der Beschreibung, dass dem Buch scheinbar eine wirkliche Handlung fehlt. Folgende Aussage hält mich nun tatsächlich davon ab, das Buch zu kaufen.


    Zitat


    Die große Schwäche des Buchs ist aber leider, daß die Story allein sehr dünn ist. Es passiert im Grunde genommen nichts anderes, als die Reise von T.S. von seiner Ranch nach Washington.


    Ich habe leider in den letzten Monaten vielerlei Bücher gelesen, bei denen ich bemängeln musste, dass tatsächlich eine wirkliche Handlung fehlt. Genau deshalb bin ich diesbezüglich vorsichtig geworden und danke euch für eure ehrlichen Rezis. :-)