Daisy Sisters - Henning Mankell

  • Daisy Sisters
    Henning Mankell
    Übersetzerin: Heidrun Hoppe
    ISBN: 978-3-552-053991
    Paul Zsolnay Verlag Wien
    558 Seiten, 24,90 Euro
    (bereits 1982 in Schweden erschienen)


    Über den Autor: Henning Mankell, geboren 1948 in Härjedalen, Schweden, lebt als Theaterregisseur und Autor in Schweden und Maputo (Mosamik). Neben den berühmten Wallander-Krimis hat er mehrere Bücher veröffentlicht, die seine afrikanischen Erfahrungen verarbeiten. Mankell hat deutsche Vorfahren. Er ist ein Ururenkel von Johann Hermann Mankell, der in Niederasphe, einem Ortsteil von Münchhausen im hessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf, geboren wurde und später nach Schweden auswanderte. Er ist in dritter Ehe mit der zweiten Tochter von Ingmar Bergman verheiratet, der Theaterregisseurin Eva Bergman. Das von seinem Vater geerbte Hofgut in Sveg hat Mankell 2009 dem schwedischen Dramatikerverband vermacht.


    Klappentext: Im Kriegssommer 1941 macht Elna aus Sandviken mit ihrer südschwedischen Brieffreundin eine Radtour zur norwegischen Grenze. Die Daisy Sisters, wie die Mädchen sich nach amerikanischem Vorbild nennen, lernen zwei schwedische Soldaten kennen, und die naive Elna, die keinen Alkohol verträgt, wird ungewollt schwanger. Den Vater des Kindes wird sie nie wieder sehen, ihre Tochter Eivor zieht sie nur widerwillig auf. Eivor ihrerseits versucht schon als Halbwüchsige mit einem jungen Kriminellen durchzubrennen aber das Abenteuer geht auf tragische Weise schief. Fern von Mutter und Stiefvater will sie danach eine eigene Existenz als Schneiderin aufbauen. Doch es kommt anders als geplant: Sie lernt Jacob, einen jungen Mann aus geordneten Verhältnissen kennen, und als ein Kind unterwegs ist, heiraten sie. Einige Jahre später ist sie geschieden und fängt als allein erziehende Mutter mit einem Sohn und einer Tochter noch einmal von vorne an. Wieder hat sie einen beruflichen Traum, und wieder kommt ihr etwas in die Quere.



    Meine Meinung: Auf dem Cover dieses Buches sind zwei junge Frauen in der Kleidung der vierziger Jahre zu sehen. Lachend sitzen sie im Gras, hinter sich ihre Fahrräder. Es scheinen Elna und ihre Freundin Vivi zu sein, die dem Leser dort ihre Unbeschwertheit zeigen, doch auf sie wartet kein leichtes Leben. Es wird freudlos und ohne Hoffung sein. Warum? Man könnte sagen, weil der geistige Vater dieser bedauernswerten Personen Henning Mankell heißt. Er liebt seine Figuren nicht, besser gesagt, er liebt es, sie in ein endlos traurig erscheinendes Umfeld zu setzen, aus dem es kein Entrinnen gibt. Er steckt sie in ein Laufrad und scheint ihnen mit Vergnügen zuzusehen, wie sie kämpfen und laufen, ohne von der Stelle zu kommen. Dem Leser bleibt es ebenfalls überlassen, sie zu beobachten, zu sehen, wie sie immer und immer wieder Anstrengungen unternehmen, aus dem für sie vorgezeichneten Weg auszubrechen, sich vergeblich bemühen, wie Nachtfalter, ins Licht zu flattern und sich doch nur ihre Flügel verbrennen. Man ist beim Lesen versucht, in die nächste Apotheke zu laufen und eine Familienpackung Antidepressiva zu kaufen und es fragt sich, wer zuerst resigniert aufgibt – der Leser oder die Protagonisten?


    Zwar zeichnet der Autor lebendige Bilder seiner Figuren, arbeitet ihr Umfeld mit Liebe zum Detail aus, und hat einen tiefgründigen und perfekten Schreibstil vorzuweisen, doch gönnt er weder dem Leser noch seinen Hauptpersonen längere Phasen unbeschwerten Vergnügens. Mankell mag die düsteren Szenarien (die zweifellos aus seinen Krimis etwas Besonderes machten) und so lässt er in diesem Buch Elna und später auch ihre Tochter Eivor ununterbrochen erfahren, wie hart und ungerecht das Leben sein kann. Eivor ist die Folge der verhängnisvollen Radtour vom Beginn der Geschichte (sozusagen der Preis für eine winzig kurze Zeit des Glücks im Leben von Elna), und auch sie wird, genau wie ihre Mutter, durch ihr soziales Umfeld und ihre Schwangerschaften an ihren Lebensplanungen gehindert. Die beiden Frauen kämpfen sich durchs Leben, funktionieren, wie man es von ihnen erwartet - Sie ziehen ihre Kinder auf und stellen ihr Lebensglück immer wieder hintenan. Es ist kein typischer Mutter-Tochter-Konflikt, den der Autor aufzeigt, es ist eher ein Konflikt der einzelnen Personen mit sich selbst, mit allen anderen in ihrem Umfeld und mit dem Leben allgemein. Mir persönlich war das zuviel des Unguten. Hinzu kommt noch, dass es mir einfach nicht gefällt, wenn Bücher im Präsens verfasst sind.


    Ich zweifele immer noch, wie dieses Buch zu werten ist. Ich würde es mit Falladas „Kleiner Mann - was nun?“ und Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ vergleichen – sie stehen für mich in etwa auf derselben Stufe der Depressionsskala. Die Lust auf ein weiteres Buch des Autors ist mir erst einmal vergangen.

  • Danke für die ausführliche und sehr interessante Rezension, Eska - mir ist das Buch schon vor einigen Tagen bei Hugendubel aufgefallen :-)


    Zitat

    Original von Eskalina
    Mankell mag die düsteren Szenarien (die zweifellos aus seinen Krimis etwas Besonderes machten) und so lässt er in diesem Buch Elna und später auch ihre Tochter Eivor ununterbrochen erfahren, wie hart und ungerecht das Leben sein kann.


    Ich muss ja gestehen, dass ich ab und an gerne ein etwas "düsteres" Buch lese, auch wenn dieses sich in der Tat schon sehr deprimierend anhört. Ich werde wohl lieber warten, bis es das Buch hier in der Bibliothek gibt und es mir nicht selbst kaufen. :wave

  • Eskalina
    Ich habe deine Rezension deswegen so interessiert gelesen, weil eine Freundin von mir das Buch letzte Woche abgebrochen hat und ich nun mal wissen wollte ob sich eure Meinung denn deckt. Tut sie!



    Zitat

    Original von Eskalina


    Die Lust auf ein weiteres Buch des Autors ist mir erst einmal vergangen.


    So gehts mir schon lange

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich habe dieses Buch gerade gelesen und teile die Meinung der meisten (?) Leser nicht, denn "Daisy Sisters" hat mir trotz der "melancholischen" Atmospäre sehr gefallen:


    Meine Beurteilung:


    Dieser Roman, der in Schweden bereits 1982 erschien, bevor Henning Mankell mit der Serie um Kurt Wallander internationale Berühmtheit erlangte, beschreibt das Leben dreier Frauen einer schwedischen Arbeiterfamilie zwischen 1941 und 1981. Er ist chronologisch in fünf Teile gegliedert, die mit den jeweiligen Jahreszahlen (1941, 1956, 1960, 1972 und 1981) betitelt sind. Der erste Teil handelt von Elna, einem Mädchen aus einfachen Verhältnissen, die bei ihrem ersten fünftägigen Urlaub, einer Radtour mit ihrer Brieffreundin Vivi (die beiden nennen sich "Daisy Sisters, weil das "amerikanisch und schick" klingt) ihrer eigenen Naivität zum Opfer fällt und von einem Soldaten, den sie nie wiedersieht, schwanger wird. Ein Versuch der Abtreibung misslingt und damit sind alle Träume des jungen Mädchens geplatzt, denn nun muss sie ihr Kind aufziehen und mit Freiheit und Berufstätigkeit ist es vorbei...
    Die folgenden Teile zeichnen hauptsächlich das Leben ihrer Tochter Eivor nach, in dem sich bestimmte Muster wiederholen. Auch sie wird durch eine ungeplante Schwangerschaft von ihrem Kurs abgebracht, kann sich ihre beruflichen Träume nicht erfüllen und schuftet als alleinerziehende Mutter in Fabriken, um das Geld für sich und ihre Kinder zu verdienen. Die gelegentlichen Zusammentreffen mit ihrer Mutter sind meist von Spannungen geprägt. Schließlich wird auch noch Eivors Tochter Linda viel zu früh schwanger, sie hadert jedoch nicht mit ihrem Schicksal, sondern scheint die Schwangerschaft als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit in einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession zu sehen...


    Der Roman ist größtenteils von Düsternis, Hoffnung und Rückschlägen bestimmt, trotzdem hat mich dieses Buch sehr beeindruckt. Anhand der Schicksale der drei weiblichen Hauptfiguren kann man authentisch die Veränderungen in der schwedischen Gesellschaft in der Nachkriegszeit bis in die 80er Jahre verfolgen, von den Einschränkungen direkt nach dem Krieg (Lebensmittelknappheit) über den zunehmenden Luxus in den 50er und 60er Jahren (Autos, Beatschuppen, Jugendkultur nach amerikanischem Vorbild) bis zur Wirtschaftskrise in den frühen 80ern (Fabrikschließungen, Entlassungen). Auch die Situation der Frauen ändert sich: waren sie in den Kriegsjahren noch weitgehend der Willkür der Männer ausgeliefert und wagten nicht aufzumucken, so werden sie zunehmend selbstbewusster und dringen in Männerdomänen ein. Eivor arbeitet als Kranführerin in einer Stahlfabrik und hat es -wie ihre wenigen weiblichen Kollegen - unter den männlichen Kollegen nicht leicht, aber sie kämpft gegen sexuelle Diskriminierung und arrangiert sich zunehmend mit ihrem Leben, auch wenn es anders verlaufen ist als erträumt.
    Im Gegensatz zu vielen anderen Lesern habe ich den Verlauf der Handlung gar nicht so tragisch empfunden, da Eivor eine starke Persönlichkeit ist und sich immer wieder aufrappelt. Mir hat dieser Roman, der erste Nicht-Krimi, den ich von Mankell gelesen habe, ausgezeichnet gefallen und ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.
    Gefehlt hat mir eine Karte von Schweden im Einband, da sehr viele verschiedene (auch kleine) Orte genannt werden, so dass es für mich manchmal etwas unübersichtlich wurde.

  • Dies war der erste Mankell-Roman, den ich abbreche - und gerade von diesem Autor habe ich tatsächlich alles Verfügbare gelesen. Zum einen ist mir das zuviel an Düsternis und Rückschlägen, zum anderen paßt die Frauenversteherschiene einfach nicht zu Mankell. Bei der Hälfte habe ich schweren Herzens abgebrochen, weil mich nichts zum Weiterlesen reizte.

  • Zitat

    Original von Eskalina


    Zwar zeichnet der Autor lebendige Bilder seiner Figuren, arbeitet ihr Umfeld mit Liebe zum Detail aus, und hat einen tiefgründigen und perfekten Schreibstil vorzuweisen, doch gönnt er weder dem Leser noch seinen Hauptpersonen längere Phasen unbeschwerten Vergnügens. Mankell mag die düsteren Szenarien (die zweifellos aus seinen Krimis etwas Besonderes machten) und so lässt er in diesem Buch Elna und später auch ihre Tochter Eivor ununterbrochen erfahren, wie hart und ungerecht das Leben sein kann. Eivor ist die Folge der verhängnisvollen Radtour vom Beginn der Geschichte (sozusagen der Preis für eine winzig kurze Zeit des Glücks im Leben von Elna), und auch sie wird, genau wie ihre Mutter, durch ihr soziales Umfeld und ihre Schwangerschaften an ihren Lebensplanungen gehindert. Die beiden Frauen kämpfen sich durchs Leben, funktionieren, wie man es von ihnen erwartet - Sie ziehen ihre Kinder auf und stellen ihr Lebensglück immer wieder hintenan. Es ist kein typischer Mutter-Tochter-Konflikt, den der Autor aufzeigt, es ist eher ein Konflikt der einzelnen Personen mit sich selbst, mit allen anderen in ihrem Umfeld und mit dem Leben allgemein. Mir persönlich war das zuviel des Unguten. Hinzu kommt noch, dass es mir einfach nicht gefällt, wenn Bücher im Präsens verfasst sind.


    Das kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Deshalb habe ich das Buch nach 200 Seiten abgebrochen. Es war einfach nur deprimierend.

  • komisch. es war mein erstes buch von mankell und ich liebe es. endlich geht es leuten mal wie mir, nur pech ^^.
    nein, scherz. ich finde es sehr schön geschrieben und es wird ja nicht nur schlechtes beschrieben, die charaktere sind manchmal auch zufrieden mit ihrem leben. ich bin aber auch noch nicht durch. es wird auf jeden fall eines meiner lieblingsbücher sein.